Geduld ist zuweilen ein scheues Tier. Bei mir wird es derzeit des Öfteren in die Flucht geschlagen. Ich kann allmählich diesen Satz nicht mehr hören, dass man ein Wort nicht mehr hören könne. Womit selbstredend das C-Wort gemeint ist. Ich kann verstehen, dass nach all den Wochen vielen das Wort Corona auf den Geist geht. Obwohl, oder vielleicht gerade weil klar ist, dass es uns noch lange beschäftigen wird.
Also sinnieren wir über etwas anderes, vielleicht ein Blick in die vorweggenommene Zukunft. Wir könnten ja mal die Wahl zum Wort des Jahres testweise vorziehen. Was, Stand heute, nicht ganz ohne C-Bezug gehen wird, aber wir lassen das Wort selbst mal weg.
Wie wäre es beispielsweise mit „vulnerabel"? Dafür gäbe es auch durchaus bekannte und zutreffende Wörter in unserer Sprache. Nur klingen die halt nicht so medizinisch-kompetent-gefährlich, was vielleicht dem Virus angemessen erscheint, aber weniger was für normale Leute ist.
Oder vielleicht „neue Normalität"? Die könnte im Grunde zwar kaum eine Eintagsfliege überleben, dafür hat sie aber bereits beachtliche Ableger. Zum Beispiel den vom „neuen Alltag". Ich verzichte mal auf den Hinweis, dass sich der Wortfindungsprozess im Mai abspielt, der ohnehin alles neu macht. Einige Neuerfindungen erinnern derzeit ohnehin mehr an neue Hexennacht.
Trotzdem soll jetzt auf jeden Fall irgendwie alles „neu" werden. Und das gleich mit einem „Schub". Heißt in Umkehrschluss, dass uns bisher beides ziemlich abgegangen ist. Was ja nicht gerade eine neue Erkenntnis ist.
Aber vielleicht ist das mit dem „Alles Neu" auch gar keine so prickelnde Idee. Mein Eindruck ist nicht, dass sich alle derzeit unbedingt und mit Schub auf Neues stürzen wollen. Im Gegenteil. Es herrscht fast schon nostalgische Sehnsucht, wenigstens wieder das haben zu können, was – und wie – es vor der Krise war. Grundrechte, Jobperspektive, Fußball, Party, Urlaub, halt was so zum Leben dazu gehört. Was wäre verwerflich daran?
Es wird nichts mehr so wie vor ein paar Wochen. Es wird anders. Wenn die wieder entdeckten Wertschätzungen für bislang scheinbar Selbstverständliches dazu gehören würde, könnte ich einem neuen Anders was abgewinnen.