Die Krankenhauslandschaft im Saarland sortiert sich neu. Die Signale für Standorte sind teils beunruhigend, teils widersprüchlich. Es geht um Versorgungsauftrag, viel Geld und die richtigen Lehren aus den Pandemie-Erfahrungen.
Lebach, Ottweiler, Neunkirchen, Losheim, St. Wendel, Merzig. Die Ortsmarken durch das mittlere und nördliche Saarland zeichnen einschließlich Wadern den Zickzackkurs der aktuellen Debatten um die Zukunft der saarländischen Krankenhauslandschaft. Jeder Standort hat seine spezifische Debatte, und irgendwie hängt alles mit allem zusammen. Dabei hätte eigentlich alles bis Mitte des Jahrzehnts klar sein müssen. So lange läuft nämlich der aktuelle, vor zwei Jahren vorgestellte, Krankenhausplan.
Dass der in der bestehenden Form keinen Bestand haben wird, ist offensichtlich. Wenn Träger die Schließungen von Häusern ankündigen beziehungsweise erwägen und über Verlagerungen und Veränderungen nachdenken, ist dem Auftrag aus der Planung die Grundlage entzogen. Was aber die Träger tatsächlich planen, bleibt bislang in weiten Teilen im Unklaren. Das zuständige Gesundheitsministerium sah sich schon zu Jahresbeginn genötigt, die Träger Marienhaus GmbH und CTT mehrfach aufzufordern, sich zu den Plänen für die Standorte Lebach, Ottweiler und Losheim zu äußern. Schließlich sollten die bis 2025 eingeplanten Investitionsmittel von 308 Millionen Euro dort eingesetzt werden, „wo nachhaltig und in Zukunft medizinische Versorgung gesichert wird".
Diese „bedarfsgerechte, leistungsfähige, wirtschaftlich und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung" hatte Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) mit der Vorlage des Krankenhausplanes 2018 bis 2025 zugesichert. Spezialisierungen, Neuausrichtungen und Abbau von Doppelstrukturen waren erklärte Ziele. Zugleich sah der Plan, für viele überraschend, nach Jahren des Abbaus einen Zuwachs an Betten vor. Allerdings ahnten die Autoren schon damals, dass das nicht das letzte Wort für die acht Jahre bis 2025 sein würde. Es werde „Fortschreibungen" geben, „sei es, weil Kapazitäten angepasst oder bundesgesetzliche Vorgaben umgesetzt werden müssen", hieß es schon damals. Und da war die Pandemie noch lange nicht in Sicht.
Realität waren aber die – durchaus beabsichtigten – Folgen des DRG (Diagnosis Related Groups)-Systems, landläufig bekannt als Fallpauschale. Von Kritikern wird das als der entscheidende Punkt zur Kommerzialisierung des Krankenhauswesens gesehen, verbunden mit dem Druck zur Zentralisierung in großen und spezialisierten Einheiten.
Realität war aber auch, dass sich zugleich ein enormer Investitionsstau aufbaute. Für Investitionen sind die Länder zuständig, die in der jüngsten Vergangenheit unter dem Zwang der Schuldenbremse standen, was sich auch bei den Etats für Krankenhausinvestitionen niederschlug. Im Saarland, das als Haushaltsnotlageland unter besonderem Druck stand, wirkte sich das besonders dramatisch aus. Der angehäufte Investitionsrückstand wird auf einige Hundert Millionen – die Rede war von etwa 400 Millionen – geschätzt.
Gleichzeitig kündeten in schöner Regelmäßigkeit Studien von einer „Überversorgung" mit Krankenhausbetten im Saarland. Das Land sollte sich aber daran messen lassen, sich in seiner Finanzsituation keine höheren Standards zu leisten als andernorts.
Versorgung, Standorte, Strukturen, Investitionen
Der wachsende Druck im System war durchaus beabsichtigt. Kritiker und Initiativen an den von Schließung betroffenen oder bedrohten Standorten, die mit Versorgungsauftrag auch in der Fläche argumentierten, schienen auf verlorenem Posten. Ihr Verständnis vom Versorgungsauftrag, der gesetzlich festgeschrieben ist, ist ein anderer als dort, wo rein ökonomische Bedingungen als Maßstab angelegt werden.
