Radon ist in breiten Teilen der Öffentlichkeit noch so gut wie unbekannt. Obwohl das radioaktive Edelgas für mehr als die Hälfte der natürlichen Strahlenbelastung des Menschen verantwortlich ist. Damit ist es nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs.
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat im vergangenen September eine repräsentative Befragung mit 2.000 Teilnehmern durchführen lassen, um zu erfahren, wie es um das Wissen der Bundesbürger zum Thema Strahlenbelastung bestellt ist. Strahlung durch Kernkraftwerke, Mobilfunk/Smartphones oder auch durch Röntgen- beziehungsweise CT-Aufnahmen und Nuklearmedizin waren den Bürgern bekannt. Ganz anders sieht es beim radioaktiven Edelgas Radon aus. Obwohl es weltweit den mit Abstand größten Beitrag zur Strahlenbelastung der Menschen liefert. Es ist hierzulande für mehr als die Hälfte der natürlichen Strahlenbelastung verantwortlich und wird bezüglich der Strahlenbelastung nur noch durch Röntgen und Nuklearmedizin übertroffen. Von der Weltgesundheitsorganisation WHO wurde es als krebserregend eingestuft und gilt nachweislich als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs, etwa fünf Prozent der jährlichen Lungenkrebstodesfälle, in Zahlen ausgedrückt etwa 1.900, werden durch Radon verursacht.
Böse Zungen könnten dem Bundesamt für Strahlenschutz bezüglich der Gefährlichkeit des Radons Aufklärungsversäumnisse vorwerfen. Wohl nicht ganz zu Unrecht, auch wenn das Bundesamt schon 2016 eine Info-Broschüre mit dem Titel „Radon – ein kaum wahrgenommenes Risiko" herausgegeben hatte. Das Bundesumweltministerium (BMU) hatte seinerseits Mitte 2019 eine 40-seitige Broschüre mit dem Titel „Radonmaßnahmenplan zur nachhaltigen Verringerung der Exposition gegenüber Radon" publiziert, dessen Inhalt aber auch kaum über interessierte Expertenkreise hinaus bekannt geworden sein dürfte. Allerdings wird sich diesbezüglich im Laufe des Jahres 2020 einiges ändern müssen, weil das Ende 2018 in Kraft getretene neue Strahlenschutzgesetz auch konkrete Neuregelungen zum Schutz der Bevölkerung vor Radon enthält, beispielsweise die Einführung eines Referenzwertes für Wohnräume und Arbeitsplätze von 300 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3) oder die Vorgabe an die Bundesländer, in ihrem Zuständigkeitsbereich Gebiete mit auffällig vielen Gebäuden, in denen eine hohe Konzentration des Edelgases herrscht, ausweisen zu müssen, um danach möglichst schnell adäquate Schutzmaßnahmen einleiten zu können.
Das von dem deutschen Physiker Friedrich Ernst Dorn 1900 entdeckte Radon ist ein radioaktives chemisches Element. Es entsteht als Zerfallsprodukt der in Gestein und Erdreich seit Milliarden Jahren vorhandenen radioaktiven Stoffe Uran und Thorium. Für die Strahlenexposition des Menschen ist dabei vor allem das aus dem Uran-238 gebildete Isotop Radon-222 von Bedeutung. Unter Normalbedingungen ist Radon farb-, geruch- und geschmacklos. Es ist chemisch fast nicht reaktiv, daher sehr mobil und löslich im Grundwasser. Dank Rissen oder Spalten gelangt Radon an die Erdoberfläche, wo es im Freien schnell verdünnt wird.
Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn es dank undichter Fundamentbodenplatten, Risse im Mauerwerk oder über Kabel- und Rohrdurchführungen aus dem Baugrund ins Gebäude gelangt. Denn in den geschlossenen Räumen kann es sich schnell anreichern. Wobei die Radonkonzentration üblicherweise in bodennahen Gebäudebereichen am höchsten ist und nach oben kontinuierlich abnimmt. In Deutschland beträgt der Jahresmittelwert der Radonkonzentration in Wohnräumen durchschnittlich etwa 50 Bq/m3. Die Konzentrationen reichen dabei allerdings von einigen Bq/m3 bis hin zu Einzelfällen mit einigen Tausend Bq/m3. Laut Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz weisen fünf bis zehn Prozent der hiesigen Wohnungen Werte über 100 Bq/m3 auf, etwa 0,04 Prozent Werte über 1.000 Bq/m3.
