Vor 75 Jahren wurden die Vereinten Nationen gegründet. Am 26. Juni 1945 unterzeichneten die Vertreter von mehr als 50 Staaten in San Francisco die UN-Charta und beschlossen damit eine neue Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute gehören der Organisation 193 Staaten an.
Zu Beginn der entscheidenden Sitzung machte Lord Halifax noch einmal deutlich, worum es ging. „Die Angelegenheit, über die wir heute abstimmen", so der Leiter der britischen Delegation, „ist die wichtigste, über die wir in unserem ganzen Leben jemals abstimmen werden." Am 25. Juni 1945 versammelten sich die Vertreter von mehr als 50 Staaten in der Oper von San Francisco, um gemeinsam eine neue Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg zu beschließen. Seit zwei Monaten berieten sie auf der Konferenz von San Francisco über die Charta der Vereinten Nationen (UN), den Gründungsvertrag und damit quasi die Verfassung der neuen Weltorganisation, dessen Inhalt ganz wesentlich von Immanuel Kants Schrift „Zum ewigen Frieden" inspiriert war.
An diesem vorletzten Tag kamen sie nun ein letztes Mal zusammen, um den Charta-Entwurf zu verabschieden. Er wurde einstimmig angenommen. Tags darauf, am 26. Juni 1945, unterzeichneten die Delegierten das Dokument. Dieser Tag gilt als Gründungsdatum der Vereinten Nationen, wenngleich die Charta erst am 24. Oktober 1945 in Kraft trat, nachdem sie von den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates (Frankreich, Sowjetunion/Russland, China, Großbritannien, USA) sowie von der Mehrheit der anderen Unterzeichner ratifiziert worden war.
„Die Charta der Vereinten Nationen, die Sie soeben unterzeichnet haben, ist eine solide Grundlage, auf der wir eine bessere Welt errichten können", erklärte US-Präsident Harry S. Truman in seiner Abschlussrede. „Die Geschichte wird Sie dafür ehren. Zwischen dem Sieg in Europa und dem letzten Sieg in diesem zerstörerischsten aller Kriege haben Sie einen Sieg gegen den Krieg selbst erzielt. Mit dieser Charta kann die Welt einer Zeit entgegenblicken, in der es allen würdigen Menschen offensteht, ein anständiges Leben als freie Menschen zu führen."
Die Initiative dafür war von Trumans Vorgänger im Weißen Haus ausgegangen: Franklin D. Roosevelt. Noch während der Hochphase des Zweiten Weltkriegs hatte er ab 1941 einen zweiten Versuch gestartet, eine internationale Organisation zur Sicherung des Friedens zu schaffen, nachdem der Völkerbund spätestens mit Ausbruch des Krieges krachend gescheitert war. Roosevelt starb jedoch am 12. April 1945 und erlebte weder das Kriegsende noch die Umsetzung seiner Idee.
Wurzeln liegen im früheren Völkerbund
Gemäß ihrer Charta sind die wichtigsten Aufgaben der Vereinten Nationen die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Die Skulptur vor dem UN-Gebäude in New York versinnbildlicht diese Ideale – sie zeigt einen Revolver mit zugeknotetem Lauf. Des Weiteren unterstützt die UN Staaten in Not im wirtschaftlichen, sozialen, humanitären und ökologischen Bereich. 1948 wurde die Charta um die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ergänzt, in der sich erstmals alle Staaten gemeinsam auf grundlegende Rechte verständigten, die für jeden Menschen gleichermaßen gelten. Sie gilt als Meilenstein in der Geschichte der Menschenrechte.
Ihre Wurzeln haben die Vereinten Nationen im Völkerbund. Dieser war nach dem Ersten Weltkrieg ebenfalls eine amerikanische Idee vom damaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson, verfügte aber zu keiner Zeit über genügend Einfluss – weil ausgerechnet die USA später den Beitritt ablehnten und weil darüber hinaus weitere namhafte Staaten ebenfalls fehlten.
Auch deshalb schwor der amerikanische Außenminister Edward Stettinius die anderen Delegierten auf der Konferenz von San Francisco noch einmal ein: „Wir erinnern daran, dass Hitlerdeutschland nur deshalb besiegt werden konnte, weil die Vereinten Nationen ihre Kräfte gebündelt haben. Und ein dauerhafter Friede wird nur dann möglich sein, wenn sie ihre Kräfte vereinen. Die Weltorganisation, deren Charta wir hier zu schreiben uns versammelt haben, muss gegründet werden."
