Wenige Covid-19-Fälle, dafür aber auch keine Touristen: Der Landkreis Merzig-Wadern sieht wie viele einer ungewissen finanziellen Zukunft entgegen. Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich aber bleibt optimistisch.
Frau Schlegel-Friedrich, wie sieht denn Ihr Tag im Moment aus?
Jeder Tag ist im Augenblick anders, neue Probleme, keine Blaupausen für die Lösung. Wir sind gezwungen, viele Dinge einfach neu zu denken. Dazu viele Telefon- und Videokonferenzen, viele unserer Mitarbeiter sind im Homeoffice, sodass wir auch intern eine neue Form der Kommunikation etablieren mussten. Die Geschwindigkeit, mit der derzeit Termine und Gespräche vereinbart werden, ist enorm hoch. Mit Videokonferenzen kann man nämlich mehr Termine in noch kürzerer Zeit abwickeln. Mittlerweile geht es darum, wie wir unsere Betriebe wieder hochfahren, die Gastronomie, Hotellerie, den Einzelhandel. Aber ich finde, im ländlichen Raum wie hier ist der Lockdown psychologisch gesehen für die Menschen noch glimpflich verlaufen. Keine strikte Ausgangsbeschränkungen wie in Spanien, man konnte raus, das Wetter war gut, davon profitierten auch die Kinder.
Die Situation in Ihrem Landkreis ist ja bislang relativ glimpflich verlaufen. Wie ist die Gesundheitsversorgung in Merzig-Wadern derzeit auf die Pandemie eingestellt?
Die Klinik in Losheim wurde als Covid-19-Zentrum eingerichtet, die SHG-Klinik in Merzig hat sich und ihre Intensivmedizin aber auch auf die Ausnahmesituation eingestellt. In beiden Kliniken ist die Lage derzeit entspannt. Wir hatten das große Glück, dass die Krankheitsverläufe der allermeisten Patienten in Merzig-Wadern relativ mild waren. Wir hatten lediglich zwei Todesfälle und ein Pflegeheim, in dem Senioren vom Virus betroffen waren.
Nun gibt es inmitten einer Pandemie die Debatte um die Klinikversorgung. Die Nordsaarlandklinik findet keinen Investor, die Zukunft der Losheimer Klinik ist unklar. Auf welches Szenario steuert der Landkreis zu angesichts der offenbar positiven Entwicklung für die Lebacher Klinik?
Das ist im Augenblick schwierig zu sagen. Es hängt davon ab, was in Lebach passiert. Vor allem das Angebot der Marienhaus-Kliniken für Losheim hängt davon ab, was in Lebach geschieht. Wenn Losheim bestehen bleibt, kommt das Konzept der Marienhaus-Kliniken nicht zum Tragen. Andere Konzepte sind unabhängiger von dieser Lage. Das Gesundheitsministerium hat sich nun vorbehalten, mit allen Interessenten zu sprechen. Keines der fünf vorliegenden Konzepte ist sofort ohne Nachbesserungen oder Konkretisierungen umsetzbar, aber hier finden gerade intensive Gespräche statt.
Was wäre Ihr Wunsch?
Unser Wunsch wäre, dass es vor allem in Wadern ein zusätzliches akutmedizinisches und auch stationäres Angebot gibt. Mir persönlich gefällt das Konzept der SHG gut, sie betreibt hier in Merzig ein großes akademisches Krankenhaus mit fünf Hauptfachabteilungen und ein medizinisches Versorgungszentrum in Losheim. Hier wäre vielleicht noch zu überlegen, wie das Angebot der SHG in Losheim verbessert werden könnte. Außerdem hat die SHG gute Ideen für Wadern, deshalb würde ich mir bei meinem jetzigen Kenntnisstand ein landkreisweites Konzept aus den Händen der SHG wünschen.
Das sieht der Bürgermeister von Wadern genauso. Welchen Einfluss haben Sie auf die Verhandlungen?
Die Landkreise haben schlussendlich den Sicherstellungsauftrag für die stationäre Versorgung. Wir sind mit dem Land im Gespräch, denn Daseinsvorsorge ist für uns ein großes Thema. Wir wollen, dass die Menschen hier bei uns medizinisch gut versorgt sind.
Merzig-Wadern hat 2018 631.000 Übernachtungen gezählt. Das wird dieses Jahr anders. Gibt es dazu schon handfeste Zahlen, wie groß das Ausmaß des Schadens ist?
Zahlen in Euro gibt es dazu noch nicht. Wir wissen, dass hier in den vergangenen acht Wochen etwa 100.000 Übernachtungen, die schon gebucht waren, nicht stattgefunden haben beziehungsweise stattfinden werden. Die Saarschleifen Tourismus GmbH hat eine Umfrage bei den Gastronomie- und Hotelleriebetrieben in Merzig-Wadern gestartet, um die Stimmung einzufangen. Dort zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der Betriebe weitermacht, meistens in der gleichen Struktur wie vor der Krise. Leider wird es nicht möglich sein, alle coronabedingten Ausfälle und Risiken finanziell abzufedern. Die Pandemie ist ungerecht. Aber der Bund und das Land haben sich bemüht, dies ein Stück weit auszugleichen.
Laut Schätzungen des Finanzministers machen die saarländischen Kommunen in diesem Jahr ein Minus von 160 Millionen Euro. Was bedeutet dies finanziell für den Landkreis und seine Kommunen?
Das wissen wir noch nicht. Die Diskussionen, wer was schultert, laufen noch. Wenn dieser Schaden vollständig bei den Kommunen hängenbleibt, wird es sehr schwierig. Der Grundgedanke des Saarlandpaktes, dass die Kommunen wieder investieren statt zu sparen, wäre dann nicht umsetzbar. Auch der ÖPNV ist eine große Baustelle. Das Land schätzt, dass mindestens 25 Millionen Euro landesweit in diesem Jahr fehlen. Hier muss Geld zu den Unternehmen fließen. Das Land verhandelt derzeit mit dem Bund, ob und wie viel Geld dort übernommen werden kann. Noch geht das Land davon aus, dass die Tarifreform 2021 wie geplant umgesetzt werden kann.
Das ist viel Geld für die Kommunen, für die Wirtschaft. Und es war viel, was die Menschen in den vergangenen Wochen erduldet haben. Waren die harten Maßnahmen im Saarland gerechtfertigt, inklusive der Grenzschließungen?
Ich habe Verständnis dafür, dass die Situation für die Menschen beklemmend war und Existenzängste ausgelöst hat. Man fragt sich: Muss das wirklich sein? Auf der anderen Seite waren alle Gefahren, die mit dem Virus zusammenhängen, so eindeutig und klar, dass ich nicht verstehen kann, wenn Menschen der Meinung sind, wir haben übertrieben. Auch die Grenzschließungen waren gerechtfertigt, weil wir festgestellt haben: Nach Frankreich und von Frankreich können wir die Infektionsketten nicht mehr verfolgen, weil die Gesundheitsbehörden unterschiedlich arbeiten und nicht ausreichend vernetzt sind. Beispielsweise sind Personen, die in Luxemburg arbeiten und hier in Deutschland leben, in Luxemburg positiv getestet worden. Unsere Behörden haben davon nur durch Zufall erfahren. Und deshalb konnten wir dann die Infektionsketten nicht nachverfolgen. Die Notwendigkeit zum intensiven Austausch hat es vorher einfach nicht gegeben. Das war der Hauptgrund, die Grenzen für alle außer Pendler zu schließen.