Gedanken zum Phänomen einer denkwürdigen Analhygiene
Wer hat eigentlich die Sache mit dem Klopapier zu verantworten? Wer war der Initiator? Kolossale Idee! Klorollen horten für den Fall der Fälle. Mit gewienertem Gesäß ab durch die Krise. Das nennt man deutsche Gründlichkeit. Selbst meine Nachbarn auf der anderen Straßenseite blieben vom Klorollenvirus nicht verschont. Jeden zweiten Tag förderten sie ein Zehnerpack aus dem Kofferraum.
Klopapier als kapitales Gut – kein neues Phänomen! Man denke an Heinrich Manns „Der Untertan". Im gleichnamigen Film stellt der kaisertreue Papierfabrikant Diederich Heßling sein neuestes Erzeugnis vor. Und weil er davon ausgeht, dass das mit markigen Vaterlandssprüchen versehene Produkt den Weltmarkt erobern wird, nennt er es auch gleich „Weltmacht". Und wer oder was ist diese „Weltmacht"? Das abrollbare Toilettenpapier.
Warum aber ausgerechnet Klopapier als Megahamsterseller? Es hätte doch so viele andere Möglichkeiten gegeben, mit blankem Gesäß durch die Krise zu kommen. Mit einem Bidet zum Beispiel. Oder nehmen wir das fortschrittliche Japan. Dort benutzt man WCs mit eingebauter Duschdüse.
Das bringt uns zu der entscheidenden Frage der Analhygienehistoriker: Ist der Mensch ein Wischer oder Wascher? Erste Belege gibt es aus der Bronzezeit. Funde im Salzberg bei Hallstatt legen nahe, dass unsere Vorfahren ein schirmförmiges Laubblatt benutzten, die sogenannte Arschwurz. Richtig organisiert zu Werke gingen die Römer. Die führten die Latrine ein. Im nachchristlichen Rom gab es diese Bedürfnisräume sogar in groß. Bis zu 20 Personen fanden in den „latrinae publicae" gleichzeitig Platz. Geschlechtertrennung gab es nicht. Man hob dezent das Gewand, setzte sich auf eine Marmorbank mit Fallloch, verrichtete seine Notdurft, und währenddessen unterhielt man sich angeregt. War man fertig, griff man zum „Xylospongium", einem Stock mit Schwamm, der in einem Behältnis mit Essigwasser seiner Benutzung harrte. Zu den guten Sitten gehörte es, das Xylospongium danach an den Sitznachbarn weiterzureichen.
Die Römer waren fortschrittlich, Quellen wie die Senecas kennen Beschwerden über den Lärm, keine aber über den Gestank. Das änderte sich im Mittelalter, wo es teilweise bis zum Himmel stank und alles Mögliche und Unmögliche beim Kotieren Verwendung fand: Lappen, Lumpen, Moos und Stroh. Und natürlich immer wieder Wasser. Ein Bad in einem Fluss war damals vermutlich kein Vergnügen.
Apropos Wasser. Wie behalf man sich eigentlich auf See zur Zeit der großen Segelschiffe? Auf den Offizierstoiletten der Segler gab es kein Papier, aber ein Tau, das Allemannsend. Das aufgespleißte Ende dieses Taus hing im Kielwasser, wurde dort, wenn wohl auch nicht rückstandslos, „gesäubert" und vom nächsten Seemann mit heruntergelassener Hose – genau, Sie wissen schon …
Im Gegensatz zu Europa war China viel früher viel weiter. Bereits ab dem 6. Jahrhundert soll dort Papier den Weg zum Po gefunden haben. Die Chinesen waren vermutlich das erste Land, das Toilettenpapier in losen Blättern und größeren Mengen herstellte, wenn es auch primär den kaiserlichen Pos vorbehalten blieb.
Das perforierte Toilettenpapier auf Rollen hingegen bleibt eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts und ist nicht ohne das Aufkommen der Wasserklosetts denkbar. Allerdings muss man sich wundern, wie schwer die Herstellung eines funktionellen oder den Po schonenden Klopapiers partiell auch noch dem 20. Jahrhundert fiel.
So gab es in der DDR ausschließlich Krepppapier im Handel. Böse Stimmen behaupten, man habe damit vor allem eines erreicht, nämlich: sich damit den Allerwertesten wund zu wischen. Und Großbritannien? Noch in den 90ern war die Oberfläche der meisten Sorten wie die von Tesafilm. Kurz: Das, was haften bleiben sollte, blieb nicht haften. Oder aber nicht in der gewünschten Weise. Oder, aufgrund des üblen Abrutscheffektes, nicht immer an der gewünschten Stelle …
Inzwischen handeln die Deutschen besonnener, ist wieder etwas Ruhe eingekehrt in den Klorollenregalen der Supermärkte. Das Verbrauchergemüt, war zu lesen, konzentriert sich jetzt auf ein anderes Sammlergebiet: Bier, Wein und Kondome. Das hat – meinen die meisten – mehr Stil.