Darmentzündungen, Verstopfungen, Reizdarm: Der Verdauungsapparat kann viele Probleme verursachen. Der Österreicher Franz Xaver Mayr plädierte schon vor 100 Jahren dafür, den Darm von Säure- und Schlackenbelastung zu befreien und die Entgiftungsfunktionen des Körpers zu unterstützen.
Den Kopf halt kühl, die Füße warm, und pfropfe nicht zu voll den Darm", heißt eine alte Regel gesunder Lebensführung. Der junge Dr. Franz Xaver Mayr behandelte um 1900 in einer Kuranstalt Darmkranke und fragte sich, woran man Gesundheit eigentlich erkennen könne. Damals gab es weder verlässliche Kriterien der Gesundheit des Menschen noch der Gesundheit des Verdauungsapparates. Niemand aus der Fachwelt wusste, wie groß, wie geformt, wie beschaffen der gesunde Bauch ist oder ab welchem Punkt das Gesunde in das Krankhafte übergeht. Jahrzehntelang untersuchte und behandelte F. X. Mayr Tausende von Patienten, bis er schließlich die „Diagnostik der Gesundheit" entwickelte, jene Kriterien des gesunden Leibes, die ihn berühmt machten.
Der Arzt fand heraus, dass der Darmtrakt vieler Menschen „nicht mehr sauber, nicht mehr voll leistungsfähig und daher auch nicht gesund" sei. Durch „abgelagerte Rückstände oder Schlacken" wäre er „mehr oder weniger verschmutzt, oft entzündet und durch Verunreinigungen zu einer gefährlichen Giftquelle geworden. Das mache den Menschen früher krank, alt und hässlich." Mit dieser Sichtweise war er seiner Zeit weit voraus.
Die Zusammenhänge zwischen Verdauung und Wohlbefinden wurden lange Zeit kaum beachtet. Inzwischen weiß man, dass Schwierigkeiten mit der Verdauung zu den häufigsten Beschwerden gehören. Viele Menschen klagen über Blähungen, Darmträgheit, Schmierstuhl oder Durchfall. Das hat Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Müdigkeit, Lustlosigkeit, depressive Verstimmung, schlechte Haut, Übergewicht und vieles mehr können die Folge einer gestörten Darmfunktion sein. Oft liegen die Gründe in einer überlasteten Ernährung und falschen Lebensweise der Betroffenen. Durch die Ablagerung belastender toxischer Abfallprodukte im Organismus werden die körpereigenen Heil- und Abwehrkräfte geschwächt.
„Doch wir selbst haben es in der Hand, unseren Lebensstil und schädliche Gewohnheiten zu ändern und damit den Darm zu sanieren", sagt Dr. Henk C. Hietkamp, der Leiter des F.X. Mayr Zentrums im „Gräflicher Park Resort" von Bad Driburg. Der schlanke Mann im weißen Kittel erinnert sich „wie er in seiner früheren Allgemeinpraxis Patienten mit Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterinspiegel oder Übergewicht zu einer gesünderen Ernährung zu überzeugen versuchte. „Unmittelbar nach ergiebiger Beratung sah ich einige von ihnen an einer Frittenbude stehen. Ein anderer holte sich weiterhin seine Brötchen lieber vom Metzger, weil er keine Zeit hätte, zu Hause sein Frühstück zuzubereiten. Das war in den 90ern, als man noch beratungsresistent war und glaubte, sich über Tabletten Gesundheit erkaufen zu können."
