Ohne Handshake und durch unterschiedliche Ausgänge verließen die Spieler den Court in Zeiten, in denen alles ein wenig anders ist. Immerhin: Eine erste kleine Turnierserie durften die deutschen Profis am ersten Mai-Wochenende nahe Koblenz starten.
Ein zarter Hauch von Tennis, nachdem der Atemwegs-Virus auch diesem Profi- und Breitensport für acht Wochen die Luft abgeschnürt hatte, zog vom Westerwald sogar bis in die USA zur „New York Times". Fans und Spieler atmeten auf, als ein vielbeachtetes, wenn auch winzig kleines Show-Event die gelben Bälle in einer schlichten Halle ohne Zuschauer wieder aufschlagstark in Aktion brachte. Acht deutsche Weltranglisten-Spieler nutzten die Chance, unter strengen Hygienevorschriften, gestreamt über autonom arbeitende Kameras, im Rahmen der Tennis Point Exhibition Series ihre Matchpraxis und Ballkunst neu zu beleben. Augen und Ohren richteten sich über heimische Bildschirme aufs kleine, rheinland-pfälzische Höhr-Grenzhausen, hungrig auf Live-Tennis anstelle von Klassik-Matches in Endlos-Schleifen auf den Sportkanälen.
So kehrte auch Yannick Hanfmann, der vergangenes Jahr bei den French Open sehr stark gegen den Sandplatz-König Rafael Nadal gekämpft hatte, am „Tag der Arbeit" für ein paar hundert Euro und freie Unterkunft beim Trainings-Turnier aus der Corona-Zwangspause in seinen Beruf zurück. Zum Auftaktmatch gegen die vor Corona verletzte Nummer 342 der ATP-Weltrangliste, Johannes Haerteis.
Vor zwei Jahren hatte Hanfmann als Newcomer im Viertelfinale gegen den Weltranglisten-Siebten und späteren Turniersieger Alexander Zverev bei den BMW Open in München fast gewonnen. Durchaus erfolgreich verlief sein Re-Start aus dem Shutdown in der ersten Runde von Höhr-Grenzhausen mit 4:0 und 4:1 in 38 Minuten. Ritualisiert mit einer kleinen Verbeugung anstelle des Händeschüttelns am Schluss. Während der Platz desinfiziert wurde, sagte der zeitweilige Top-100-Spieler im Interview: „Es ist ganz gut, wieder ein Match zu spielen. Ich freue mich, dass es wieder halbwegs eine Competition gibt."
Mit Joggen und Yoga bei Eltern und Freundin, „komplett zuhause in Karlsruhe", hatte der 29-Jährige versucht, sich während des Lockdowns fit zu halten. Als die Profis mit Ausnahmeregelungen trainierten, war der einstige College-Spieler froh, dass sich sein Appartement an der Tennisbase in Oberhaching wieder lohnte. Dreimal in der Woche durfte er ab April mit einem Partner – etwa dem Nürnberger Maximilian Marterer – auf den Platz. Unter strengen Hygienevorschriften, die beispielsweise besagten, dass die externen Leistungsstützpunkt-Spieler, zu denen auch Daniel Masur und Philipp Kohlschreiber gehören, ungeduscht und ohne Pläuschchen das Trainingsgelände wieder verlassen mussten.
Ohne Dusche – kein Problem für Dustin Brown, der sich nach seinen Sandplatz-Matches am Ende des Tages im Westerwald ein gemütliches Bad gönnte und Bilder von Schaumkronen und Wasserhahn via Instagram postete. Ein Ballakrobat auf den Courts der Welt und Publikumsliebling ist „Dreddy". Für andere Spieler hat der 35-Jährige während seiner wechselvollen Karriere auch schon für fünf Euro die Schläger bespannt und im Camper genächtigt, wenn seine Tennis-Überlebenskunst im Umgang mit Widrigkeiten des Sportlerlebens danach verlangt hat. Euphorisiert postete der einstige Nadal-Gegner von Wimbledon: „Tennis lebt – wie nie zuvor."
Strenge Vorschriften beim Training
Gerade noch rechtzeitig vor den ersten deutschen Exhibition-Series in Ausnahmezeiten war am 28. April der Streamingdienst „Tennis Channel" in Deutschland, mit den Kommentatoren Jan Poppe und Fabian Benterbusch, an den Start gegangen. Zum Auftakt brachte der Bezahlkanal (2,49 Euro im Monat) Tennis zurück in die Wohnzimmer. „Es gab viele Kommentare von Fans, die sich gefreut haben, endlich wieder Live-Tennis zu sehen", hieß es vom Streamingdienst. Der kleine Westerwald war quasi der Aperitif zu einer großen, deutschen Einladungsturnier-Serie vom 8. Juni bis 28. Juli in zehn deutschen Städten, die sich DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff für den Deutschen Tennisbund einfallen ließ. Aus gutem Grund, den der DTB klar benennt: Zielsetzung der neuen Turnierserie sei es, „den deutschen Spielern und Nachwuchsakteuren Matchpraxis zu ermöglichen und den deutschen Turnierveranstaltern der ATP Challenger-Tour sowie der ITF World Tennis Tour und den Bundesligavereinen, die durch die weltweite Coronavirus-Pandemie ihre Veranstaltungen absagen mussten, eine Plattform für ihre Sponsoren zu geben".
