Die Minijobs traf es direkt: 220.000 von ihnen gingen wegen der Corona-Krise schon im März verloren, weitere werden folgen, mutmaßt Wolfgang Buschfort von der Minijob-Zentrale in Bremen. Dabei hatte sich die geringfügige Beschäftigung bislang immer auch in Zeiten wirtschaftlicher Krisen als stabil erwiesen.
Herr Buschfort, das Konjunkturpaket der Bundesregierung umfasst 130 Milliarden Euro – wie viele Euro sind darin für Minijobber enthalten?
Alles, was die Wirtschaft wieder in Schwung bringt und insbesondere die Bereiche fördert, wo besonders viele Minijobs verloren gegangen sind, bringt den Minijobs etwas. Zum Beispiel dort, wo Saisonkräfte im Normalfall eingestellt werden, dies aber aufgrund der Corona-Krise nicht der Fall war.
Welche wirtschaftlichen Sektoren sind das?
Am stärksten betroffen ist die Gastronomie, danach der Einzelhandel – welche Bereiche dort im Einzelnen können wir in unseren Zahlen nicht ersehen. Ausnahme ist hier natürlich der Lebensmittelhandel. Aber in diesen beiden genannten großen Bereichen ist die Anzahl der Minijobber erheblich geringer als noch im Jahr zuvor.
Wie sieht es in Krankenhäusern aus?
Auch darüber liegen uns keine Zahlen vor. Die Knappschaft als Krankenhausträger hat allerdings Menschen, die in Rente waren, zum Teil als kurzfristige Minijobber angestellt. Bei dieser Art von Minijob gibt es keinen 450-Euro-Deckel, also fallen darunter auch eine Krankenschwester oder ein Arzt, der für zwei bis drei Monate für mehrere Tausend Euro wieder aus der Rente geholt wird. Dadurch wollten wir Personallücken decken, die wir durch die Krise erwartet hatten. Diese ist dann aber so Gott sei Dank nicht so eingetreten wie zum Beispiel in Frankreich, Italien oder Spanien.
220.000 Minijobs sind laut Ihrer Statistik schon im März verloren gegangen, also in einem Monat, der noch nicht vollständig vom Herunterfahren der Wirtschaft betroffen war. Warum?
Das ist richtig, im März wurden sie abgemeldet, und damit waren diese Menschen die ersten, die wegen Firmenschließungen ihren Job verloren oder überhaupt nicht eingestellt wurden, weil zum Beispiel eine Ausflugsstätte die Frühjahrs- und Sommersaison erst gar nicht eröffnet hat.
Das heißt, die Konjunkturdelle, die schon 2019 in Deutschland absehbar war, hat damit nichts zu tun?
Nein, eher nicht. Minijobs gibt es seit 2003, seit 2004 gibt es belastbare Zahlen, und da zeigt sich: Auch bei konjunkturellen Dellen wie beispielsweise in der Finanzkrise 2008, 2009, 2010, aber auch bei sehr gut laufender Konjunktur stellen wir normalerweise nur minimale Ausschläge nach oben und unten fest. Das heißt, wir lagen in Deutschland seit 2004 immer, unabhängig von der gerade herrschenden Konjunktur, immer irgendwo zwischen sechs und sieben Millionen Minijobbern.
Erwarten Sie also noch stärkere Jobverluste in diesem Arbeitsmarktsegment?
Davon gehen wir aus, im April und Mai wird die Zahl der wegfallenden Minijobs weiter gestiegen sein.
Hätte es Maßnahmen gegeben, die diesen Verlust an Arbeitsplätzen auffangen könnten?
