Superstar Dennis Schröder hat die komplette Macht bei seinem Heimatclub Braunschweig übernommen. Der NBA-Profi hat den Löwen damit die Lizenz gesichert – und sein Portfolio an Investitionen erweitert.
Dennis Schröder zeigt gern, was er hat. Nicht wenige schließen aus den Bildern von seinen Lamborghinis, seinem vielen Bling-Bling und seinen extrovertierten Outfits, der Basketballer sei ein protzender Prolet. Einer, der das Geld mit Händen zum Fenster hinauswirft und keine Gedanken an die Zukunft verschwendet. Doch weit gefehlt. Schröder ist zwar keineswegs knauserig, er genießt durchaus seinen luxuriösen Lebensstil. Aber der Multimillionär kann sehr gut mit Geld umgehen. Sein eigenes gibt er zum Großteil gar nicht aus, sondern legt es an. „Heute definierst du, wer du morgen sein wirst", steht auf seiner Homepage. Und Schröder dürfte nach dem Ende seiner Karriere ein Unternehmer sein.
In gewisser Weise ist er das schon jetzt, der NBA-Profi von Oklahoma City Thunder hat diverse Firmen gegründet oder aufgekauft, in Immobilien investiert, Investmentfonds angelegt, seine Modemarke „Flex GanG" weltweit vermarktet. Dazu ermutigt habe ihn der ehemalige NBA-Spieler Dikembe Mutombo, verriet Schröder. „Wenn ich meine Karriere in zehn oder 15 Jahren beende, sollen die Firmen auf einem Top-Level sein", beschrieb Schröder einmal seinen Businessplan. „Damit wir nur noch zuschauen müssen, um Geld zu verdienen."
Bei seinem neuesten Investment dürften sich die Rendite in Grenzen halten – wahrscheinlich zahlt Schröder sogar drauf. Er hat einen Basketballclub gekauft. Nicht irgendeinen, sondern seinen ersten Profiverein: die Löwen Braunschweig. Schröder ist ab dem 1. Juli alleiniger Besitzer des Bundesligisten, nachdem ihm vorher schon 70 Prozent der Anteile gehört hatten. Den Rest kauft er von drei Unternehmern ab, die den Löwen jedoch auch in der neuen Saison als Sponsoren erhalten bleiben. Ohne Schröders Komplettübernahme, das betonte der Club, hätte Braunschweig wohl keine Lizenz mehr erhalten. „Braunschweig ist meine Heimatstadt, ich möchte der Region etwas zurückgeben", wurde Schröder in der Pressemitteilung nach dem Vollzug zitiert. „Ich bin überzeugt davon, dass wir den Standort weiterentwickeln und zu einem Top-Club in der Liga machen können."
Wie viel genau der Superstar zusätzlich bezahlt hat, wurde nicht überliefert. Der Kostenfaktor dürfte sich aber für jemanden, der in der nordamerikanischen Profiliga NBA 2017 einen mit 64 Millionen Euro dotierten Vierjahresvertrag unterschrieben hat, in Grenzen halten. Im Gegenzug bekommt Schröder nun die komplette Macht. „Ich bin sehr glücklich", sagte er, „jetzt alleiniger Gesellschafter der Löwen zu werden." Schröder selbst bestimmt, ob es einen Aufsichtsrat gibt und wenn ja, wie er besetzt wird. So oder so: Keine Entscheidung wird in Zukunft gegen seinen Willen gefällt. Das war vor ein paar Monaten noch anders – und deswegen wäre es beinahe zum Bruch zwischen dem Profi und seinem Heimatclub gekommen.
Keine Entscheidung gegen seinen Willen
Die Löwen hatten Schröders Entdecker und Mentor, Liviu Calin, als Co-Trainer entlassen. Das erzürnte den Star so sehr, dass er während der Basketball-WM in China mit Konsequenzen drohte. Zuerst postete Schröder auf seinem Instagram-Account, dem 1,3 Millionen Menschen folgen, die unmissverständliche Aussage: „Euer Ernst? Schämt Euch!" Dann suchte der sonst so medienscheue Schröder das Gespräch mit Medienvertretern, um die Club-Entscheidung scharf und öffentlichkeitswirksam zu kritisieren. „Es ist eine Schande, was bei den Löwen los ist", sagte er. „Da sind jetzt ein paar neue Leute im Front Office, die denken, sie könnten alles verändern." Er werde so etwas „nicht dulden", wetterte Schröder. „Ich bin Gesellschafter, es sollte mit mir telefoniert werden, bevor so eine Entscheidung öffentlich geht. Konsequenzen werden kommen."
Im ersten Moment reagierten die Braunschweiger betont gelassen auf die Drohung. Es sei Schröder gewesen, der auf Gesprächsangebote nicht reagiert habe, berichtete Aufsichtsratsvorsitzender Paul Anfang: „In dieser Form tut er dem Braunschweiger Basketball ganz gewiss keinen Gefallen." Die Clubführung zeigte sich zudem entspannt, was eine mögliche Trennung vom damaligen Mitgesellschafter Schröder betraf. Man könne auf eine „starke finanzielle Basis der Hauptsponsoren bauen", versicherte Anfang. Doch ganz so stark war die Position des Clubs wohl doch nicht: Ein bereits anberaumter Termin vor dem Braunschweiger Arbeitsgericht wurde Ende des Jahres 2019 abgesagt, die Kündigung zurückgezogen.
