Mit den Hotpants feiert ein viel diskutierter Mode-Schocker der 1970er-Jahre diesen Sommer ein gehöriges Comeback. Die Luxus-Designer springen damit eigentlich nur auf einen Trendzug auf, der längst schon im Streetstyle Fahrt aufgenommen hat.
Knappe 50 Jahre nach Yves Saint Laurents Überraschungs-Coup, als der Modezar Hotpants erstmals in einer Haute-Couture-Kollektion präsentiert hatte und zwar gleich aus den verschiedensten Materialien wie Satin, Samt oder Leder, tauchen die knappen Höschen diesen Sommer wieder bei zahlreichen Designer-Labeln auf. Im Streetstyle war die burschikose Variante des Minirocks bereits um die letzte Jahrtausendwende wieder aus der Mottenkiste unter Ablegung des No-Go-Etiketts entstiegen, aber so richtig Fahrt hatte der Run auf die Shorts eigentlich erst wieder vor fünf, sechs Jahren aufgenommen, als immer mehr Ladys damit auf den Straßen zu sehen waren.
Teilweise waren die Hotpants selbst abgeschnitten, teils aus dem Sortiment unbekannterer Marken, weil sich die Nobel-Designer wohl an den heißen Teilen noch nicht die Finger verbrennen wollten. Allerdings waren die Verkaufszahlen so verblüffend hoch – laut Angaben eines renommierten Fashion-Onlineshops kamen damals auf fünf georderte Minis stolze 100 Hotpants – dass allmählich ein Umdenken in den Chefetagen der Luxushäuser eingesetzt haben dürfte. Und diesen Sommer sind die knappen Hosen, die kurz unter dem Allerwertesten enden und so viel Bein wie möglich zeigen sollen, über den Umweg Streetstyle wieder in den Designer-Kollektionen gelandet. Sie bilden die freizügigere Alternative zu den Bermudas oder Shorts-Anzügen, die ebenfalls diese Saison bei den Edel-Labels sehr hoch im Kurs stehen.
Ausnahmsweise erst auf der Straße, dann auf den Laufstegen
Die Geschichte der Hotpants, deren Name natürlich nichts mit der sommerlichen Außentemperatur zu tun hat, sondern deren Trägerinnen bei entsprechender Figur „hot" aussehen mögen, wurde über die Jahre immer wieder falsch oder zumindest unvollständig erzählt. Es ist ein Irrglaube, dass die Höschen Anfang der 1970er-Jahre erstmals aufgetaucht waren. Denn schon in den 1950er-Jahren hatten die knappen Hosen (nach Frühformen in den 1930er-Jahren, als Frauen erstmals sich trauten Shorts zu tragen), damals noch als „Short Shorts" bezeichnet, in einigen Städten der USA für helle Aufregung gesorgt. Mutige Ladys hatten sich damit auf die Straßen gewagt – nach dem Vorbild von Hollywood-Diven wie Marilyn Monroe, die für PR-trächtige Strand- oder Pin-up-Fotos in die Teile geschlüpft waren. Den lokalen Sittenwächtern gelang es allerdings ziemlich schnell, einen Bann über die damals im High-Waist-Style geschnittenen Teile verhängen zu lassen, die von der Band The Royal Teens noch 1958 mit dem Song „Short Shorts" gepriesen wurden.
Erst Ende der Swinging Sixties mit ihrer sexuellen Libertinage war die Zeit dann richtig reif für die erstmals im Jahr 1970 so benannten Hotpants. Durch die Salonfähigkeit des Minirocks war der Weg für die Höschen, denen damals ganz bewusst etwas herrlich Verruchtes und Ordinäres beigemischt war, schon bestens vorbereitet worden. Wer genau die Hotpants erfunden hat, lässt sich nicht so genau eruieren. Auf den Laufstegen tauchten die kurzen Hosen erstmals 1970 auf – und zwar in Mailand im Rahmen der Kollektion des Labels Krizia der italienischen Designerin Mariuccia Mandelli. Viel spricht allerdings dafür, dass Mary Quant, die zuvor schon den Minirock populär gemacht hatte, erste Hotpants in ihrer Londoner Boutique „Bazaar" im Angebot hatte. Angeblich wurde sie von ihrer Klientel immer wieder ermuntert, die Hosen noch ein Stückchen kürzer zu machen: „Make it shorter, shorter, shorter."
Ihren schnellen Durchbruch verdankten die Hotpants der Tatsache, dass sie die praktischere Alternative zum Minirock waren. Weil frau in Hotpants ebenso viel Bein präsentieren, sich aber trotzdem viel ungezwungener bewegen konnte, ohne die Gefahr, ihre Unterwäsche zu entblößen. Dank Yves Saint Laurent schwappte der Trend im Winter 1971 von Europa aus in die USA über, wo bald sogenannte Cut-offs, abgeschnittene Jeans, sehr angesagt waren. Dank der ab 1979 laufenden TV-Serie namens „The Dukes of Hazaard" mit der Hotpants tragenden Protagonistin Catherine Bach alias Daisy Duck wurden sie noch beliebter. Im US-Fernsehen gab es allerdings damals die Vorgabe, dass die Schauspielerin stets Nylonstrumpfhosen unter den Hotpants anzuziehen hatte, damit keine Teile ihres Pos zu sehen waren.
