Was ist Wirklichkeit, was Illusion? Darum geht es in „Dispatches from Elsewhere". Die Idee dazu hatte Serienstar Jason Segel, er verkörpert auch einen der vier Protagonisten.
Das macht man, wenn man ein Jahrzehnt lang eine der tragenden Rollen in einer der beliebtesten US-Serien gespielt hat und diese dann ausläuft? Im Fall von Jason Segel, der den Juristen Marshall Eriksen in der Serie „How I Met Your Mother" verkörperte, hieß das, kreativ zu werden. Lang geplante Projekte endlich mal umzusetzen – wie beispielsweise selbst Drehbücher zu schreiben, für „The Muppets" oder „Nie wieder Sex mit der Ex". Oder aber die Hauptrolle in dem Road-Movie „The End of the Tour" zu übernehmen, die Rolle des Schriftstellers David Foster Wallace, in dessen Werk das Absurde eine wesentliche Rolle einnimmt.
Ob ihn das beim Schreiben des Drehbuchs für die Serie „Dispatches from Elsewhere" inspiriert hat? Lässt sich vermuten, denn auch die Serie arbeitet mit vertrackten Motiven, erinnert mitunter an die russischen Matrjoschka-Puppen, bei deren Öffnen man stets auf eine weitere noch kleinere in ihrem Inneren stößt.
Richard E. Grant führt in die Story ein
Schon der Prolog zur ersten Folge sorgt eher für Verunsicherung des Zuschauers, denn wie eine Art diabolisch wirkender Conferencier führt Schauspielstar Richard E. Grant in die Story ein. Erwähnt dabei das „Jejune Institut", von dem sich natürlich zu diesem Zeitpunkt kein Zuschauer eine konkretere Vorstellung machen kann. Doch es macht neugierig, man möchte gern mehr erfahren. Zu dumm nur, dass es erst einmal um Peter (verkörpert von Jason Segel) und sein ziemlich langweiliges Leben geht, das sich bei dem Datenanalysten zwischen Büro und seiner Wohnung mit Zwischenstopp im Diner abspielt. Ereignislos und deprimierend – Peter scheint weder Hobbys noch Freunde zu haben, strahlt sein Unglücklichsein förmlich aus.
Doch dann passiert etwas. Peter entdeckt nämlich auf seinem täglichen Weg seltsame Flyer und Anzeigen für höchst unwahrscheinlich klingende Seminare – so könnten Menschen beispielsweise eine Technik erlernen, um telepathisch mit Delfinen zu kommunizieren. Peter ruft bei der angegebenen Nummer an, um in einem halb verlassenen Geschäftshochhaus und dort beim mysteriösen „Jejune Institut" zu landen.
Handelt es sich um eine Sekte, um ein Unternehmensgeflecht, das mithilfe seiner Erfindungen Einfluss auf möglichst viele Menschen ausüben will? Peter ist stark verunsichert, nicht nur weil Institutschef Octavio alles andere als einen vertrauenerweckenden Eindruck macht. Sondern auch, weil sich blitzschnell die Gegenspieler des „Jejune Instituts" zu erkennen geben – die sogenannte Elsewhere Society geführt von einem „Commander 14". Der dringend vor dem Institut und dessen Machenschaften warnt, schließlich hätten Octavio und sein Team auch für das Verschwinden eines Mädchens gesorgt. Ehe sich der etwas unbedarfte Peter versieht, ist er auch schon mitten in einer skurrilen Schnitzeljagd durch Philadelphia gelandet. In einem herrlich verrückten Trödelladen trifft er auf Transfrau Simone, die ebenfalls vom Institut und folgend der „Elsewhere Society" dorthin geführt wurde.
Höchst unterschiedliche Protagonisten
Es dauert nicht lange, und Peter und Simone lernen weitere „Mitspieler" kennen, denn die meisten vom Institut „geköderten" Menschen sehen das Ganze als großes Spiel, als spannende Abwechslung vom eintönigen, einsamen oder tieftraurigen Alltag. So lernen wir, dass Transfrau Simone (gespielt von der transsexuellen Schauspielerin Eve Lindley), die nur dem äußeren Anschein nach das selbstbewusste schillernde Wesen gibt, und eigentlich zutiefst verunsichert ist, mit ihrer Identität ringt. Janice (Sally Field) hingegen ist eine alte Dame, die sich um ihren bettlägerigen Mann kümmert und die die „Ausflüge" mit „dem Team" genießt, weil sie etwas Neues in ihr Leben bringen. Und dann wäre da noch Fredwynn, dargestellt von Musiker und Schauspieler André3000. Der mit Theorien und deren Analyse weitaus mehr anfangen kann als mit Menschen.
Vier höchst unterschiedliche Protagonisten hat Jason Segel da für seine Serie entwickelt, beziehungsweise nach real existierenden Personen gezeichnet. Denn das „Spiel" hat es Ende der 2000er-Jahre in San Francisco wirklich gegeben – dahinter steckte Konzeptkünstler Jeff Hull. Er erfand das fiktive „Jejune Institut", mietete dafür Räumlichkeiten an, die er fantasievoll ausstattete. Verteilte Flyer und klebte Poster, die ahnungslose „Mitspieler" rekrutieren sollten. Und entwickelte nach und nach ein komplexes Verwirrspiel um das Institut und seine „guten" Gegenspieler. Bis zu 10.000 Menschen hätten sich insgesamt an den Aktionen beteiligt – damit habe er sein Ziel erreicht, erzählte Hull im Nachgang. Nämlich möglichst unterschiedliche Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, sie manch „vernachlässigten" Bereich der Stadt wieder ein Stückchen beleben zu lassen.
Klar, dass all das bei Jason Segel und den „Dispatches from Elsewhere" seriengerecht aufbereitet wurde, mysteriös und manchmal dramatisch daherkommt. Die vier Stars sind so unterschiedlich – perfekt gecastete Protagonisten. Ebenso perfekt wie die durchgestylte Szenografie.