Die Herausforderungen der Pandemie haben genau diese Punkte überdeutlich zutage gefördert. Krankenhausträger sahen sich vor drohender Insolvenz, weil sie viel von dem einstellen mussten, womit sie ihr Geld verdienen. Nicht zwingende Operationen wurden ausgesetzt, damit Kapazitäten für die schlimmsten anzunehmenden Pandemieverläufe bereitstanden. Keine OPs – keine Fallpauschal-Einnahmen. Der Bund spannte einen Rettungsschirm, bezahlte für die frei gehaltenen Betten. Die Diskussion über die Lehren aus diesen Erfahrungen steht erst am Anfang, wenn sie denn wirklich grundlegend geführt werden sollte.
Vor diesen Hintergründen steht die saarländische Krankenhauslandschaft in einer unübersichtlichen Situation, die im Ergebnis eine Neusortierung zur Folge haben wird. Darüber wird derzeit intensiv verhandelt, und natürlich geht es dabei um Geld. Und zwar vermutlich mehr Geld als die mit dem infolge der Pandemie im Zukunftspaket Saarland jetzt schon eingeplanten zusätzlichen Millionen Euro, „um den Investitionsstau bis zum Jahr 2025 zu beseitigen". Das Land will selbst 125 Millionen für die nächsten drei Jahre vorsehen, zusätzlich kommen aus dem Konjunkturprogramm des Bundes 36 Millionen. Insgesamt sollen dann 347,5 Millionen bis 2025 zur Verfügung stehen. „Ein guter Tag für die saarländische Krankenhauslandschaft und ein entscheidender Schritt für unsere Zukunft", befand Ministerin Bachmann am 10. Juni.
Damit wäre zwar der finanzielle Rahmen durch die Politik abgesteckt. Was offen ist, sind jedoch die Pläne der Träger. Das gilt für Ottweiler und Lebach, aber auch Losheim, St. Wendel und möglicherweise Merzig. Standorte, die von möglichen Plänen einer Nordsaarlandklinik, für die Konzeptideen vorliegen, betroffen wären. Für Neunkirchen zeichnet sich zuletzt eine Verkleinerung des Diakonie-Klinikums womöglich mit neuem Standort ab. Ziel sei es, bis September oder Oktober Klarheit zu haben, heißt es aus dem Ministerium. Interviews zum aktuellen Stand zu bekommen, erweist sich als schwieriges Unterfangen. Einige Träger sind bereits in der Vergangenheit nicht durch ausgeprägte Auskunftsfreude aufgefallen, andere wollen sich während laufender Gespräche mit öffentlichen Kommentaren eher zurückhalten. Das Ministerium sieht das ähnlich, gibt aber immerhin ein aktuelles Update.
Womit der Zwiespalt bleibt zwischen dem dringenden öffentlichen Interesse, endlich zu erfahren, wie es denn nun weitergeht, und einem gewissen Verständnis dafür, Gespräche dieser Art nicht durch öffentliche Zwischenstandsmeldungen zu belasten.
Die Corona-Erfahrungen haben deutlich gemacht, dass es im Krankenhausbereich um weit mehr geht und gehen muss als um Standortfragen. Dazu hat die Gewerkschaft Verdi einen eigenen Vorschlag für eine neue Struktur der saarländischen Krankenhauslandschaft in die Diskussion gebracht. Für die grundsätzlicheren Fragen sei ein Wort des bekannten Moderators von Wissenschaftssendungen, dem philosophierenden Astrophysiker Harald Lesch, zitiert: „Ich möchte lieber von Medizinern behandelt werden, die mich noch als Mensch sehen, und nicht als Biomasse mit ein bisschen Wasser oder Kohlestoffeinheiten." Die „Helden" der Corona-Zeit im Gesundheitswesen würden das sicher unterstreichen.