Mächtigstes Organ ist der Sicherheitsrat
Die Vorarbeit dazu war bereits an anderer Stelle geleistet worden. Schon 1941 hatten die USA und Großbritannien die Atlantik-Charta verabschiedet. Nachdem sich auch die Sowjetunion und die Republik China zur neuen Friedensordnung bekannten, kam es 1943 zur Moskauer Deklaration der vier Mächte sowie im Jahr darauf zur Konferenz von Dumbarton Oaks, auf der bereits ein erster Entwurf für die Charta der Vereinten Nationen erarbeitet wurde und man sich zu Zielen, Struktur und Funktionsweise der neuen Weltorganisation verständigte. Nachdem auch Frankreich in den Kreis der hauptverantwortlichen Mächte aufgerückt war, wurde die Charta auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 schon weitgehend ausgearbeitet.
Die Konferenz von San Francisco bildete gewissermaßen das große Finale in diesem Gründungsprozess. 850 Delegierte, deren Berater und Mitarbeiter sowie das Sekretariat der Konferenz ergaben insgesamt rund 3.500 Personen; hinzu kamen weitere 2.500 Journalisten von Presse, Radio und Wochenschauen sowie die Beobachter zahlreicher Gesellschaften und Organisationen. „Alles in allem war die Konferenz von San Francisco nicht nur eine der bedeutendsten in der Geschichte, sondern vielleicht auch die größte internationale Versammlung, die bis dahin stattgefunden hat", heißt es dazu auf der Seite des UNO-Informationszentrums Wien.
Die meiste Arbeit wurde in den verschiedenen Ausschüssen erledigt. Trotz der grundsätzlichen Einigung waren noch einige strittige Punkte zu klären – etwa das Vetorecht der „Großen Fünf" im Sicherheitsrat, die Kompetenzen des Internationalen Gerichtshofs, das Recht zur Novellierung von Verträgen zwischen Mitgliedern oder auch die Frage, inwieweit bestehende regionale Organisationen wie die Arabische Liga mit der Weltorganisation abgestimmt werden. „Diese und andere Kernfragen konnten nur deshalb geklärt werden, weil jeder Staat entschlossen war, wenn schon nicht die perfekte internationale Organisation, so doch zumindest die bestmögliche zu errichten", heißt es beim UNO-Informationszentrum Wien. Oder wie es der spätere UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld im Jahr 1954 ausdrückte: „Die Vereinten Nationen wurden nicht geschaffen, um die Menschheit in den Himmel zu bringen, sondern sie vor der Hölle zu bewahren".
Jüngstes Mitglied ist seit dem Jahr 2011 der Südsudan
Hauptsitz der UNO ist seit 1949 New York, nachdem man anfangs noch in London tagte. Auch andere Städte waren im Gespräch: Boston, Philadelphia und San Francisco sowie Tanger in Marokko. Erster kommissarischer Generalsekretär wurde der Brite Gladwyn Jebb, bevor am 1. Februar 1946 der Norweger Trygve Lie als erster gewählter Generalsekretär die Geschäfte übernahm. Der Generalsekretär sitzt dem UN-Sekretariat vor, dem Verwaltungsorgan und einem der sechs Hauptorgane. Dazu zählen neben dem Internationalen Gerichtshof mit Sitz in Den Haag, dem Wirtschafts- und Sozialrat sowie dem aktuell nicht aktiven Treuhandrat insbesondere die Vollversammlung als zentralem Ort für Debatten über weltpolitische Fragen sowie der Sicherheitsrat – das mächtigste Organ, das als einziges verbindliche UN-Resolutionen erlassen kann. Wegen des Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder ist der Sicherheitsrat gleichzeitig in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt und konnte sich beispielsweise bei den Kriegen in Syrien oder der Ukraine auf keine gemeinsame Resolution verständigen. Alle Rufe nach einer Reform des Gremiums blieben bislang ungehört.
Daneben existieren aktuell 21 Nebenorgane wie das Kinderhilfswerk (Unicef) oder das Welternährungsprogramm (WFP) sowie 17 Sonderorganisationen, die zwar rechtlich, organisatorisch und finanziell selbstständig, aber über einen Vertrag mit der UNO verbunden sind – Beispiele sind die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Internationale Währungsfonds (IWF). Auch in Bonn befinden sich mehrere Einrichtungen der Vereinten Nationen mit etwa 1.000 Mitarbeitern. Deutschland trat 1973 der UNO bei, der heute insgesamt 193 Staaten angehören. Das jüngste Mitglied ist seit 2011 der Südsudan. Lediglich der Vatikanstaat sowie einige wenige Staaten, die nur von einer Minderheit der UN-Staaten anerkannt werden – Taiwan, der Kosovo und die Türkische Republik Nordzypern –, sind aktuell keine Mitglieder der Organisation.