Claudia Darga ist eine der bekanntesten Anglerinnen in Deutschland und doch eine Rarität: Als Frau ist die Hamburgerin in der Szene immer noch eine Ausnahme. Meistens fängt sie Karpfen, doch am Amazonas hatte sie auch schon einmal ein Krokodil am Haken.
Eigentlich wollte Claudia Darga ihren Freund nur für ein paar Stunden bei dessen Angeltrip besuchen, um sich ein Bild davon zu machen, was ihr Partner in seiner Freizeit so anstellte. Am Ende blieb sie das ganze Wochenende bei ihm. Schon als Kind war die Hamburgerin mit ihrem Vater angeln gewesen, doch wirklich Spaß hatte sie auf diesen Ausflügen nicht. „Mit meinem Papa bin ich damals mit einem kleinen Ruderboot raus aufs Wasser gefahren und durfte dann stundenlang nichts sagen und mich am besten überhaupt nicht bewegen, um die Fische nicht zu verschrecken", erinnert sie sich. Mit ihrem Partner lernte sie den Angelsport auf eine ganz neue Weise kennen. „Da gab es ein Zelt, eine Liege und einen Grill, das ganze Drumherum. Es war wie beim Camping – bloß, dass wir nebenbei noch geangelt haben. Das kannte ich in dieser Form noch nicht. Es war ein herrliches Sommerwochenende und hat riesigen Spaß gemacht. So bin ich zum Karpfenangeln gekommen."
Noch ein paar Mal begleitete Darga danach ihren Freund an den See. Irgendwann wollte sie nicht mehr bloß zusehen, sondern fing selbst an zu angeln. Das war vor knapp zehn Jahren. Mittlerweile lebt Claudia Darga seit zwei Jahren vom Angelsport. Sie hält Vorträge, verfasst Artikel für Fachmagazine und ist auf den einschlägigen Messen vertreten; sie macht Werbung für Angelklamotten und -equipment und organisiert Angelreisen in der ganzen Welt. „Reich wird man davon nicht. Aber ich liebe es, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe", sagt die 32-Jährige.
Als Frau ist Claudia Darga in der Szene immer noch eine Ausnahme. Etwa 98 Prozent aller Angler in Deutschland sind Männer. „Als Frau hat man es beim Angeln nicht leicht", sagt Darga. Die Gründe für den geringen Frauenanteil – der in einigen anderen Ländern zum Teil deutlich höher liegt – sind dabei vielschichtig. „Als Frau wird man häufig belächelt oder dumm angemacht", sagt Darga, und das nicht nur als Anfängerin. Im Gegenteil: „Als ich noch relativ unbekannt war, hatte ich viele Freunde in der Anglerszene. Aber sobald ich erfolgreicher wurde und die Zahl der Likes in den sozialen Medien nach oben ging, zweifelten einige auf einmal daran, ob ich überhaupt angeln könnte."
Andere Angel-Influencerinnen können Ähnliches berichten: Gerade diejenigen, die auf ihren Seiten womöglich auch noch etwas freizügiger im Bikini posieren, werden von ihren männlichen Kollegen häufig nicht ernst genommen. „Es gibt Männer, die angeln seit 20 Jahren und kriegen trotzdem nicht einmal die Hälfte der Aufmerksamkeit, wenn sie Artikel schreiben oder Vorträge halten, wie ein Mädel im Bikini. So etwas sorgt natürlich für Neid. Aber am Ende sollte es doch egal sein, ob sich eine Frau im Bikini ablichten lässt oder in der Wathose", meint Claudia Darga. „Es geht doch in erster Linie ums Angeln."
„Es ist einfach herrlich, die Natur zu genießen"
Womöglich liegt die weibliche Abneigung fürs Angeln aber auch daran, dass viele Männer mit ihren größten Fängen oft regelrecht prahlen – ein Verhalten, das bei Frauen nicht besonders gut ankommt. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich am Wasser deutlich entspannter bin als meine männlichen Kollegen", sagt Darga. „Ich mache mich nicht gleich verrückt, wenn einmal nichts beißt. Wenn bei den Männern dagegen nach fünf Stunden noch kein Fisch angebissen hat, werden sie irgendwann nervös und überlegen, ob es vielleicht doch der falsche Platz, der falsche Köder oder die falsche Taktik gewesen ist."
Man müsse den Frauen das Angeln vielleicht auch besser verkaufen, meint Claudia Darga. „Einfach einmal ein gemeinsames Wochenende mit dem Partner zu erleben und dabei ganz allein am Wasser zu sitzen und den Sonnenuntergang zu genießen – ich glaube, das würden ganz viele Frauen mitmachen. Ohne Fernseher, ohne Handy, dafür mit ganz viel Entspannung und Quality Time mit dem Partner." Einige Frauen hätten jedoch immer noch falsche Vorstellungen vom Angeln, glaubt Darga: „Sie denken, es ist nass und kalt. Aber so wie wir manchmal ausgestattet sind, ist das schon Luxus pur am Wasser." Sie lacht. „Wir Karpfenangler haben schon einen kleinen Tick, wenn man sieht, was wir da so alles ans Wasser schleppen." Dazu zählen auch diverse verschiedene Köder und andere Materialien. „Anfangs habe ich mich schwer getan, mir die Namen der ganzen Sachen zu merken. Die Angler machen es da manchmal ein bisschen komplizierter, als es sein müsste", sagt Darga mit einem weiteren Augenzwinkern.
Durch den Angelsport hat sie mittlerweile schon einiges erlebt. Vor Sri Lanka versuchte sie sich beim Meeresangeln und wurde von den mächtigen Makrelen dort beinahe aus dem Boot gezogen. Erst im Januar war sie am Amazonas fischen und überwältigt von der grandiosen Natur im brasilianischen Dschungel. Auf dieser Reise gelang ihr auch ihr bislang ungewöhnlichster Fang, als auf einmal ein neugieriges Krokodil am Haken hing, dem der Köder offensichtlich ebenfalls geschmeckt hatte. Wegen des Coronavirus und der damit verbundenen Reisebeschränkungen muss sie auf solche Trips allerdings vorerst verzichten.
Für das Karpfenangeln befinden sich die besten Reviere in Frankreich. „Es ist das Mekka der Karpfenangler", sagt Claudia Darga. Im ganzen Land gebe es attraktive Gewässer und anglerfreundliche Regularien. Karpfenangeln ist Ansitzangeln – der Angler bleibt an seinem einmal gewählten Platz und wartet dort auf seinen Fang. „Man baut sich sein Camp und verbringt dort in der Regel zwei, drei Tage. Und anders als etwa beim Raubfischangeln, wo man aktiv auswirft und die ganze Zeit sehr fokussiert ist auf den Köder, hat man beim Karpfenangeln zwischendurch auch einmal die Gelegenheit den Blick schweifen zu lassen", so Darga. Auf diese Weise hat sie hierzulande schon Biber, Fledermäuse und Eisvögel beobachtet. „Es ist einfach herrlich, die Natur zu genießen. Im Hotel zahlen andere für den Seeblick viel Geld. Beim Karpfenangeln gibt es den gratis dazu."