Leben im Moment
Musikalischer Minimalismus hat zuweilen etwas für sich, so zum Beispiel auf der neuen CD „All things go“ der Band Mighty Oaks, wobei die Musiker mit Gitarren, Mandoline und anderen Folk-Pop-Instrumenten enthusiastisch in die Saiten hauen. Somit besitzt dieses für die Gruppe – musikalisch gesehen – typische Album durchaus Hit-Potenzial.
Bereits der Eröffnungs- und Titelsong beschreibt ein typisches Künstler-Syndrom: Ein mit dem Schicksal hadernder Mann sitzt in einer Bar und trauert einer verflossenen Liebe nach. Wieviel Alkohol er sich dabei wirklich zumutet, bleibt für den Zuhörer ein Rätsel. Fest steht jedoch, dass dieser Song, der auch die erste Single-Auskopplung darstellt, durchaus Ohrwurmcharakter besitzt.
Aber wie könnte es auch anders sein? Schließlich hört sich die Musik an, als wäre sie ausschließlich in Irland eingespielt worden. Und die Iren sind bekannt für ihren pubtauglichen Gitarrenpop. Und so verlassen sich die Mighty Oaks auf ein paar wenige, simple Akkorde und einen authentischen, wenn auch ein wenig versoffenen, Gesang, der sich unaufhaltsam einen Weg in die verwöhnten Gehörgänge bahnt.
Dieser prägende Charakter wird durch den Background-Gesang und einen sturen, einheitlichen Rhythmus noch verstärkt.
Aber der Leadsänger hat noch andere Dinge im Kopf. Er trauert nicht ständig seiner Verflossenen hinterher, sondern wird aktiv und beschließt, sein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen, den Augenblick zu genießen. Dies ist für ihn umso wichtiger, zumal er auch mit einem weiteren Verlust einer geliebten Person konfrontiert wird.
Im Song „Aileen“ besingt er eine Frau, die verstarb, bevor er sich bei ihr entschuldigen konnte. Die Ballade wird getragen von weichen Gitarrenklängen und ein paar digitalen, sphärischen Streicherklängen, die das Unendliche markieren. Doch die Musik wird dabei akustisch stark reduziert, sodass der Leadgesang über allem thront.
So wirkt die Musik der Mighty Oaks luftig-leicht, obwohl alles fein durchdacht ist. Ein gelungenes Album gegen Corona-Traurigkeit; nicht nur im Frühling. Fazit: Anhören. Es lohnt sich!
KULT[UR]
Foto: BMG
CD-Tipp
Mighty Oaks: All things go. BMG. Gesamtlaufzeit: 37 Minuten.
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