Fürs tägliche Pendeln sind Elektroautos längst alltagstauglich. Aber wie sieht es mit den richtig großen Strecken aus? Wir wagen einen Roadtrip in den USA, dem Land der (un)begrenzten Ladesäulen.
Nicht so schüchtern", ruft Reid, als ich zögerlich um das „Model 3" herumschleiche, das er vor meinem Hotel abgestellt hat. „Das ist jetzt deins. Mach damit, was du willst." Ganz wörtlich meint er das sicher nicht, denn erstens gehört der rote Tesla, den er extra noch mal gewaschen hat, in Wahrheit ihm. Und zweitens hat er zuvor beiläufig erwähnt, wie viel er für sein rollendes Schätzchen bezahlt hat: 62.000 Dollar. „Dass du ihn jetzt fährst, hilft mir sehr", erklärt Reid. „Dadurch kann ich viel schneller meinen Kredit abzahlen."
Reid Workman, ein 31-jähriger Programmierer aus Atlanta, überlässt mir für eine Woche sein Elektroauto. Er hat es auf eine Plattform namens Turo.com gestellt, auf der Privatleute ihre Fahrzeuge zum Verleih anbieten. Ein bisschen wie Airbnb, nur für Autos. Während Reid die nächsten acht Tage per E-Scooter unterwegs sein wird (er holt das Gefährt aus dem Kofferraum), nutze ich seinen Tesla für ein Experiment: Ist es heute schon möglich, einen kompletten USA-Roadtrip in einem E-Auto zu absolvieren? Die Distanzen sind größer als in Europa, die Ladestationen dünner gesät. Noch dazu soll die Tour möglichst umweltfreundlich ablaufen: wenig Müll, viel Bio-Nahrung, nachhaltig arbeitende Hotels. Wenn es sie denn gibt.
Von der Südstaaten-Metropole Atlanta ausgehend werde ich eine 1.800 Kilometer lange Runde fahren: hinunter bis Alabama, weiter nach Florida, danach am Atlantik zurück nach Georgia. Ein bisschen nervös bin ich schon. Das fremde Auto, der ominöse Autopilot, die ganze Technik. Reid wischt über den riesigen Touchscreen, um die einzelnen Funktionen zu demonstrieren. Analoge Anzeigen gibt es nicht.
Auto ist rund um die Uhr mit dem Internet verbunden
icht so schüchtern", ruft Reid, als ich zögerlich um das „Model 3" herumschleiche, das er vor meinem Hotel abgestellt hat. „Das ist jetzt deins. Mach damit, was du willst." Ganz wörtlich meint er das sicher nicht, denn erstens gehört der rote Tesla, den er extra noch mal gewaschen hat, in Wahrheit ihm. Und zweitens hat er zuvor beiläufig erwähnt, wie viel er für sein rollendes Schätzchen bezahlt hat: 62.000 Dollar. „Dass du ihn jetzt fährst, hilft mir sehr", erklärt Reid. „Dadurch kann ich viel schneller meinen Kredit abzahlen."
Reid Workman, ein 31-jähriger Programmierer aus Atlanta, überlässt mir für eine Woche sein Elektroauto. Er hat es auf eine Plattform namens Turo.com gestellt, auf der Privatleute ihre Fahrzeuge zum Verleih anbieten. Ein bisschen wie Airbnb, nur für Autos. Während Reid die nächsten acht Tage per E-Scooter unterwegs sein wird (er holt das Gefährt aus dem Kofferraum), nutze ich seinen Tesla für ein Experiment: Ist es heute schon möglich, einen kompletten USA-Roadtrip in einem E-Auto zu absolvieren? Die Distanzen sind größer als in Europa, die Ladestationen dünner gesät. Noch dazu soll die Tour möglichst umweltfreundlich ablaufen: wenig Müll, viel Bio-Nahrung, nachhaltig arbeitende Hotels. Wenn es sie denn gibt.
Von der Südstaaten-Metropole Atlanta ausgehend werde ich eine 1.800 Kilometer lange Runde fahren: hinunter bis Alabama, weiter nach Florida, danach am Atlantik zurück nach Georgia. Ein bisschen nervös bin ich schon. Das fremde Auto, der ominöse Autopilot, die ganze Technik. Reid wischt über den riesigen Touchscreen, um die einzelnen Funktionen zu demonstrieren. Analoge Anzeigen gibt es nicht.
Wie der Besitzer stolz erklärt, ist das Auto rund um die Uhr mit dem Internet verbunden, eine Dashcam filmt jede Sekunde der Fahrt. Außerdem hat Reid – ganz der Programmierer – eine App entwickelt, mit der ich den Tesla per SMS fernsteuern kann. So lässt sich das Auto öffnen und verriegeln – egal, wo man gerade sitzt. „Verlier nur den Schlüssel nicht", ermahnt mich Reid, und selbst dieser ist in Wahrheit eine Chipkarte. Dann sagt er „Goodbye" und saust mit seinem E-Scooter davon.
