Ein plötzlich stechender Schmerz, wie ein Blitz mitten ins Kreuz: Ein Hexenschuss ist leider vielen Deutschen nur allzu bekannt. Präventiv lässt sich einiges tun.
Treten im Lendenwirbelbereich plötzlich, meist stechende und manchmal anhaltende Beschwerden auf, spricht man von einem Hexenschuss. Wer schon einmal betroffen war, weiß, dass bei diesem der Schmerz wie ein Blitz direkt ins Kreuz fährt. Eine Überlastung der Zwischenwirbelgelenke oder gezerrte und verspannte Rückenmuskeln zwingen die Betroffenen meist in eine infolge der Schmerzen gebückte Haltung, so die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, kurz DGOU.
Eine akute Lumbalgie, so der medizinische Fachbegriff für den Hexenschuss, kann ein Ausdruck unkomplizierter akuter nicht spezifischer Kreuzschmerzen sein, die binnen weniger Tage wieder aufhören, erklärt die DGOU auf ihrer Webseite. Nicht selten deuten die Schmerzen auf eine schlecht trainierte Rücken- und Beinmuskulatur oder einen bewegungsarmen Lebensstil hin. Doch einen Hexenschuss sollte man keineswegs unterschätzen. Denn laut der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft kann es durchaus sein, dass eine ernsthafte Erkrankung, wie etwa ein Bandscheibenvorfall, die Schmerzen ausgelöst hat.
Laut dem Arztreport 2020 der Barmer wurden hierzulande im Jahr 2018 bei 8,7 Millionen Männern und 11,6 Millionen Frauen Rückenschmerzen diagnostiziert. Ganz unterschiedlich können sich akute Rückenschmerzen bemerkbar machen: laut Barmer nicht nur im Kreuz (Kreuzschmerzen und Hexenschuss), sondern auch im Ischiasnerv, in den Bandscheiben, im Wirbelkanal und in den Wirbelkörpern (Osteoporose).
Doch wer einmal von einem Hexenschuss geplagt war, sollte das zum Anlass nehmen, um mehr für die eigene Rückengesundheit zu tun. Für einen starken Rücken empfehlen Orthopäden und Unfallchirurgen mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, regelmäßig Sport zu treiben und bei allen Handgriffen eine rückenschonende Haltung einzunehmen. Für einen Alltag mit mehr körperlicher Bewegung reicht es schon, Treppen zu steigen, Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen und im Büro nach langem Sitzen aufzustehen und die Muskeln zu dehnen. Will man gezielt die Muskeln trainieren, eignen sich dafür gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Nordic Walking und Pilates, empfiehlt die DGOU.
Zudem raten die Fachärzte im Alltag, die Regeln einer rückenfreundlichen Grundhaltung zu beachten. Denn wer im Beruf viele Stunden am PC arbeitet, sackt irgendwann in sich zusammen, was letztlich zu Rückenschmerzen führen kann. Darum sei es besser, mit entspannten Schultern gerade zu sitzen und gleichzeitig die Füße am Boden nebeneinander zu stellen. In der Stunde zwei- bis dreimal zwischendurch aufzustehen, sei gut für ein dynamisches, rückenfreundliches Sitzen. Sinnvoll seien außerdem höhenverstellbare Stühle und Bildschirme. Eine über mehrere Stunden eingenommene falsche Sitzposition, so die DGOU, kann nachhaltig negativ die Bandscheiben belasten.
Selbst bei der Gartenarbeit kann man den eigenen Rücken stärken und schonen: Hebt man beispielsweise schwere Gegenstände, wie zum Beispiel einen Sack Erde an, sollte man dabei in die Knie gehen und den Rücken gerade halten, sodass Rücken und Bandscheiben geschont werden. Außerdem sollten Hobbygärtner schwere Lasten nah am Körper tragen oder mit einer Schubkarre transportieren. Um Zugluft im Rücken zu vermeiden, sollte man diesen vollständig bedecken. Das gilt vor allem bei Gartenarbeiten, bei denen man leicht ins Schwitzen gerät, beispielsweise beim Rasenmähen. Freizeitgärtner sollten regelmäßige Pausen machen, in denen sie alle Muskeln des Körpers strecken und entspannen sollen.
Wärme-behandlungen, zum Beispiel mit Rotlicht, unterstützen den Heilungsprozess
Die DGOU stellt aber auch klar: Betroffene sollten wegen der Schmerzen nicht in eine steife Schonhaltung verfallen, sondern sich weiterhin aktiv bewegen. In fast allen Fällen fördere dies die Heilung der Rückenschmerzen. Die Einnahme eines rezeptfreien Schmerzmittels – höchstens drei Tage lang – kann dabei helfen, ohne Schmerzen schnell wieder aktiv zu werden. Wärmeanwendungen, wie etwa ein heißes Bad oder Rotlichtanwendung, unterstützen den Heilungsprozess.
