Kontakt halten, kreativ bleiben und den Online-Versand ankurbeln – die „Popkornditorei Knalle" hat sich schon vor der Corona-Krise einen Namen gemacht. Das half, die Flaute zu überstehen.
Sie sind kugelrund, außen knusprig, dezent karamellisiert und innen fast so soft wie eine Praline. Stück für Stück bieten sie ein Geschmackserlebnis: Es gibt sie mit Meersalz, dunkler Schokolade, Tonkabohnen und Kokos, Mohn und Mandarine, Erdnussbutter und Salzkaramell und anderen leckeren Kreationen. Doch bei dem verführerischen Naschwerk geht es nicht um Kekse oder Schokolade. Hier geht es um Popcorn. Das Team der Berliner Popkornditorei Knalle hat das Popcorn neu erfunden und damit den Premiummarkt erobert. Die Idee setzte sich schnell durch und der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Sie belieferten Unternehmen, Spitzenhotels und zahlreiche Events. Ihre innovativen Popcornkreationen waren im KaDeWe und in Flughafen-Lounges zu finden. Ein eigenes Geschäft in Prenzlauer Berg kam schnell dazu. Doch dann kam Corona. Mit dem Virus Covid-19 änderte sich alles. Die Umsatzeinbußen im März lagen bei 80 Prozent.
„Wir versuchten online stärker zu werden", sagt André Göbel vom Führungsteam der Popkornditorei. Ihr Motto ist: „Der Krise agil und kreativ begegnen". Mit Mailings, Newslettern und Anrufen halten sie ihre Kunden auf dem Laufenden und versuchen so, die Bindung zu stärken. Sie nutzen Social- Media-Kanäle, um auf sich aufmerksam zu machen sowie zur Neukundengewinnung. „Jetzt sind wir die Lösung für alle, die Knalle für ihren privaten Filmabend zu Hause bestellen", sagt Christian Seitner, der für Events zuständig ist. Da Firmenevents derzeit ausfallen, haben sich die Macher der Manufaktur etwas anderes einfallen lassen. Mit Knalle können Firmen ihren Mitarbeitern kulinarische Grüße ins Homeoffice schicken oder die Pausen zwischen den Videokonferenzen versüßen. „Dafür individualisieren wir mitunter das Tütendesign und kümmern uns um den gesamten Versand bis zur persönlichen Grußkarte", berichtet Christian Seitner. Zehn Unternehmen sind ihnen so als Kunden erhalten geblieben. Über Instagram können ihre Fans sogar an einer Live-Verkostung mit Lucie Krautien teilnehmen. Sie ist für den Geschmack der Kreationen zuständig. Voraussetzung ist der Kauf der sogenannten „Back Stage Box". Darin enthalten sind drei völlig unbekannte Entwürfe aus der Backstube. Auf den Verpackungen wird nicht verraten, welche Zutaten zum Einsatz kamen. Die Box ist limitiert, erhältlich sind nur hundert Kisten. Ziel ist, mit der Sorte, die zum Favoriten gewählt wurde, das Sortiment zu erweitern. „Die Fans entscheiden mit, was am meisten knallepoppt", sagt der 36-jährige André Göbel.
Nicht nur fürs Kino gedacht
Außerdem sind sie Partner von Windowflix, die Filme an Hausfassaden zeigen. Auch zum Muttertag haben sie sich etwas einfallen lassen: die Sorte Rosa Pfeffer Kornblume in limitierter Auflage.
Als kleine Geschäfte wieder aufmachen konnten, war der Umsatz in ihrem Laden eher ein Tropfen auf den heißen Stein. „Die Straßen waren leer, die Leute blieben zu Hause", berichtet Göbel. Alle Maßnahmen zusammen tragen dennoch Früchte. Die Umsatzeinbußen gingen auf 40 Prozent zurück. Zudem verfügen sie über ausreichende Rücklagen, um gut durch die Krise zu kommen. „Geholfen hat uns auch ein Beitrag im RBB", sagt Göbel. Danach standen die Leute Schlange vor unserem Laden.
Angefangen hat alles im Sommer 2015. André Göbel betrieb mit seiner Partnerin Lucie Krautzien das Café „Zückerstück" in Prenzlauer Berg. Beide sind gelernte Köche und waren in der Spitzengastronomie beschäftigt, Lucie Krautzien beispielsweise im ehemaligen Sternerestaurant First Floor. Sie ist zusätzlich auch in der Patisserie ausgebildet.