Am Anfang alles vermieden, was Strom verbraucht
In meinem Hotel, dem „Stonehurst Place", hat sich die Auto-Anlieferung schnell herumgesprochen. „Mal sehen, wie weit du kommst", orakelt ein älterer Gast, der den Tesla zwar schick, aber wenig praktisch findet. Er selbst vertraue da lieber auf seine 350 Benzin-PS. „Damit kommst du schneller ans Ziel", sagt er und lacht. Doch viele Gäste sehen das anders. Weil die Nachfrage steigt, hat das Hotel kürzlich eine zweite Ladesäule für E-Autos installiert.
Auch sonst setzt die Unterkunft auf Nachhaltigkeit: Abwasser wird recycelt, Müll getrennt, Einweggeschirr vermieden – kleine Schritte, die in vielen amerikanischen Hotels aber nach wie vor ein Fremdwort sind.
Der nächste Morgen. Schon um 7 Uhr rolle ich aus der Einfahrt. 550 Kilometer liegen an diesem Tag vor mir, etwas mehr als die Reichweite der Batterien. Wo ich laden muss, weiß das eingebaute Navi: Es schlägt automatisch Ladestationen vor, die sich entlang der Strecke befinden. „Bleiben Sie unter 70 Meilen pro Stunde, um Ihr Ziel zu erreichen", ermahnt mich der Bordcomputer. Ein mulmiges Gefühl.
Am Anfang bin ich starr wie ein eingefrorener Akku, vermeide alles, was auch nur ansatzweise Strom verbrauchen könnte. Kein Radio, kein Tempomat, keine Klimaanlage. Erst als nach drei Stunden der erste Zwischenstopp in Sichtweite kommt und die Batterie noch immer zu 30 Prozent voll ist, atme ich durch. Bei der Strom-Tankstelle handelt es sich um einen „Tesla-Supercharger" – eine Reihe von Schnellladesäulen, die das Unternehmen am Rande der großen Highways aufgestellt hat. Reid hatte mir gesagt, man könne das Auto in 30 Minuten fast vollständig aufladen. Zudem sollen die Supercharger fast immer neben Restaurants oder Shoppingcentern liegen, damit einem nicht langweilig wird.
Meine Örtlichkeit bildet die Ausnahme. Die Ladestation liegt auf einem Motel-Parkplatz neben dem Interstate-Highway 65. Außer Sprühregen und einer Mülltonne gibt es hier nichts. Ich stöpsle das Auto ein und hoffe, dass es funktioniert. Und tatsächlich: Die Signallampe blinkt grün, der Tesla lädt. Weil ich sonst nichts zu tun habe, gehe ich ins Motel. „Sie möchten auschecken?", fragt die Dame an der Rezeption. „Ähm, nein, ich lade mein Auto auf", entgegne ich und halte ihr meinen Mehrweg-Trinkbecher hin. „Haben Sie vielleicht etwas Wasser?" Jetzt strahlt die Dame. Sie zeigt mir den Wasserspender, die Toilette und die Sitzecke im Foyer. E-Mobilisten sind offenbar gern gesehene Gäste, selbst wenn sie nicht hier schlafen.
Nach Tee und Toilette ist das Auto zu 80 Prozent aufgeladen. Als ich den Stecker entferne, kommt ein weiterer Tesla auf den Hof gefahren. Ein kleiner Plausch unter Stromern? Leider nicht. Der Fahrer, ein junger Typ mit Kapuzenpulli und DJ-Kopfhörern, schaut kein einziges Mal von seinem Handy auf. Sei’s drum. Ich muss sowieso weiter, bevor der Regen noch schlimmer wird. Der Wetterdienst hat einen Sturm angekündigt, der sich vom Golf von Mexiko landeinwärts bewegt.
Zwei weitere Stunden vergehen, bevor ich von der Autobahn auf eine Landstraße in Alabama wechsle – in eine andere Welt. Die Kleinstädte, die poetische Namen wie Bay Minette und Holly Hills tragen, sind gesäumt von Kirchen, Tankstellen und hölzernen Strommasten, die der Wind schief gebogen hat. Daneben Plakate, die für die nächste „Gun Show" werben und schwangere Frauen ermahnen, nicht abzutreiben: „Entscheide dich für das Leben!" Ein Pick-up-Truck rauscht vorbei, beflaggt mit Kruzifix- und Südstaaten-Fahnen. Vor Schreck lasse ich den Bordcomputer eine alte Obama-Rede abspielen
Nur ein einziges mal war der Akku leer – der des Laptops
Am frühen Nachmittag lässt der Regen allmählich nach. Ich erreiche Gulf Shores, den südlichsten Zipfel Alabamas: Dünen, Palmen, weißer Sand. Und mehrere Ladesäulen. Direkt am Strand liegt die „Lodge at Gulf State Park", ein Hotelkomplex, der 2004 in einem Hurrikan zerstört wurde. Lange Zeit fehlte das Geld für den Wiederaufbau – bis im Jahr 2010 die BP-Bohrinsel Deepwater Horizon die Gegend verseuchte. In den folgenden Jahren zahlte der Ölkonzern 143 Millionen Dollar Entschädigungsgelder, die das Land nutzte, um das Hotel auferstehen zu lassen.