Arzt wollte Dr. Hietkamp schon als kleiner Junge werden. Er erinnert sich: „In der Familie gab es einen Freund, der eigenartige, komische Reden hielt, dass man den Darmtonus beeinflussen könne, dass man bei einem gesunden Darm kein Toilettenpapier mehr brauche und solche Sachen. Das fand ich lustig. Andererseits musste ich mich oft vor anderen rechtfertigen. Als Vegetarier groß geworden, fragten mich die Leute erschrocken, wo ich denn mein Eiweiß herbekomme. Mir wurde bald klar, je mehr wir tierische Fette essen und weniger Ballaststoffe, desto mehr wird die Darmträgheit gefördert und die toxischen Substanzen kommen länger zur Wirkung. Der Darmexperte wandte sich der Mayr-Medizin zu, war er doch überzeugt, dass sie eine wirksame Maßnahme zur Regenerierung des Darms sei.
Darmgesundheit beeinflusst mehr als nur die Verdauung
„Das schlägt mir auf den Magen" ist ein typischer Ausspruch für den Einfluss des Bauchbereiches auf unsere Emotionen. Die Darmgesundheit beeinflusst viel mehr als „nur" die Verdauung. Eine gestörte Darmflora kann auch zu Depression, Angst und Stress führen. Studien besagen, dass die Menschen in den Wohlstandsländern immer dicker werden. Hektischer Alltag, Fast Food, Werbeslogans wie „all-inclusive" oder der Coffee to go, auch Frustessen bringen es mit sich, dass wir nicht nur falsch, sondern auch zu viel essen, uns von einem falschen Hunger trügen lassen. Die Ernährung sei zu üppig, zu fett, zu schwer und führe mit der Zeit zu einer Überbelastung der Verdauungsorgane. Das könne zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Schlafstörungen, Störungen des Harnsäurestoffwechsel, Bluthochdruck, Rheuma, Gefäßverkalkung oder Übergewicht führen. „Im Grunde sind das häufig angegessene, gutartige Probleme", sagt Dr. Hietkamp, der seit 20 Jahren die Fastenkuren leitet. „Wenn ich zu fett esse, rauche, trinke, zu wenig schlafe, Raubbau an meinem Körper betreibe, steigt seine Entzündungsbereitschaft. Es wird weniger Serotonin in den Darmzellen produziert, was depressive Verstimmungen zur Folge haben kann und den Darm empfindlicher macht für chronische Erkrankungen." Außerdem würden bei einer sehr fett- und eiweißreichen Ernährungsweise viele Nahrungsreste in den Dickdarm gelangen, die von Keimen einer Fäulnisflora verwertet werden können. Die Abbauprodukte würden die Leber belasten, Blähungen und breiigen Stuhl verursachen.
„Oft stellt das Essen auch eine Ersatzbefriedigung dar, wenn man sich den Alltagsanforderungen, dem Leben auch mit seiner Härte nicht bewusst stellen kann. Vielfach können positive Eindrücke nicht mehr abgerufen werden, sodass man sich halt auf oraler Ebene ‚etwas gönnen‘ möchte, so das Dilemma vieler Kurpatienten", erzählt Dr. Hietkamp. Das Geheimnis gesunden Essens bringt er auf den Punkt: „Nicht zu viel. Nicht zu spät. Nicht zu hastig. Sich in der Nahrungsaufnahme einzuschränken, setzt eine freie Entscheidung voraus. Diese Erfahrung sensibilisiert den Menschen auf körperlicher und seelischer Ebene", sagt Dr. Henk C. Hierkamp. Durch weniger Essen kommen im Gehirn Botenstoffe vermehrt zur Wirkung, die sowohl ein angenehmes entspanntes Befinden als auch auf natürliche Weise satt machen. Reichlich Trinken fördere zudem die Ausscheidung und bewirke so eine Blut- und Säfte-Reinigung.
Zunächst geht es aber bei der Mayr-Kur aber um Schonung. Das Essen besteht aus verträglicher Schonkost. Oft wird die Mayr-Kur auch als Fastenkur verwechselt, da die therapeutischen Effekte denen des Fastens sehr ähnlich sind. Doch bei Mayr wird gegessen, wenn auch reduziert. F. X. Mayr legte die Betonung gesunden Essens vor allem auf das Wie. Die oberste Regel lautet: „Die Nahrung langsam und intensiv kauen und einspeicheln. Wenn wir uns Zeit nehmen, gründlich zu kauen, etwa 30- bis 40-mal, tritt eher eine Sättigung ein. Isst man dagegen in Stress und Hektik, vor laufendem Fernseher oder umgeben von anderen Außenreizen, merken wir gar nicht, was wir runterschlingen."