Christopher Peters, der Geschäftsführer der Popkornditorei Kalle war zuvor bei Coca Cola tätig. „Christopher war unser Stammkunde, er entdeckte bei einer Geschäftsreise in die USA, dass man Popcorn auch ganz anders machen kann", berichtet Göbel. Peters fragte die beiden, ob sie nicht Lust hätten, etwas auszuprobieren. Lucie Krautzien machte sich an die Arbeit. Sie probierte verschiedene Popcornsorten, kaufte Gewürze und alle erdenklichen Zutaten. Die Patisserie-Spezialistin entwickelte erste Kreationen und probierte weiter. Peters, Göbel und Freunde mussten sie testen. Ihren ersten Auftritt wagten sie auf dem Berliner Naschmarkt in der Markthalle Neun in Kreuzberg. Im Gepäck hatten sie drei Sorten: Butterkaramell Tahiti-Vanille, Malabar-Pfeffer Meersalz und dunkle Schokolade mit Mandeln. „Wir waren nach drei Stunden ausverkauft", erzählt Göbel. Doch nicht nur das. Dort wurden auch viele zukünftige Partner auf Knalle aufmerksam. Durch einen Kontakt zum KaDeWe konnten sie einen zwölf Quadratmeter großen Stand in der Lebensmittelabteilung eröffnen, die Gruppe Breuniger kam dazu, rund 150 Feinkostläden wie Käfer, Dallmeyer und das Frischeparadies, zahlreiche Hotels wie die Fünf-Sterne-Häuser Severinshof auf Sylt, das Elmau Schlosshotel, die 25-Hours-Hotels und viele Unternehmen. Sie versorgen die Veranstaltungen von Porsche, der Unternehmensberatung KPMG, Boss und dem Champagnerhersteller Veuve Cilcquot.
Im März 2016 gründeten die Popcorn-Spezialisten die Popkornditorei Knalle als UG und wandelten sie im Oktober 2019 in eine GmbH um. Ihr Jahresumsatz betrug vor der Corona-Krise 1,2 Millionen Euro. Davon wurden 20 Prozent über den Onlineshop erzielt. Heute beschäftigen sie 14 festangestellte Mitarbeiter und einige Minijobber. Für die Abfüllung des Popcorns arbeiten sie mit den Mosaik-Werkstätten zusammen, die Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung unterstützen.
Nachdem sie verschiedene Maislieferanten ausprobiert hatten, haben sie sich für die Sorte Mushroom Mais aus Südfrankreich entschieden. „Als Popcorn werden die Maiskörner dieser Sorte besonders schön, rund und groß, auch der feine Geschmack hat uns überzeugt", sagt Göbel. In ihrer 30 Quadratmeter großen Backstube in Friedrichshain werden die getrockneten Maiskörner auf 220 Grad erhitzt, damit sie platzen. Dafür verwenden sie einen Spezialofen der ein Kilo Körner pro Minute durch heiße Luft erhitzt, anschließend aussiebt und nach draußen transportiert. Per Hand werden die Körner ein zweites Mal sortiert, damit nur die besten in den Handel kommen. Frisch „geknallt" wird das Popcorn karamellisiert und mit feinsten Zutaten je nach Geschmacksvariante im Ofen gebacken. Direkt vom Blech kommen sie in die Tüte mit eigenem Design. Jede Tüte enthält 100 Gramm Popcorn und kostet 4,50 Euro. In der Popkornditorei werden jährlich 25 Tonnen Mais verarbeitet.
Popcorn für den Premiummarkt
Zum Sortiment zählen rund zehn Sorten. Die Macher von Knalle haben sich mit ihrer Expertise auf Gourmet-Popcorn spezialisiert und wollen sich damit von ihren vier Mitbewerbern abheben.
Der Firmenname entstand bei der Herstellung. „Knalle steht für Popcorn, das knallt, wenn das Korn platzt, gleichzeitig trägt unser Unternehmensname auch den Berliner Slang in sich wie bei ‚Dit find ich knalle‘", berichtet Göbel.
Die Macher von Knalle bleiben zuversichtlich. Inzwischen dürfen alle Geschäfte wieder öffnen. Ihre Händler und Vertriebspartner sind wieder für Kunden da, auch im KaDeWe geht der Betrieb weiter, wo Knalle Verkostungen an einem eigenen Stand anbietet. In absehbarer Zeit werden auch die Hotels wieder für Gäste offenstehen „Wir sind gespannt wie es weitergeht, gerade ändert sich die Situation ja fast wöchentlich", sagt Göbel. Sollte sich die Lage wieder verschlechtern, würden sie neue Lösungen finden. Einerseits hält das Knalle-Team weitere Covid-19-Wellen für ziemlich wahrscheinlich, andererseits sind sie froh über die Lockerungen. Laut Göbel wird sich der Handel durch die Corona-Krise nachhaltig verändern, es werde immer mehr über Onlineshops laufen.