Die neue Anlage soll nicht nur Unwettern trotzen, sondern auch die Umwelt schonen: Plastikteller sind tabu, auf den Gängen stehen kostenlose Wasserspender, die Flüssigseife im Bad kommt aus einem nachfüllbaren Spender. Das Kondenswasser der Klimaanlage wird zum Auffüllen des Pools benutzt, der aus energetischen Gründen nicht beheizt ist. Was wiederum so viele gut betuchte Gäste ärgert, dass das Hotel überlegt, das Schwimmbecken demnächst vielleicht doch zu erwärmen.
Das Elektroauto ist hier in guter Gesellschaft. „Nette Kiste", ruft der Concierge, als ich den Wagen an der hoteleigenen Ladesäule anschließe. Sein Tipp: Ökos wie ich sollten unbedingt bei „Lulu’s" speisen, einer Mischung aus Musikkneipe und Fischrestaurant. „Da bekommst du zum Fisch einen Barcode gereicht", erklärt der Mann. Dieser verrate das genaue Fanggebiet. Ich tue, wie mir geheißen und fahre zu „Lulu’s", werde aber schon beim Parken enttäuscht: Zum ersten Mal auf dem Roadtrip funktionieren die Ladesäulen nicht. Die Pommes und frittierten Okra-Stückchen kommen in beschichteten Pappschachteln auf den Tisch, im Wasserglas steckt ein Plastikstrohhalm. Öko geht anders.
Was echte Nachhaltigkeit bedeutet, erfahre ich am nächsten Tag bei Renee Savary. Die gebürtige Schweizerin hat in der Kleinstadt DeFuniak Springs in Florida eine Bio-Eisdiele eröffnet. Sechs Supercharger liegen direkt gegenüber. „Das war für mich der absolute Glücksfall", erklärt Savary. „Alle Leute, die an der Küste entlangfahren, müssen zum Laden hier anhalten."
Die E-Auto-Fahrer machten inzwischen 50 Prozent ihrer Kundschaft aus. „Bei mir gibt es nur Porzellangeschirr", betont die resolute Dame, die ursprünglich aus La Gruyère stammt. Die Zutaten ihrer Produkte kommen von ihrer eigenen Farm. „Manchmal muss ich die Leute ein bisschen erziehen", sagt Savary und lacht. „Das ist gar nicht so einfach in einem Land zu leben, in dem der Präsident kein Gehirn hat."
In Tallahassee, der Hauptstadt Floridas, steppt nicht gerade der Bär. Zu sehen sind Hausangestellte, die Hecken trimmen. Bauarbeiter, die aus Holzplanken neue Häuser errichten. Senioren, die mit Coffee-to-go-Bechern durch palmengesäumte Straßen laufen. Am meisten los ist immer noch bei Whole Foods, einem Bio-Supermarkt, der direkt vor dem Eingang zwei Ladestationen vorhält. Ähnlich ergeht es mir am nächsten Tag in Jacksonville: Weil sonntags die komplette Stadt shoppen geht, ist im Einkaufszentrum jeder einzelne Parkplatz belegt – nur nicht der elektrische. Zwar handelt es sich nicht um eine Tesla-Säule. Dank eines Adapters, den mir Besitzer Reid ins Auto gelegt hat, klappt es aber auch an dieser Station.
Je länger ich unterwegs bin, desto leichter wird es, nachhaltige Angebote zu finden. „Sustainable", „green" und „eco-friendly" sind die Stichworte, mit denen man passende Hotels und Restaurants googelt. In Tallahassee etwa serviert das Lokal „Backwoods Crossing" fast ausschließlich Produkte, die es im Garten selbst anbaut: „Farm to table" nennen das die Amerikaner. In Savannah hat sogar ein Motel eigene Ladesäulen. Und Leih-Fahrräder.
Natürlich gibt es auch bloße Lippenbekenntnisse: Lokale, die sich „grün" nennen, dabei aber vor allem an die Farbe der Dollarscheine denken. Ein Hotel entlang meiner Strecke warb offensiv mit eigenen Lademöglichkeiten. Vor Ort mussten die Mitarbeiter dann aber erst mal zwei Stunden suchen, bis sie das richtige Parkhaus fanden. Doch viele meinen es mit dem Umweltschutz ernst. So manches Hotel produziert per Solarkollektor sogar eigenen Strom, der wiederum den E-Autos zugutekommt.
Nach einer Woche bringe ich den Tesla seinem Besitzer zurück. „Und, wie war’s?", fragt mich Reid, der sichtlich erleichtert ist, dass sein Flitzer von Kratzern verschont geblieben ist. „War klasse", versichere ich. Und erzähle stolz, dass auf dem gesamten Roadtrip nur einmal der Akku leer war: der meines Laptops. Ich hatte den Steckdosen-Adapter zu Hause vergessen.