Die Nahrung landet so in Form von schlecht eingespeichelten Brocken im Magen, der große Mühe hat, diese zu verdauen wie auch nachfolgend der Darm. Durch das Schlingen isst man zudem etwa um ein Drittel mehr, als bei bedachtem Essen. Es entsteht ein Völlegefühl. Das gründliche Zerkleinern der Nahrung bis der Bissen breiig und gut eingespeichelt ist, erleichtert dem Darm das Verdauen.
Die Mayr-Kur soll das natürliche Sättigungsgefühl zurückbringen, die Verdauung und den Speichelfluss anregen und auch ein neues Bewusstsein für den Prozess des Essens schaffen. „Man lernt, sich auf die Mahlzeit zu konzentrieren und das Sättigungsgefühl wahrzunehmen. Ich fühle mich innerlich komplett aufgeräumt, wach, geistig klar und mit mir im Reinen. Der Blutdruck ist nicht mehr so hoch und der Puls geht ruhiger", beschreibt ein Patient seinen Zustand nach erfolgreicher Nahrungsreduktion.
Die Kurpatienten des Mayr-Arztes kommen aus einem breiten Spektrum. Manche klagen über einen Reizdarm, über Verstopfung oder Rheuma. Andere wollen nur prüfen lassen, ob sie noch alkoholabstinent leben können. Wieder andere wollen einfach nur entgiften oder ihr Gewicht reduzieren.
Manuelle Lymphdrainagen gehören ebenfalls zur Kur
Darum steht zu Beginn der Kur immer die ärztliche Erstuntersuchung an. Dr. Heitkamp betrachtet eingehend jeden Patienten nach seinem Konstitutionstyp, den Ästheniker, Athleten, Pykniker oder den Dysplastiker. Er analysiert präzise genau Körperbau und Körperhaltung, ob man in seiner Achse stehe oder schief, gebeugt, gedrungen oder aufgerichtet. Nach der Anamnese wird für jeden Gast individuell und maßgeschneidert das weitere Behandlungskonzept ausgearbeitet, um persönliche Vorlieben und Verträglichkeiten für die Kur zu berücksichtigen. So sei es von essenzieller Bedeutung, ob an ihnen aktivierende oder beruhigende, wärmende oder kühlende Maßnahmen durchgeführt werden. Beispielsweise werde die Art eines Wickels, eines Einlaufs oder einer Akupressur völlig der Konstitution entsprechend ausgewählt.
Begleitet wird der Entgiftungsprozess mit Kreislauf-, Blutwerte- sowie Gewichtskontrolle. Die Säuberung des Darms erfolgt durch salinische Darmreinigung mit Bittersalz, Einläufe, Colon-Hydro-Therapie und kann mittels Kohlensäuremineralbäder oder mit Tiefenwärmebehandlung zur Entschlackung unterstützt werden. Blaue vorgewärmte Silikonmanschetten liegen für Letzteres auf der Behandlungsliege bereit. Sie werden direkt auf die bloße Haut des Patienten gelegt, um Brust, Bauch, Rücken und Nieren zu erwärmen, zwischen 37,5 und 39 Grad. „Die Tiefenwärme ist zugleich Tiefenentspannung", sagt Silvia Quast, die medizinische Therapeutin und Masseurin. „Die Muskeln lockern sich. Der Fettstoffwechsel wird angeregt, dadurch Giftstoffe herausgelöst, das Gewicht reduziert und das ganze Immunsystem gestärkt."
