Die ziemlich bizarren Accessoire-Ideen mancher Designer für diesen Sommer sind etwas zum Schmunzeln in den derzeit turbulenten und unlustigen Zeiten. Ob sich der ein oder andere Trend herauskristallisiert, ist ebenso ungewiss wie der Pandemie-Verlauf.
Zum soften Einstieg in dieses etwas skurrile Thema lohnt sich ein Blick in die aktuelle Gucci-Kollektion. Schließlich hat Chefdesigner Alessandro Michele, der unumstrittene Bad-Taste-Meister, schon mal vor einigen Jahren mit Overknee-Latex-Socken für Aufsehen gesorgt. Diesen Sommer ist er mal wieder für Shocking-Momente gut: mit sechseckigen Sonnenbrillen-Modellen, die nicht nur mehr als die Hälfte des Gesichts bedecken, sondern vor allem mit überdimensionalen Ketten ausstaffiert sind. Die deutsche „Vogue" empfiehlt als kongenialen Partner die neuen It-Bags von Bottega Veneta, weil diese über ähnlich imposante Kettenriemen verfügen, und stellt den Leserinnen die Frage: „Wird Guccis Sonnenbrillenkette das beliebteste Accessoire für Sommer 2020?" Wir wollen mal hoffen, dass dem nicht so sein wird, auch wenn die „Vogue" der Meinung ist, dass es mal wieder höchste Zeit sein dürfte, die auf Instagram abgenudelten winzigen Matrix-Brillen durch größere Gestelle abzulösen.
Apropos Gucci: Das Label hatte in der Sommersaison 2018 den Gesichtsschmuck durch „Crystal Beards" erweitert, nicht etwa für Männer, sondern für Damen, die normalerweise nicht viel Wert auf Bartwuchs rund ums Kinn legen. Diese skurrile Idee wurde für diese Saison aufgegriffen vom New Yorker Label Area, das auf dem Laufsteg der Big-Apple-Fashion-Week an den Ohren der Models befestigte, funkelnde Bart-Geschmeide präsentierte. Warum irgendwer auf der Welt so etwas tragen sollte, wird kaum zu beantworten sein. Dagegen waren die mit Pflanzen gefüllten Blumentöpfe als Accessoire-Detail bei Kate Spade schon fast salonfähig.
Geradezu krass hingegen war der Kopfschmuck, der auf der Pariser Modewoche auf dem Laufsteg von Vivienne Westwood zu sehen war, gemäß dem Kollektionsthema „Die Geburt der Venus" nach dem berühmten Gemälde des Renaissance-Künstlers Sandro Botticelli. Denn Hüte in Gestalt von künstlichen, Pailletten-geschmückten Riesenfischen hatte frau garantiert noch niemals vorher gesehen. Dann doch lieber ein weiterer, an den Turmbau zu Babel erinnernder, von Bella Hadid präsentierter Avantgarde-Hut von Westwood-Chefdesigner Andreas Kronthaler oder der als original Bucket Hat gestaltete Eimer auf dem Kopf der Models von Nina Ricci.
Vom Kopfschmuck bis zu den Schuhen
Vom Kopfschmuck zu den Schuhen. Denn in Sachen Schuhmode hat das hippe Londoner Label Fyodor Golan, das vor allem von Instagram-Fans und Millennials geschätzt wird, mit himmelstürmenden Platform-Sandalen für Furore gesorgt, weil die Teile mit sage und schreibe 13 Riemen bis weit über den Knöchel hoch um den zarten Fuß befestigt waren. Marc Jacobs führte den Nachweis, dass Hosen nicht nur von einem Gürtel sicher an ihrem Platz auf der Hüfte gehalten werden sollten. Sondern dass es sich womöglich lohnt, ersatzweise zwei oder drei weitere Belts darüber umgeschnallt einsatzbereit mitzuführen. Wer also gern als Schnürpaket auf der Straße wandeln möchte, sollte dieses Beispiel einfach nachahmen.
Auf den Einfall, die Stockings-Naht von ihrem angestammten Platz auf der Rückseite der Beine nach vorne zu verlegen, wie es Tom Ford vorgemacht hat, muss auch jemand erst mal kommen. Es dürfte sich um eine nette Spielerei handeln, ähnlich wie die Oversize-Butterfly-Sunglasses von Marc Jacobs, damit kann frau sich in eine Halloween-Queen verwandeln.
Interessant hingegen die gewissermaßen versteckten Handtaschen von Moschino. Weil es Designer Jeremy Scott perfekt gelungen ist, die Bags vor dem Hintergrund der kreischend bunt-surrealistisch gehaltenen Klamotten optisch scheinbar verschwinden zu lassen.
Das Label Céline hat seinen jüngsten Einstieg in den Duftmarkt auch gleich mit einem speziellen Accessoire begleitet und einen viktorianischen Schmuckanhänger designt, in dem für unterwegs eine Mini-Portion des hauseigenen Parfums an einer Kette baumelnd mitgeführt werden kann. Einen Schlüsselanhänger aus vergoldeten Streichholzbriefchen zu entwerfen, die zur Aufbewahrung von Tabletten in vorgestanzten und mit dem Medusa-Logo verzierten Einbuchtungen dienen – so etwas hat sich Versace ausgedacht. Die italienischen Kollegen von Gucci haben als Extravaganz da nur einen mit dem Monogramm verzierten Kopfkissen-Rucksack gegenhalten können. Aber das Teil wurde schnell zum Instagram-Liebling der aktuellen Sommersaison.
Mini-Stühlchen statt Mini-Taschen
Da konnte selbst die nach der Form eines Frühstückeis gestaltete „LV Egg" Bag von Louis Vuitton nicht mit konkurrieren. Garantiert nur für den Besuch in Disneyland oder eines Kindergeburtstags geeignet: die wie eine Kreuzung von Pinguin und Delfin gearbeiteten Platform-Sneaker von Thom Browne. Ehrlich, wer sich damit wirklich auf die Straße traut, sollte einen Mut-Orden verliehen bekommen und kann dann auch gleich noch die Hello-Kitty-Handtasche von Balenciaga über den Arm werfen.
Natürlich wird das Festival der „Weird Accessories", wie es im Englischen meist genannt wird, auch kommenden Winter munter weitergehen. Angesagt wird dabei vor allem das Mitführen von Talismanen oder Glücksbringern sein. Bei Oscar de la Renta erinnern die mit an langen Ketten befestigten Glitter-Sternchen an den Mugler-„Angel"-Flakon. Den Trend zu Micro-Bags hat das Label Area auf die Schippe genommen und dabei die Mini-Tasche einfach durch ein glitzerndes Mini-Stühlchen an langem Schulterriemen ersetzt. In den sozialen Medien hat diese Innovation schon einen regelrechten Hype ausgelöst. Auch die Pillow Bag von The Row gehört schon fast zu den Accessoires, die womöglich sogar Trend werden könnten. Was für eine aus pinkfarbenem Satin-Organza gearbeitete Hut-Kreation von Marc Jacobs wohl nicht zu erwarten sein dürfte, die sich als voluminöses Mittelding zwischen üppigem Blumenstrauß und kunstvoll verpacktem Geschenkbehältnis darstellte. Auch nicht schlecht ist eine Pincode-gesicherte Umhängetasche von Brandon Maxwell.