„Ich finde diese Idee einfach cool. Der DTB gibt vielen Spielern die Möglichkeit, Matchpraxis zu sammeln und dabei auch noch etwas Geld zu verdienen. Daher ist die Turnier-Einladungsserie sehr wichtig für uns", sagte der zweitbeste Deutsche, Jan-Lennard Struff. Deshalb sind beispielsweise die deutschen Top-Spieler Angelique Kerber und Alexander Zverev nicht dabei. „Struffi" genoss im Mai noch „gute Familienzeit" mit seinem kleinen Sohn im Fahrradsitz, zu Besuch bei Haflingern auf einer Weide. Doch die Nummer 34 der Weltrangliste muss wieder zur Arbeit. Der Warsteiner und die Metzingerin Laura Siegemund (WTA 65) werden die prominentesten Spieler der rein deutschen Konkurrenzen an den Austragungsorten in Baden-Württemberg (Stuttgart und Überlingen), Bayern (Großhesselohe und Oberhaching), Hessen (Darmstadt) und Nordrhein-Westfalen (Versmold, Troisdorf, Neuss und Kamen) sein. Auch Kevin Krawietz, einer der beiden Deutschen, die vergangenes Jahr bei den French Open im Doppel als Turniersieger überraschten, hat seinen Mini-Job bei einem Münchner Discounter ausgesetzt und wird als einer von 32 Herren antreten. Bei den Damen sind nur 24 Spielerinnen am Start. Dirk Hordorff dazu gegenüber FORUM: „Es gibt in Deutschland qualitativ ebenso viele sehr gute Spielerinnen wie auch Spieler. Allerdings ist die Dichte an deutschen Spielern, die professionell auf der ATP-Tour spielen, höher als die Anzahl an professionell spielenden deutschen Damen auf der WTA-Tour. Daher wurde entschieden, eine unterschiedliche Teilnehmerzahl bei Damen und Herren festzulegen."
„Ich finde diese Idee einfach cool"
Die Qualitätsdichte kann sich ändern. Nachwuchs ist in Sicht: Etwa die baden-württembergische Abiturientin Alexandra Vecic, die bei den Junior Australian Open im Januar bis ins Halbfinale kam, wird bei der Serie zu sehen sein. Wahrscheinlich vor allem über Stream (Tennis Channel), eventuell über TV, ganz vielleicht für ein paar Fans bei den späteren Terminen auch live.
Sogar die vorzeitige Ruheständlerin Catharina Witthöft kehrt für die nationale Turnier-Serie vor die Turnier-Kameras zurück. Könnte es sein, dass die Corona- und Klima-Krisen Tennis auf der nationalen Austragungsebene längerfristig mehr Aufmerksamkeit und Gewicht geben werden? „In der jetzigen Situation kann man das sicherlich so bewerten", sagte Hordorff dem FORUM dazu. „Die nationale Turnier-Einladungsserie des DTB erlebt eine große Aufmerksamkeit bei den Spielerinnen und Spielern, den Ausrichtern, den Medien und auch anderen Verbänden. Solange der internationale Turnier-Circuit noch ausgesetzt ist, werden nationale Tennisveranstaltungen eine stärkere Aufmerksamkeit und ein höheres Gewicht aufweisen." Als einen „nachhaltigen Effekt" sieht Hordorff das allerdings nicht, da die Aufmerksamkeit zukünftig wieder auf den internationalen Wettbewerb gerichtet sein werde, wenn auf Grand-Slam-, ATP- oder WTA-Ebene wieder gespielt würde.
„Schön, dass es in Deutschland wieder eine Turniermöglichkeit gibt", sagte Hanfmann am 1. Mai. „Ist in anderen Ländern ja nicht so." Das stimmt bald nicht mehr. Denn ab dem 25. Mai beginnt in Österreich die Austria Pro Serie (zu sehen auf Servus TV und tennisnet.com), bei der auch Dominic Thiem, Nummer drei der Welt, Dennis Novak, Jürgen Melzer und Barbara Haas in der Wiener Südstadt antreten. Die Wiener Spieler treffen sich, sofern die Rahmenbedingungen rund um Corona dies zulassen, im Hochsommer zu einem österreichisch-deutschen Länderkampf mit den erfolgreichsten Akteuren der Einladungsserie des Deutschen Tennisbundes. Grenzübergreifend. Immerhin. Eigentlich wäre im Frühsommer French-Open-Zeit: Doch bis zum 13. Juli sind alle internationalen Tennisturniere wegen Corona abgesagt. Roland Garros geduldet sich derzeit noch bis zu einem späteren Termin im Herbst, Tickets werden dennoch erstattet. Die Organisatoren der BMW Open hoffen auf einen Termin später im Jahr.
Länderkampf im Hochsommer
Die roten Erdbeeren von Wimbledon werden mit weißer Sahne hoffentlich in der nächsten Saison ab Ende Juni wieder auf grünem Rasen serviert. Die Premieren für die neuen WTA-Turniere in Berlin und Bad Homburg müssen bis nach der Pandemie warten. Für die US Open ab Ende August gibt es noch keine klare Ansage. Doch Top-100-Spieler, wie der Augsburger Philipp Kohlschreiber, machten schon klar, dass sie an großen Reisen quer durch die Welt nicht interessiert seien, solange Pandemie-Unsicherheiten bestehen.