Früher waren Hotpants Berufskleidung von Stewardessen
Überraschenderweise hielt sich die Entrüstung über die sexy Teile selbst im prüden Amerika in Grenzen. Sie wurden nicht nur schnell zu einem Kult-Teil für die US-Club-Szene, sondern auch zur Uniform der Cheerleader und sogar in Kombi mit weißen Go-Go-Boots zum festen Bestandteil der Berufskleidung der Stewardessen der Fluggesellschaft Southwest Airlines, die sich offen zum Motto „sex sells seats" bekannte. Promi-Damen wie Elizabeth Taylor oder Jacqueline Kennedy Onassis zeigten sich freizügig in der Öffentlichkeit mit den in der Bundesrepublik etwas unbeholfen als „heiße Höschen" eingedeutschten Teile. Selbst männliche Popstars wie Elton John oder David Bowie wagten es damals, ultraknappe Hotpants zu tragen. Soulvater James Brown konnte mit seiner „Hot Pants"-Ode 1971 die US-Single-Charts stürmen.
Obwohl die Hotpants ihren Zenit in den 1970er-Jahren hatten, setzte ihr Niedergang doch schon Mitte des Jahrzehnts ein, weil sie zunehmend zur Prostituierten-Kluft wurden – so dokumentiert in Michael Scorsese „Taxi Driver" (1976). Daher galten die Höschen in den 1980er- und 1990er-Jahren abseits einiger verschlafener Provinz-Discos als modisches No-Go. Um die Jahrtausend-Wende tauchten die Hotpants dann wieder auf, zunächst vor allem als Dress von Hintergrund-Tänzerinnen in Hip-Hop-Videos. Dann als Bühnen-Outfit weiblicher Mega-Stars wie Jennifer Lopez, Madonna, Beyoncé, Christina Aguilera, Britney Spears oder Kylie Minogue. Kylies goldene Hose, die sie auf ihrer 2000er-Tournee trug, wurde sieben Jahre später sogar im Londoner Victoria & Albert-Museum ausgestellt.
Supermodel Kate Moss, die selbst in den 1990er-Jahren ein treuer Fan der Höschen geblieben war, führte die Hotpants in Kombi mit Gummistiefeln 2006 in der Festival-Szene ein und machte sie ein Jahr später zu einem der Highlights ihrer ersten Kollektion für die britische Modekette Topshop. In jüngster Zeit waren Promi-Ladys wie Rihanna oder Miley Cyrus so etwas wie die Vorreiter des neuen Hotpant-Hypes, dem längst nichts mehr vom früheren modischen Revoluzzergeist oder dem Bestreben nach Provokation anhängt. Über etwas mehr zur Schau gestellte nackte Haut regt sich heute kaum mehr jemand auf, auch wenn es vor gar nicht allzu langer Zeit an einigen Schulen im In- und Ausland anregende Diskussionen rund um ein Hotpants-Verbot gegeben hatte.
In den 70ern war das Image der Hose nur noch verrucht
Ganz unproblematisch zu tragen sind die kurzen Hosen aber nicht. Denn jede Frau sollte sich selbstkritisch die Frage stellen, ob ihre Beine dafür wirklich geeignet sind. Allerdings hat die amerikanische „Vogue" unlängst die Hotpants, zu der als Schuhpartner am besten Flat-Sandalen gewählt werden sollten, als demokratischstes aller Warmwetter-Modestatements geadelt.
Natürlich spielen die Materialien Denim und Leder die Hauptrolle bei den neuen Hotpants der Designer im Sommer. Mega-sexy und ultraknapp ist beispielsweise das schwarze Lederteil von Saint Laurent geschneidert. Ein perfektes Statement in Sachen Denim-Cut-offs ist Rag & Bone gelungen. Auch Isabel Marant setzt auf Jeans-Shorts mit ausgefranstem Saum. Das Strick-Höschen von Hermès sieht hingegen ziemlich züchtig aus, da gefällt die Strick-Umsetzung von Salvatore Ferragamo, der auch eine High-Waist-Ledervariante in seiner Kollektion führt, schon deutlich besser. Brandon Maxwell hat für ganz Wagemutige ein Spandex-Modell im Sortiment. Viel alltagstauglicher ist das Tweed-Teil von Chanel. Frau wird in Sachen Hotpants aber auch fündig bei Marken wie Alexander Wang, Dolce & Gabbana, Longchamp, Christian Dior, Etro, Zimmermann, Alberta Ferretti oder Laquan Smith.