Es gab Überlegungen, den Minijobbern eine Art Kurzarbeitergeld zukommen zu lassen. Die Thüringer CDU hatte das vorgeschlagen, auch die Linkspartei und die SPD. Warum das nicht passiert ist, hat einen systembedingten Grund: Minijobs waren nie als Dauerverdienst gedacht, sondern um in einen Job zu kommen, Arbeitsspitzen aufzufangen oder um als Student etwas nebenher zu verdienen. Um Kurzarbeitergeld zu erhalten, muss, ähnlich wie beim Arbeitslosengeld, erst einmal eingezahlt werden. Bei Minijobs wird nichts in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber. Somit ist ein Kurzarbeitergeld nicht möglich, mittelfristig aber ist schon denkbar, dass es hierbei Änderungen gibt, aber das ist eine politische Frage. Man muss aber auch sagen: Eine Krise dieser Art gab es bisher nicht.
Aber was bedeutet denn dieser erwartbar hohe Rückgang an Minijobs im Hinblick auf Altersarmut und die Rente? 4,4 Millionen Minijobber haben keine Hauptbeschäftigung.
Es gibt viele Minijobber, die sich auf das Geld dieser Jobs eingestellt haben. Für diese wird es, wenn die Krise länger andauert, ein Problem werden. Auch für jene, die sich neben der zu geringen Rente noch etwas hinzuverdienen. Auf die spätere Rente selbst hat es fast gar keinen Effekt. Hier sind die Rentenversicherungsbeiträge über einen langen Zeitraum entscheidend. Selbst wenn jemand einen Minijob seit 2004 machen würde, macht sich dies wenig in der Rente bemerkbar, weil nur von den maximal 450 Euro der Rentenbeitrag abgeführt wird. Hinzu kommt, dass viele Minijobber nicht den kompletten, sondern nur einen anteiligen Rentenbeitrag zahlen, der damit noch geringer ausfällt. Die Rentenversicherung ist für Minijobber in anderen Bereichen wichtig, zum Beispiel bei Rehabilitationen oder um anspruchsberechtigt bei einer frühzeitigen Rente zu sein, etwa einer aus medizinischen Gründen.
Wie schwierig ist es denn derzeit für Menschen, wieder in ihren Minijob zurückzukehren oder einen anderen zu finden?
Im Augenblick ist es ohnehin schwierig, eine Arbeit zu finden, egal ob Vollzeit oder Minijob. Minijobber sind rechtlich genauso gestellt wie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Kündigungszeiten fallen darunter, abhängig von der Zeit der Beschäftigung. Viele Arbeitgeber aber sehen sich derzeit nicht in der Lage, diese Personen noch zu bezahlen, wenn für sie keine Arbeit mehr da ist. Kurzarbeiter werden vom Arbeitsamt bezahlt, Minijobber aber weiterhin vom Arbeitgeber. Wenn er ihm kündigt, wäre der Minijobber also je nach Länge des Beschäftigungsverhältnisses in zwei bis drei Monaten erst weg. De facto müssen wir davon ausgehen, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vielfach diese Rechtsregelung nicht kennen oder anwenden. Und dass Minijobber so ohne Einhalten einer Kündigungsfrist ihre Arbeit verlieren. Hiergegen kann ein Minijobber vor dem Arbeitsgericht klagen.
Ihr Fazit also: Der Minijob ist krisenfest, aber diese Krise sprengt die bekannten Maßstäbe?
Ich habe im März Interviews dazu gegeben, in denen ich gesagt habe, dass es keine großen Veränderungen geben wird wegen der Kündigungsfristen und der Tatsache, dass die Minijobs auch andere Krisen unbeschadet überstanden haben. Da habe ich mich getäuscht, mit dieser Entwicklung hat wohl keiner gerechnet. Aber sie sind unterschiedlich krisenfest. Zum Beispiel im häuslichen Minijob-Sektor, Putzhilfen zum Beispiel, stellen wir bislang kaum Bewegung fest, während in der Industrie und im Gastgewerbe ein breiter Rückgang feststellbar ist. In der Baubranche gab es sogar im März noch einen leichten Anstieg. Diese Krise ist keine normale Wirtschaftskrise, und damit kommen auch die Minijobs nicht zurecht.