Wenn starke Schmerzen nach drei Tagen nicht abklingen, sollten ihre Ursachen von einem Arzt abgeklärt werden, rät die Techniker Krankenkasse (TK). Unkomplizierte Rückenschmerzen, wie bei einem Hexenschuss seien immer bewegungsabhängig, sprich sie verstärken sich bei Bewegungen und lassen in Ruheposition nach. Abgesehen von den Rückenschmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit seien die Betroffenen aber in guter körperlicher Verfassung.
Wie die TK im März meldete, ging jeder zwölfte Tag, den Erwerbstätige im vergangenen Jahr krankgeschrieben waren, auf das Konto von Rückenleiden. Eine Auswertung der Techniker zum Gesundheitsreport 2020 zeigt: Das entspricht einem Anteil von 8,4 Prozent aller Krankschreibungstage. Dem Report zufolge waren Erwerbspersonen im vergangenen Jahr im Schnitt 15,4 Tage krankgeschrieben, davon entfielen 1,3 Tage auf Rückenprobleme oder Bandscheibenvorfälle. „Hochgerechnet auf die 5,3 Millionen TK-versicherten Erwerbstätigen in Deutschland hatten wir laut Statistik rund 6,3 Millionen Fehltage aufgrund von Rückenbeschwerden", rechnet Albrecht Wegner, Verantwortlicher für den TK-Gesundheitsreport, vor.
„Für einen gesunden Rücken spielen viele Faktoren eine Rolle. Ein gesunder Lebensstil im privaten Bereich ist dabei genauso wichtig wie rückenfreundliche Strukturen auf der Arbeit. Dazu gehören unter anderem ein ergonomischer Arbeitsplatz und beispielsweise bewegte Pausen", erklärt Stefan Groh, Leiter der TK-Landesvertretung Saarland. Doch Rückenschmerzen könnten auch durch psychische Belastungen ausgelöst werden. „Damit es nicht so weit kommt, sollten sich Betroffene Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Probleme suchen. Außerdem sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen gefordert, für ein gesundes Arbeitsklima zu sorgen", sagt Groh.
Die Barmer informiert in ihrer 40-seitigen Broschüre „Rücken aktiv – Bewegen statt schonen" (unter www.barmer.de/127007 kann sie heruntergeladen werden), wie man die eigene körperliche Belastbarkeit durch Aktivität und Training steigern kann. Unter anderem gibt der Leitfaden Tipps, wann man nach einem Hexenschuss wieder richtig loslegen kann. Zuerst klären die Autoren über einen Irrglauben im Zusammenhang mit Rückenbeschwerden auf: „Längere Bettruhe hindert daran, schnell wieder fit zu werden". Das heißt, anstatt sich zu schonen, sollte man so aktiv wie möglich bleiben. Denn das ist wichtig für eine rasche Genesung. Nach einem Hexenschuss sollte man trotzdem die eigenen Gewohnheiten und Hobbys entsprechend anpassen. „Bestimmte Dinge wie Gartenarbeit, schweres Heben oder Sport sind vielleicht für ein paar Tage gar nicht möglich." Eines ist allerdings sicher, ist in der Handreichung nachzulesen: Je eher man die Kurve kriegt, umso früher kann man wieder den gewohnten Alltagstätigkeiten nachgehen. Zugleich gilt: Umso schneller lassen die Beschwerden nach und man wird wieder fit. Was fürs Privatleben gilt, kann auch auf den Beruf übertragen werden. „Gehen Sie vernünftig mit ihrem Körper um und hören sie auf seine Signale. Übermäßige Ängstlichkeit ist ebenso fehl am Platze wie ein ‚Kopf-durch-die-Wand-Verhalten‘, das die Beschwerden ignoriert", rät die Barmer. Letztlich kommt es beim Auskurieren akuter Rückenleiden auf die richtige Balance zwischen Schonung und Belastung an. Wer sich nach einem Hexenschuss gleich überfordert und durchhalten will, tut seinem Rücken damit keinen Gefallen.
Im Barmer-Onlinekurs Rückengesundheit (www.barmer.de/g100035) kann man lernen, was dem Rücken guttut. Videogestützte Übungs- und theoretische Lerneinheiten sollen dabei helfen. Mithilfe der Übungen lernt man beispielsweise, Verspannungen zu lösen. Tipps wie diese lassen sich gut in den Arbeitsalltag einbauen, sei es in der Firma oder im Homeoffice, so die Barmer. Zuvor kann via Online-Fragebogen der passende Schwerpunkt für die eigenen Bedürfnisse ermittelt werden. Ein direkter Einstieg in den Online-Kurs ist ebenfalls möglich. Während in den ersten Wochen die Vermittlung von Grundlagen auf dem Programm steht, werden später in dem Kurs auch konkrete Methoden und Techniken vermittelt. Spielerische Elemente und Quizze sollen für Auflockerung zwischendurch sorgen.