Wie soll die nächste Fashion Week in Berlin aussehen, nachdem andere große Modemessen ihren Umzug nach Frankfurt angekündigt haben? In der Hauptstadt suchen Politiker und Kreative nach neuen Ansätzen.
Die Nachricht kam wie ein Paukenschlag, unerwartet und mit ordentlichem Nachhall. Denn vor rund zwei Wochen verkündeten die Veranstalter der Modemessen Premium, Neonyt und Seek offenbar ohne jede Vorwarnung ihren Umzug von Berlin nach Frankfurt. Die Mainmetropole solle ab Sommer 2021 somit Ausrichter der Fashion Week werden, hieß es – auch die Konferenzen Fashion-Sustain und Fashion-Tech würden mitziehen. Eine Nachricht, die in Berlin für einen kurzen Moment Schockstarre auszulösen schien, die allerdings nicht allzu lang anhielt.
So teilte Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop schon wenige Stunden später mit, dass die Hauptstadt auch weiterhin ihre Fashion Week veranstalten werde, man arbeite bereits an einer Neuausrichtung. Ohne die Messen könnten die Modenschauen ab Sommer 2021 zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, der sich nicht mit den Modenschauen in Paris überschneidet. Man sei, so Ramona Pop, im Austausch mit Stakeholdern und Veranstaltern, um zu klären, mit welchen zusätzlichen Formaten der Modestandort und die Berlin Fashion Week gestärkt werden könne.
Ebenso beeilte sich der Veranstalter des Schauenformats „Mercedes Benz Fashion Week", die Kreativagentur Nowadays, zu betonen, dass die nächste Fashion Week im Januar 2021 im Kraftwerk Berlin geplant sei. Dabei halte man an einem Mix aus High-Fashion-Labels aus dem deutschsprachigen Raum und der Förderung des Designernachwuchses fest, sagte Geschäftsführer Marcus Kurz dazu.
Das Schauenprogramm solle mit Veranstaltungen für die modeinteressierte Öffentlichkeit verbunden und auch Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Fashiontech einbezogen werden.
Keine Überschneidungen mit Paris
Während also in der Hauptstadt Ressourcen gebündelt, neue Netzwerke und Kooperationen geknüpft und Konzepte entwickelt werden, freute man sich am Main erst einmal darüber, künftig zum „neuen Hotspot der Fashion- und Lifestyleszene" zu werden. So formuliert es Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, der das Ganze als „einmalige und international wirtschaftliche Chance" sieht. Man schätze, dass Hotellerie, Gastronomie und Transportsektor durch die drei Messen und das dazugehörige Rahmenprogramm massiv angekurbelt würden. Insgesamt gehe man von indirekt mit der Fashion Week verbundenen Einnahmen in Höhe von 200 Millionen Euro aus.
Kein Wunder also, dass die Stadt Frankfurt den Ausrichtern der Modemessen zusagt, mit Investitionen für das passende Umfeld einer solch glamourösen Großveranstaltung zu sorgen. Zehn Millionen Euro, sagt Frankfurts Stadtkämmerer Uwe Becker, wollen die Stadt, die Messegesellschaft und das Land Hessen für die Fashion Week in den nächsten drei Jahren ausgeben. Vorstellbar seien beispielsweise ein Runway auf dem Eisernen Steg, eine Schau auf der Einkaufsmeile Zeil oder auch die Präsentation von Streetwear im Hafenpark, einem Skaterhotspot Frankfurts. Zudem sei man mit dem Flughafen ein international bestens erreichbares Drehkreuz.
Und nicht nur die Stadtspitze und Vertreter der Wirtschaft trauen dem oft als finanzstarke, aber doch langweilige Bankenstadt charakterisierten Frankfurt so einiges als Standort für die Fashion Week zu. So bezeichnete Designer Wolfgang Joop es als nachvollziehbar, dass die Modemesse gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise von Berlin nach Frankfurt zieht. Frankfurt habe etwas Pragmatisches, sagte Joop der Deutschen Presseagentur, sei da vielleicht mit der Business- und Bankenstadt Mailand vergleichbar, die ja aber auch ein wichtiger Fashionstandort sei. Mit Berlin habe man in all den Fashion-Week-Jahren vor allem die Partystimmung verknüpft. Das reiche aber jetzt nicht mehr aus, in einer Situation, in der so viele Menschen bedenken müssten, wie alles weitergehe, so Wolfgang Joop.
Ähnlich pragmatisch kommentierte auch Designerin Marina Hoermanseder die Nachricht vom Umzug der Modemessen nach Frankfurt. Die Österreicherin gründete 2013 ihr eigenes Modelabel in Berlin, ihre Korsetts, Oberteile und Röcke mit Fetisch-Touch aus oftmals verflochtenen Lederriemen werden unter anderen von Lady Gaga oder Rihanna getragen. Hoermanseder, die schon zahlreiche Modepreise gewonnen hat, ist mit ihrem Label nicht nur in Berlin sondern auch fest in Wien und Los Angeles vertreten. Und da, wie sie sagt, Flexibilität durchaus zur Modebranche gehöre, könne sie sich gut vorstellen, künftig auch am neuen Messsestandort Frankfurt präsent zu sein, „ohne der Hauptstadt zwangsläufig den Rücken zu kehren".
Streetwear-Show am Skater-Hotspot Hafenpark
Der Weggang der Premium Exhibitions, der Nachhaltigkeitsmesse Neonyt und der Händlermesse Seek wird allerdings nicht von allen in der Hauptstadt so gelassen gesehen. Zu groß sind die zu erwartenden Einnahmeverluste. Zum Vergleich: In den vergangenen 13 Jahren wurden in Berlin bei den Fashion Weeks über drei Milliarden Euro verdient – unter anderem in Hotels, Gastronomie und mit der Messe verknüpften Dienstleistungen. Rund 70.000 Besucher kamen zu den Ausgaben der Fashion Week – eine ganze Woche lang „brummte" dann die Stadt, waren angesagte Eventlocations für Präsentationen und Aftershow-Partys lange im Voraus ausgebucht, die Taxibranche machte Umsätze, von denen sie wochenlang zehren konnte.
Nun also muss sich Berlins Fashion Week – oder das, was davon nach dem Umzug der Messen noch übrig sein wird – wieder einmal neu erfinden. Bereits in den vergangenen Jahren war oft ein klares Profil zu vermissen. Sowohl bei der Auswahl der Labels für die offiziellen Runway-Shows als auch bei der sich ständig vergrößernden Zahl von Nebenschauplätzen, die sich mitunter gegenseitig die Aufmerksamkeit stahlen. Da könnte jetzt ein eindeutiges Bekenntnis zur Förderung des Designnachwuchses und der aufstrebenden Talente Berlin womöglich seine Nische im internationalen Modezirkus weiter sichern.