Der FC Bayern München plant inmitten der Corona-Krise seine nächste Transferoffensive. Sportchef Hasan Salihamidzic verspricht einen „internationalen Star" und ein „Toptalent". Aber: War das nicht vor einem Jahr schon einmal der Fall?
Kaum ein Satz wurde im vergangenen Jahr so oft zitiert, wie der des damaligen Präsidenten Uli Hoeneß im Doppelpass bei Sport1. „Wenn Sie wüssten, wen wir schon alles sicher haben", entgegnete er mit gewohnter bayrischer Angriffslust auf die Frage, wann denn endlich wieder große Spieler zum FC Bayern München kommen würden. Ein Satz, der dem ehemaligen Bayern-Präsidenten anschließend einige Male um die Ohren flog – denn sicher hatten die Bayern zu diesem Zeitpunkt scheinbar gar nichts. Sie liehen Ivan Perisic aus, ebenso Philippe Coutinho. Zudem wurde Alphonso Davies verpflichtet. Überzeugen konnte – überraschenderweise – nur dieser. Coutinho blieb fast durchgehend blass, die Kaufoption über 120 Millionen Euro wird sehr wahrscheinlich nicht gezogen, Perisic überzeugte, verletzte sich dann aber schwer. Davies hingegen sprintete durchweg seine Konkurrenz in Grund und Boden. Somit war diese Aussage von Uli Hoeneß ein wenig zu voreilig – um es milde auszudrücken. Doch dass die Bayern es dieses Jahr anders angehen, bescheidener und ohne große Erwartungen zu wecken – weit gefehlt.
Hasan Salihamidzic verkündete und versprach die Verpflichtung eines internationalen Stars sowie die eines Toptalents. Inmitten der größten Krise der vergangenen Jahrzehnte. „Wir wollen uns mit einem Toptalent aus Europa verstärken und auch einen internationalen Star nach München bringen, der die Qualität unserer Mannschaft hebt und hilft, unseren Zuschauern ergebnisstarken und attraktiven Fußball zu bieten", erzählte der Bayern-Sportdirektor. Gewagte Aussagen, die eine enorme Fallhöhe generieren. Bestimmte Namen kommentierte er nicht, sondern stellte dagegen die Ambitionen des Rekordmeisters dar: „Wir bleiben ein Käuferverein. Ich und alle bei uns stehen dafür, dass wir die Champions League gewinnen wollen – ohne wirtschaftlich unvernünftig zu werden."
Während andere Spitzenklubs in Europa wie Englands Rekordmeister Manchester United wegen Corona von allzu kostspieligen Transfers absehen wollen, geben sich die Bayern weiterhin unerschütterlich, machen dabei aber „Abstriche". So soll von den drei bisherigen genannten Namen Leroy Sané, Kai Havertz und Timo Werner scheinbar nur einer an die Isar wechseln. Timo Werner hat selbst klargemacht, dass er wohl den Schritt ins Ausland wagen will. Werner formulierte seine Absage unmissverständlich, der Nationalspieler wird in absehbarer Zeit nicht für Bayern München stürmen. „Eher" würde ihn „der Schritt ins Ausland reizen als ein Wechsel zu Bayern", bekräftigte der Angreifer von RB Leipzig. Die wohl naheliegendste Option im Rätselraten um Werners Zukunft ist damit vom Tisch. Natürlich sei der Rekordmeister „ein toller Verein" und „Hansi Flick hat diese Saison bewiesen, dass er ein richtig guter Cheftrainer ist", führte Werner im Interview mit der „Bild" aus, aber es sei „einfach so, dass mich die Herausforderung in einer anderen Liga noch etwas mehr reizen würde als ein Wechsel innerhalb der Bundesliga." Jürgen Klopp und der FC Liverpool werden als heißeste Anwärter gehandelt. Ob Salihamidzic ihn mit „Toptalent" meinte, wird derweil stark angezweifelt. Wegen des Zusatzes „aus Europa" eher nicht. Zuletzt wurden Namen wie der des Rechtsaußen Ferrán Torres (20/FC Valencia) oder Sergiño Dest (19/Rechtsverteidiger von Ajax Amsterdam) diskutiert. Um dieses Unterfangen trotzdem nach vorne zu treiben, hat Hansi Flick wohl auch schon bei Leroy Sané nachgefragt. Der Trainer von Bayern München hat sich laut „Sport Bild" in einem halbstündigen Telefonat mit dem seit Monaten umworbenen Profi von Manchester City ausgetauscht. Inhalte des bereits vor Wochen geführten Gesprächs wurden nicht bekannt, zudem blockiert Man City derzeit einen Wechsel. Flick galt lange Zeit als skeptisch, wurde aber von Salihamidzic und dem neuen Sportvorstand Oliver Kahn überzeugt. Und hat sich dann bei einem Telefonat selbst vergewissert.