Die Corona-Krise hat die Abhängigkeit des Clubs von Schröder noch größer werden lassen. Die Löwen waren durch die fehlenden Einnahmen aus dem Ticketverkauf und die wirtschaftlichen Folgen bei den Sponsoren in Existenznot geraten – ehe Schröder erneut als „Retter" auftauchte. Vergessen hat er die Episode mit seinem Förderer Calin sicher nicht, sie dürfte ihn sogar dazu ermutigt haben, ganz bei den Löwen einzusteigen. Damit sich so etwas nicht noch mal wiederholt. Calin, der den einstiegen Streetball-Spieler Schröder in Braunschweig entdeckt und gefördert hat, ist aber nicht nur wegen dieser Loyalität stolz auf seinen „Ziehsohn". Auch die „Sentimentalität und Emotion unserem Standort gegenüber" sei lobenswert, so Calin. „Ich finde es sehr gut, wie er sich positioniert hat und dass er diese Initiative übernommen hat."
Auch Löwen-Trainer Pete Strobl begrüßte den kompletten Einstieg des zurzeit besten deutschen Basketballers auf der Führungsebene. Es sei „ein Superding, dass der Heim-Held zurückkommt und die Situation rettet", sagte Strobl den „Braunschweiger Nachrichten". „Ich bin ganz begeistert, dass der Standort gesichert ist." Klar, schließlich hängt auch sein Job an der Bundesliga-Existenz. Die war wegen der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen lange Zeit unsicher – bis Schröder seine Hilfe zusicherte. Die bisherigen vier Gesellschafter einigten sich darauf, die Anteile an der GmbH „in eine Hand zu geben". In Schröders Hand.
Los Angeles Lakers zeigen Interesse
Ist Schröder bei den Löwen also allmächtig? Auf dem Papier schon, doch in der Praxis sicher nicht – das glaubt zumindest Calin. Keine einzelne Person könne einen Proficlub alleine führen, „Dennis auch nicht". Zumal der 26-Jährige im Hauptberuf ja Profispieler ist, und in dieser Rolle könnte er bald wieder gefordert sein. Die nordamerikanische Profiliga NBA will seinen seit dem 11. März wegen Corona gestoppten Spielbetrieb laut ESPN am 31. Juli fortsetzen. Die Teams sollen nach den Plänen abgeschottet im Freizeitpark Disney World den Meister küren. Alle Beteiligten würden sich bis zum letzten Saisonspiel auf dem Parkgelände in Orlando (Florida)aufhalten, dort auch leben und trainieren. Genug Platz wäre auf dem 15.000 Hektar großen Ressort vorhanden, auch die drei Arenen und 24.000 Hotelzimmer genügen höchsten Ansprüchen. Und warum nicht das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? „Ich fände es gut, wenn alle Spieler mit ihren Familien für die Zeit in Disney World in Orlando untergebracht werden", sagte Nationalspieler Daniel Theis von den Boston Celtics
Über den Modus wird noch diskutiert, aber vermutlich werden alle deutschen NBA-Profis, also neben Schröder und Theis auch Isaiah Hartenstein (Houston Rockets) und Maximilian Kleber (Dallas Mavericks), dabei sein. Für Schröder wäre es eine gute Möglichkeit, sich weiter ins Rampenlicht zu spielen. Schon vor der Corona-Pause zeigten die Los Angeles Lakers Interesse an einem Trade mit dem Deutschen. Die Thunder schlugen das Angebot aus, Schröder überzeugte im Wechselspiel mit Chris Paul auf der Spielmacher-Position. Seine im Schnitt 19 Punkte und vier Assists sind starke Werte, zumal Schröder geöhnlich von der Bank kommt. Dennoch stand er meist länger auf dem Parkett als Starter bei seinem Ex-Club Atlanta Hawks. „Dennis ist eine Pest", sagte Paul – und das sei als Lob gemeint. „Er ist einer der Jungs, gegen die du es hasst zu spielen, aber bei denen du es liebst, wenn sie in deinem Team sind." Dass er bei OKC noch nicht zur Starting Five gehört, nimmt Schröder (noch) gelassen. Jeder wisse, „dass ich starten kann", sagt er, „aber ich bin ein Mannschaftsspieler."
Teamfähigkeit muss er nun auch bei seinem Investment in Braunschweig beweisen. Schröder muss anderen Leuten vertrauen, denn von Nordamerika heraus wird er keinen Basketballclub leiten können. „Dennis wünsche ich als Alleingesellschafter eine glückliche Hand, den Standort nachhaltig zu entwickeln", sagte Aufsichtsratschef Anfang, mit dem Schröder heftig im Clinch lag. Schon die Entscheidung, ob das Kontrollgremium weiterhin Bestand haben wird und in welcher Besetzung, ist ein Fingerzeig für die künftige Ausrichtung.