„Common Ground" lautete das Motto der Leipziger Buchmesse, die wegen Corona abgesagt wurde. Im Mittelpunkt sollte Literatur aus Südosteuropa stehen. Für deren Verbreitung und Übersetzung engagiert sich das Netzwerk Traduki.
Traduki – der Name deutet es bereits an – ist ein Übersetzungsnetzwerk. Und zwar ein einzigartiges. Haben sich hier doch Partner unter anderem aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein zusammenschlossen, darunter viele Stiftungen und Kultureinrichtungen. Aber auch aus Slowenien, Kroatien, Albanien, Serbien, Rumänien, Montenegro, Nordmazedonien und Bulgarien. Eine große Bühne sollte das Netzwerk im März in Leipzig bekommen –
unter dem Stichwort „Common Ground" stand der große Auftakt eines auf drei Jahre angelegten, übergreifenden Gastlandprogramms auf dem Plan. Eines Programms, das ambitioniert mit Südosteuropa eine ganze Region in den Fokus stellt.
So sollten Aussteller aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kosovo, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien, Rumänien, Serbien und Slowenien Autoren und Werke vorstellen, flankiert durch Filmvorführungen und ein reichhaltiges musikalisches Programm. Dann kam das Coronavirus – und die Leipziger Buchmesse wurde, als eine der ersten kulturellen Großveranstaltungen des Jahres, zum großen Bedauern aller Beteiligten, abgesagt. Wie geht Traduki damit um? Welche Anstrengungen werden unternommen, um doch ein wenig Sichtbarkeit für das ambitionierte Programm zu schaffen? Darüber hat FORUM mit Antje Contius von der S. Fischer Stiftung gesprochen. Sie leitet die Geschäftsstelle von Traduki und das Projekt „Common Ground".
Frau Contius, konnten Sie Programmpunkte, die für Leipzig angedacht waren, im Netz nachholen, oder haben Sie ganz neu geplant?
Nach der ersten großen Enttäuschung und Traurigkeit über die Absage der Leipziger Buchmesse wurde uns klar, dass das noch unbekannte Covid-19-Virus noch weit größere Veränderungen für unsere Gesellschaft mit sich bringen wird. Für unsere Partner im Netzwerk und für uns als Stiftung war es ein Imperativ, die Freischaffenden, Autoren und Übersetzer, zu unterstützen.
Und wie viele andere Kulturschaffende beschlossen wir, mehrere Online-Formate ins Leben zu rufen. Nach dem Motto: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss der Prophet zum Berg kommen. Das Leipziger Publikum hat „Common Ground" 2020 nicht live in den Messehallen beziehungsweise an unterschiedlichen Veranstaltungsorten in der Stadt erleben können. Aber dafür bieten wir beispielsweise mit dem Format „Literarisches Frühstück" die Möglichkeit, dass Interessierte überall eine abgewandelte Auswahl aus unserem Programm „Herkunft und Zugehörigkeit" doch noch erleben können. Das Programm wird jeden Donnerstag ab 8.30 Uhr ausgestrahlt – und zwar über Youtube, Facebook und Instagram-TV.
Gibt es weitere Ideen für 2020? Haben Sie bereits konkrete Vorhaben auf der „BuchWien" im November, und können Sie dazu schon etwas sagen?
Neue Ideen gibt es bereits viele, natürlich aber auch die große Ungewissheit, die das Virus mit sich gebracht hat. Aber wenn wir davon ausgehen, zumindest für die Dauer dieses Gesprächs, dass wir bald wieder eine „Normalität" leben dürfen, dann möchten wir gerne auch auf der „BuchWien" mit unseren Partnern aus Österreich einen dreijährigen Schwerpunkt „Common Ground" organisieren. Außerdem möchten wir in Literaturhäusern im deutschsprachigen Raum Literaturabende zum Thema „Herkunft und Zugehörigkeit" veranstalten und sind dazu in vorbereitenden Gesprächen.
Wir denken aber auch weiter in virtuellen Räumen und planen einen Podcast. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit mit Tino Schlench, der auf Instagram den sehr viel gelesenen Literaturblog „Literaturpalast" pflegt. Gemeinsam möchten wir südosteuropäische Literatur in den nächsten Jahren bekannter machen.
Können Sie schon Highlights verraten, die wir im nächsten Jahr erwarten können?
Für unser Netzwerk ist das Jahr 2021 an sich schon ein Highlight. Es ist ein wichtiges und zugleich finsteres Gedenkjahr, in dem unser Programm auf der Leipziger Buchmesse den drei Dekaden gewidmet sein wird, seit Jugoslawien blutig auseinandergefallen ist. Wir werden uns nicht scheuen, diesem Thema offen zu begegnen und über schmerzvolle Kapitel der Geschichte zu reden.
1991 ist aber auch das Jahr, in dem das Volk in Albanien nicht nur die Statue von Enver Hoxha, sondern auch seine kommunistische Regierung stürzte. Thematisch bleibt es für uns also hochspan-nend, auch nach zwölf Jahren, in denen wir uns intensiv mit der Region Südosteuropa, ihren Literaturen, ihren Kulturen und ihren Nachbarschaften beschäftigt haben. Trotzdem gibt es nach wie vor viel zu entdecken.
Neben dem öffentlichen Programm steht Traduki auch im großen Maße für die Übersetzungsförderung aus dem südosteuropäischen Raum. Hat die Initiative „Common Ground" hier schon für Aufschwung gesorgt? Erhalten Sie mehr Zuschriften?
Wir wissen, dass viele Menschen unser Programmangebot über die sozialen Medien aufrufen. Die Übersetzungsförderung ist keine leicht messbare Sache. Auch weil sich nicht alle Verlage im deutschsprachigen Raum bei uns um eine Förderung bewerben. Aber die Entscheidung der südosteuropäischen Länder, gemeinsam auf der Leipziger Buchmesse und auch weiter in Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz aufzutreten, hat ganz klar für deutlich mehr Sichtbarkeit gesorgt. Dieser Schritt war und ist ein klares Bekenntnis für ein Miteinander, das uns Hoffnung macht. Dass der Traum von einem gemeinsamen Europa, trotz seiner wahrhaftigen Komplexität, kein Traum bleiben muss.