Konzentration kann von Haus zu Haus schwanken
Radon kommt in Deutschland regional in unterschiedlich hohen Konzentrationen vor. In der norddeutschen Tiefebene sind die Konzentrationen meist niedrig, in den meisten Mittelgebirgen, im Alpenvorland und in Gegenden mit Gesteinsmoränen der letzten Eiszeit sind die Konzentrationen meist höher, was vor allem die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen betrifft. Ob die Radon-Gefahr in ehemaligen Bergbauregionen besonders hoch ist, ist wissenschaftlich umstritten. Die einstigen Grubengebiete des Saarlandes beispielsweise werden auf der vom Bundesamt für Strahlenschutz erstellten Radonkarte Deutschland jedenfalls nicht als Hochrisiko-Region ausgewiesen. Aber natürlich erleichtern generell bergbaugeschädigte Häuser das Eindringen von Radon durch Risse und Fugen. Und dass unter Tage arbeitende Männer durch Einatmen von Radon ein deutlich erhöhtes Lungenkrebsrisiko haben, wurde für Bergarbeiter im Erzgebirge schon für das 16. Jahrhundert vermutet, Stichwort „Schneeberger Krankheit", konnte aber erst dank Studien seit den 1960er-Jahren klar nachgewiesen werden.
Dass eine hohe Konzentration von Radon in Gebäuden ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko zur Folge hat, konnte durch mehr als 20 große epidemiologische Studien eindeutig belegt werden. Das Einatmen des Radongases ist dabei nicht das eigentliche Problem, weil es zum größten Teil wieder ausgeatmet wird. Allerdings können sich im Atemtrakt kurzlebige, schädliche und radioaktive Zerfallsprodukte des Radons anlagern, nämlich Polonium, Bismut/Wismut oder Blei. Diese können die strahlenempfindlichen Zellen des Lungengewebes schädigen. Es konnte bislang kein Schwellenwert ermittelt werden, unterhalb dessen Radon ungefährlich wäre. Mit zunehmender Radonkonzentration in Wohnräumen steigt das Risiko für Lungenkrebs gleichermaßen proportional mit an. Radon und Nikotingenuss verstärken wechselseitig ihre gesundheitlich bedenkliche Wirkung. Raucher haben ein besonders hohes Risiko an durch Radon verursachtem Lungenkrebs zu erkranken. Pro 100 Bq/m3 langjähriger Radonkonzentration erhöht sich das Lungenkrebsrisiko laut des Bundesamtes für Strahlenschutz um etwa 16 Prozent. Radon kann außer der Lunge auch noch andere Körperbereiche wie den Hals-Nacken-Bereich oder die Haut einer Strahlenbelastung aussetzen, auch wenn es bislang noch keine belastbaren Belege dafür gibt, dass das Edelgas auch noch für andere Erkrankungen als den Lungenkrebs direkt verantwortlich gemacht werden kann. Hoch kontrovers diskutiert wird inzwischen der Einsatz von Radon zu medizinischen Zwecken in Kurorten mit einer speziellen Radontherapie. Beispielsweise im Rahmen einer Behandlung von Rheumaerkrankungen. Hier gilt es Strahlenbelastung gegen Krebsrisiko abzuwägen.
Wegen der Vielzahl von Einflussfaktoren kann die Radonkonzentration von Haus zu Haus erheblich schwanken. Verlässliche Aussagen sind daher nur über Messungen vor Ort möglich, die mit Kosten von rund 40 Euro bei der Verwendung eines Radon-Dosimeters durchaus erschwinglich sind. Aufgrund der erheblichen Tages- und Jahreszeitenschwankungen sollten die Radonkonzentrationen über einen möglichst langen Zeitraum, idealerweise bis zu einem Jahr, durchgeführt werden. Wird im Jahresmittel der Wert von 100 Bq/ m3 überschritten, rät das Bundesamt für Strahlenschutz dringend zum Einleiten von Schutzmaßnahmen.
Für bestehende Gebäude könnten als erste Hilfe häufiges und intensives Lüften sinnvoll sein. Falls das nicht ausreichen sollte, wird zur Abdichtung von Radon-Eintrittspfaden im bodennahen Bereich (Risse, Fugen, Rohrdurchführungen) geraten, auch Nachbesserungen bei Kellertüren können Erfolge zeigen. Bei Werten jenseits von 1.000 Bq/m3 führt kaum ein Weg an größeren Umbaumaßnahmen vorbei, sofern man die Ursache des Radoneintritts nicht lokalisieren und beheben kann. Schon eine kleine undichte Stelle kann wie ein Kamin wirken, bei geringem Unterdruck im Gebäude kann die radonhaltige Bodenluft aus einem Umkreis von bis zu 20 Metern regelrecht angesaugt werden. Bei Neubauten sollten dank moderner Isoliertechnik von Radonkonzentrationen von 100 Bq/m3 ausgeschlossen werden können, gegebenenfalls durch Anlegen zusätzlicher Radondrainagen. Radon kann hierzulande gelegentlich auch in Baumaterialien oder im Trinkwasser enthalten sein, doch trägt beides kaum zur Strahlenbelastung der Bevölkerung bei.