„Es droht eine Insolvenzwelle“
Der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino e.V.) mit Sitz in Berlin vertritt rund 1.700 Kinos. Diesen droht durch die Corona-Krise eine Insolvenzwelle, sagt Christine Berg. Sie ist seit 2019 Vorstandsvorsitzende des HDF.
Frau Berg, wie steht es derzeit um die Filmtheater?
Erste Betriebe werden ohne weitere Hilfen schon in den kommenden Wochen Insolvenz anmelden müssten. 58 Prozent der Kinos schätzten in einer Umfrage, dass sie nur noch zwei bis drei Monate durchhalten können. Bisherige finanzielle Hilfen fangen die laufenden Kosten von 186 Millionen Euro für den Fall einer dreimonatigen Schließung nicht im Ansatz auf. Zudem gibt es für Kinos mit mehr als sieben Sälen nur in Ausnahmesituationen Zuschüsse, diese Häuser machen aber ungefähr die Hälfte des Marktes aus.
Wie reagiert die Politik?
Die Bundesländer öffnen die Kinos jeweils zu unterschiedlichen Terminen. Ein einheitlicheres Vorgehen wäre wünschenswert gewesen, das hätte die Planungen erleichtert. Der HDF Kino und die AG Kino-Gilde haben der Politik bereits im letzten Monat ein gemeinsames Sicherheits- und Hygienekonzept vorgelegt. Allerdings bestimmt jedes Bundesland die Gesundheits- und Hygienestandards selbst. Diese müssen nun umgesetzt werden, um den Sicherheitsvorkehrungen gerecht zu werden.
Was erwartet die Besucher, wenn die Kinos wieder öffnen?
Tickets werden größtenteils online verkauft, es gibt Abstandsregeln und zum Teil eine Maskenpflicht in den Gebäuden, außer auf den Sitzplätzen im Kinosaal. Zu den Filmen: die Kinoauswertung vieler Filme wurde mit der Schließung abgebrochen. Vielleicht kommen diese erneut ins Programm, ebenso Repertoire-Filme. Bis zu den ersten großen Neustarts dauert es vermutlich noch bis Mitte Juli.
Interview: Regina Friedrich
Kulturverführung
Ausstellung: Viele Berliner Museen haben inzwischen wieder geöffnet, so auch das Deutsche Historische Museum. Das zunächst allerdings nur die bis Oktober dauernde Ausstellung „Hannah Arendt und das 20.Jahrhundert“ zugänglich macht. Die deutsch-jüdische Theoretikerin, Philosophin und Publizistin wurde 1906 in Hannover geboren, emigrierte 1933 nach Frankreich, später in die USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg berichtete sie aus Deutschland über die Nachwirkungen des NS-Regimes, setzte sich dafür ein, dass nicht zerstörte jüdische Kulturgüter nach Israel oder in die USA gebracht wurden. 1961 begleitete sie als Reporterin für den „New Yorker“ den Eichmann-Prozess in Jerusalem. Ohne Hannah Arendt, so sagte es einmal der Schriftsteller Amos Elona, sei „das 20. Jahrhundert gar nicht zu verstehen“. Denn sie prägte zwei für das Jahrhundert zentrale Begriffe: „Totale Herrschaft“ und „Banalität des Bösen“.
Die Schau im DHM verknüpft Lebensstationen und Biografie Arendts mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts, spiegelt Themen wie Totalitarismus, Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, den Eichmann-Prozess aber auch den Zionismus und die Rassentrennung in den USA wieder. Zu all diesen Themen, so die Ausstellungskuratoren, habe Hannah Arendt dezidierte Meinungen und Urteile geäußert, „die noch heute voller Sprengkraft sind“. Die Ausstellung „Hannah Arendt und das 20.Jahrhundert“ ist im DHM bis zum 18. Oktober zu sehen. Wegen der begrenzten Besucherzahl wird der Kauf von Online-Tickets empfohlen, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Museum ist Pflicht. Mehr Informationen: www.dhm.de
Literatur: Auftakt für das 21. Poesiefestival Berlin – dieses Mal als Online-Ausgabe. Unter dem Motto „Planet P“ haben die Organisatoren ein Programm mit Autoren von vier Kontinenten auf die Beine gestellt – Länderschwerpunkt ist in diesem Jahr Kanada – mit dabei ist Schriftstellerin Anne Carson, außerdem gibt es einen deutsch-kanadischen „Vers-Schmuggel“. Die Eröffnung des Festivals sollte als „Poets‘ Corner“ daherkommen – jetzt gibt es stattdessen „Poets‘ Home“. Die Idee: Gedichte von Lyrikerinnen und Performern überziehen den Bildschirm, die Autoren selbst stellen sich mit Kurzvideos vor. Das alles an mehreren Abenden – „sortiert“ nach Berliner Bezirken.
Im Literarischen Colloquium unterdessen wird die Reihe „Weiter lesen“ in Kooperation mit dem rbb fortgesetzt. Am Sonnabend um 19.04 Uhr mit Zsófia Báns Roman „Als nur die Tiere lebten“. Dabei geht es um Geschichten über Auswanderung, Entwurzelung und einschneidende Erlebnisse, die Biografien in ein „davor“ und „danach“ zergliedern. Weitere Informationen auch zum Programm der kommenden Wochen unter www.lcb.de oder www.haus-fuer-poesie.org