Kommt Leroy Sané im Sommer?
Der FC Bayern, betonte Flick in der Mai-Ausgabe des neuen Club-Magazins „51", sollte sich beständig fragen: „Welcher Spieler passt in unsere Mentalität? Dieser Verein ist etwas Besonderes. Und wenn das ,Mia san mia‘ nach außen sichtbar bleibt, ist das ein Pfund, mit dem man bei Verhandlungen mit Spielern punktet, die auch woanders hingehen würden." Fakt ist auch, dass Sané wahrscheinlich schon Spieler des FC Bayern wäre, wenn er sich nicht das Kreuzband gerissen hätte. Bis die Tinte trocken ist, wird es aber noch ein wenig dauern.
In der Zwischenzeit schlug der neue Präsident Herbert Hainer in dieselbe Kerbe wie sein Sportdirektor. Man werde versuchen, „nach Möglichkeit und Bedarf Jahr für Jahr einen internationalen Star zu holen", sagte Hainer im Interview mit dem „Kicker": „Das werden wir schaffen." Da er als Präsident aber auch die übergeordnete Rolle im Blick hat, fügt er hinzu: „Wir sind einer der sportlich erfolgreichsten und wirtschaftlich stabilsten Vereine der Welt, keiner verbindet Sport und Wirtschaft so effizient wie wir." In Zeiten der Corona-Krise hofft Hainer zudem auf ein Umdenken in der Gesellschaft sowie im Fußball. Er sehe in der Krise „die Chance, über Auswüchse im Fußball nachzudenken und über sie zu diskutieren, um es in Zukunft besser zu machen". Ein Punkt wäre der Markt, der laut Hainer auch im Fußball vieles regle, was auch gut sei. „Aber bis zu einer gewissen Grenze. Es muss Leitplanken der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung geben. Dafür stehe ich", sagte der frühere Adidas-Chef. Ob dazu auch gehört, während einer Krise, in der viele Menschen um ihre Existenz bangen, von großen Transfers zu sprechen, ließ er offen.
Auf Unmut stieß diese Ankündigung vor allem beim ehemaligen DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig: „Bei allen Verdiensten des FC Bayern – aber in einer jetzigen Phase von einer Transferoffensive zu sprechen, finde ich, ist ein falsches Signal. Ich finde, der FC Bayern sollte lieber über eine Charmeoffensive in Richtung Fans und Mitglieder und Gesellschaft sprechen", so Rettig: „Ich glaube, das wäre in diesen Tagen besser."
Aussagen sorgen für Unmut
Aber der Club müsse „für sich selber bewerten, welche Strategie er an den Tag legt". Rettig weiter: „Von daher würde ich mir wünschen, dass der Profifußball in der Frage der Solidarität des Sports hier ein anderes Selbstverständnis an den Tag legt und sich dann etwas kleiner macht. Demut, die an den Tag gelegt wird, darf keine Eintagsfliege sein."
Geplant werden muss die kommende Saison aber trotzdem. So treibt der FC Bayern neben den Neuzugängen auch die Personalplanungen mit den bestehenden Spielern voran. Nationaltorwart Manuel Neuer, der sich zuletzt verärgert über die Bayern-Bosse zeigte, scheint sich wieder eine Verlängerung seines Vertrages vorstellen zu können.
Zuletzt waren die Gespräche über eine Verlängerung des 34-Jährigen ins Stocken geraten, da Inhalte aus vertraulichen Gesprächen an die Öffentlichkeit kamen. So hatte eine angebliche Gehaltsforderung Neuers, dessen Vertrag im Juni 2021 ausläuft, für Aufregung gesorgt. Gerüchte über einen Wechsel gab es bei David Alaba, der seit geraumer Zeit von Real Madrid umworben wird. Recht sicher, dass der Vertrag über 2021 hinaus verlängert wird, sind sich die Münchner bei Thiago, der zuletzt öffentlich mit einem Karriereende bei den Bayern kokettierte.
Sollte die Verpflichtung von Leroy Sané klappen, wäre schon ein großer Baustein erledigt. Die notwendigen Verlängerungen sollten auch schnell über die Bühne gehen, denn der Kader des FCB ist einer der kleinsten der Liga. Zudem muss die Vereinsführung entscheiden, wie mit den Leihspielern Perisic und Coutinho weiterverfahren wird.
Eins ist aber klar: Der FC Bayern München wird sich nun erneut an seinen großspurigen Aussagen messen lassen müssen. Daraus haben sie zuletzt scheinbar nicht gelernt.