Silvia Quast führt auch die mechanische Lymphdrainage durch, die zur Entschlackung, Förderung des Stoffwechsels und zur Verbesserung des Hautbildes führt. Die Lymphe aus den Beinen werden mittels einer Bandage, die vom Fuß über die Beine aufsteigend bis zur Hüfte mit Luft aufgefüllt wird und sich dann mit ausleitendem Effekt durch sanften Druck zum Darm hin bewegt, geleitet. Auf diese Weise wird unnötiger Ballast aus dem Körper entfernt. Davon profitiert auch die Haut, speziell die Cellulite. Mit der Saugpumpenmassage, eine neue Form der manuellen Lymphdrainage, lebt die jahrtausendealte Tradition des Schröpfens in neuer Form wieder auf. Auch diese Behandlung wirke unterstützend bei der Entstauung des gesamten Körpers. Dabei würden nicht nur sämtliche Hautschichten, sondern auch das Unterhautfettgewebe optimal durchblutet und mit Sauerstoff angereichert, erklärt Silvia Quast.
Schwerpunkt der F.X.-Mayr-Kur sind die Bauchmassagen und manuelle Bauchbehandlungen. Sanft tastet Dr. Hietkamp den Bauchraum, Dünndarm, Dickdarm mit den Händen ab, erkundet die verschiedensten Bauchformen. Viele Frauen hätten eine Entenhaltung mit „Kotbauch", so seine Erfahrung. Bei diesem würden erschlaffte, mit Inhalt gefüllte Darmschlingen die Nachbarorgane, wie Gebärmutter, Eierstöcke oder Blase belasten, sodass der Körper diese schützen muss. Das zugehörige Hohlkreuz wird automatisch eingenommen, um die Haltung auszugleichen. Bei der Bauchmassage wird der Darm tonisiert und die Darmdrüsen in ihrer Aktivität angeregt, sodass die Leber entgiften kann. Durch die Bauchmassage verfolgt der Arzt zu Beginn und im Verlauf der Kur auch die Veränderungen am Bauch.
„Nach der Kur fühlen sich die Gäste leicht und schön. Die Erkenntnis, dass man mit weniger gut leben kann, bereitet ihnen eine innere Freude", stellt Dr. Heitkamp immer wieder fest. „Diese seelisch emotionale Erfahrung, sich gut zu seinem Körper zu verhalten, nicht mehr Opfer eines kontinuierlichen Fehlverhaltens zu sein, empfinden sie auch als eine Form der physischen Vergebung." Die Mayr-Kur kann natürlich keine Wunder vollbringen, aber sie ist ein wunderbarer Einstieg, achtsamer zu leben, Ernährung und Bewegung in Einklang zu bringen. Das erlernte Essverhalten hinsichtlich gründlichem Kauen und Einspeicheln jedes Bissens sollte man auch zu Hause in den Alltag integrieren. Aus der Sicht F.X. Mayrs sind kleine Mahlzeiten ausgezeichnet, jedoch nicht 5 oder 6 am Tag. Wo kein Hunger ist, besteht keine Notwendigkeit zum Essen. Wo ohne Appetit gegessen wird, setzt ein Instinkt- und Genussverlust ein. Vermeiden sollte man Weißmehl und Zucker, Fette und Fleisch nur in geringen Mengen. Einige proteinreiche Lebensmittel, gesunde Fette und komplexe Kohlehydrate sind reich an Tryptophan und erhöhen den Serotonin-Spiegel. Auf einfache Kohlehydrate oder Wachmacher wie Kaffee oder Energydrinks sollte hingegen verzichtet werden.
Weiterhin sei angeraten, sich täglich für eine halbe Stunde an der frischen Luft zu bewegen, denn die Entgiftung geschehe auch über die Lunge. Ansonsten empfiehlt der Mayr-Arzt „früher Schlafengehen, ausreichend schlafen und den Alltag etwas ruhiger anzugehen."