Der 1. FC Kaiserslautern hat die Reißleine gezogen und einen Insolvenzantrag gestellt. Die Fans träumen von besseren Zeiten, doch die Risiken sind groß.
Ungünstiger kann ein Jubiläum kaum sein. Fritz Walter wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden, und der 1. FC Kaiserslautern feierte gerade erst sein 120-jähriges Bestehen. Doch Champagner fließt keiner.
Operatives Geschäft läuft normal weiter
Immerhin: In Abstiegsgefahr in der Dritten Liga schweben die Roten Teufel nicht mehr. Und da der DFB aufgrund der Corona-Pandemie davon absieht, „Lizenzsündern“ neun Punkte abzuziehen, hat sich der Verein dazu entschlossen, einen Insolvenzantrag zu stellen. „Unser operatives Geschäft sowie den Spielbetrieb führen wir fort. Unsere Fans, Anhänger, Freunde und Förderer bitten wir darum, den FCK mit kühlem Kopf und heißem Herzen zu unterstützen. Wir sind sanierungsfähig und ganz sicher sanierungswürdig.“ Den 1. FC Kaiserslautern sollen mittlerweile Schulden in Höhe von rund 24 Millionen Euro plagen, der Verein dürfte etwa 15 Millionen Euro für die Erteilung der Lizenz für die kommende Saison benötigen. „Ziel des Verfahrens ist es, zügig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen“, sagte Voigt. Man wolle die Chance nutzen, „die Eigenkapitalbasis mit Investoren für einen grundlegenden wirtschaftlichen Neustart zu stärken“. Gemeinsam mit Generalbevollmächtigtem Eichelbaum will der Geschäftsführer in den kommenden Wochen Gespräche mit interessierten Investoren führen. Denn wie der „Kicker“ bereits berichtete, machen potenzielle Geldgeber den Schuldenschnitt, also eine stabile wirtschaftliche Basis, zur Bedingung für ihr Investment. „Die Hoffnung, dass wir das benötigte Eigenkapital einsammeln, ist nicht unbegründet. Das Investoren-Interesse an der Marke FCK war und ist enorm“, fuhr Voigt fort und erklärte, dass in den vergangenen Wochen zwei neue Offerten möglicher Geldgeber eingegangen seien.
Bereits in der vergangenen Woche trat erstmals der Gläubigerausschuss für Verhandlungen rund um den Schuldenschnitt zusammen. Bis zum 31. August läuft zunächst das vorläufige Insolvenzverfahren. In diesem Zeitraum ist die Kapitalgesellschaft von Steuerzahlungen befreit, die Gehälter werden von der Agentur für Arbeit übernommen. Allerdings nur bis zu einem bestimmten Sockelbetrag. Für den Kader, in dem ein Großteil nach Aussage von Branchenkennern deutlich sechsstellige Jahresgehälter kassiert, ein harter Brocken. Mit der anschließenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss sich der Club wirtschaftlich wieder selbst tragen. „Plan A war definitiv, es ohne Insolvenzverfahren zu bewältigen. Jetzt ist es aber tatsächlich die einzige Möglichkeit. Es ist die absolut letzte Patrone, die niemand wollte, denn die Gläubiger werden Geld verlieren. Doch das ist in letzter Konsequenz nicht zu vermeiden“, erklärte Insolvenzexperte Eichelbaum. Und dieser Punkt ist heikel. Zwar könnte ein schuldenfreier FCK für Investoren wieder interessant sein, aber die Tatsache, dass die Hauptgläubiger Quattrex und Lagardere mächtige Finanziers der Fußballbranche sind, dürften den Ruf des FCK nicht unbedingt verbessern. Ohne haben die Pfälzer trotz einer jahrzehntelangen Finanzkrise nicht unbedingt den Willen an den Tag gelegt, bescheiden zu wirtschaften. Der Kader ist auch für Drittligaverhältnisse äußerst kostspielig, für Durchschnittsspieler wurden zudem Ablösesummen in beträchtlicher Höhe ausgegeben.
Zudem ist das Verhältnis zur Stadt mittlerweile äußerst frostig. Nach der Ankündigung, dass der 1. FC Kaiserslautern einen Insolvenzantrag stellt, forderte Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) im SWR vom Verein umgehend „umfassende Transparenz“.
Oberbürgermeister kündigt Mitgliedschaft
Nachdem bereits im März die Stadionpacht für den FCK deutlich reduziert wurde, lehnt Weichel weitere finanzielle Zugeständnisse der Stadt an den Verein ab – auch aufgrund der eigenen schwierigen Haushaltssituation. Das Konzept der stadteigenen Stadiongesellschaft sieht Weichel inzwischen kritisch: „Es ist nicht Kernaufgabe einer Stadt, ein Stadion zu halten und an einen Profisportverein zu vermieten.“ Deshalb würde er das Fritz-Walter-Stadion gerne verkaufen, wenn sich die Gelegenheit biete. „Selbstverständlich sind wir nicht gänzlich unvorbereitet auf dieses Szenario und seit einiger Zeit in Kontakt mit Insolvenzexperten.“ Die Stadt sei aber wie alle anderen Beteiligten vom weiteren Ablauf des Verfahrens abhängig. Die städtische Stadiongesellschaft stehe kurz vor Unterzeichnung des neuen Pacht- und Betreibervertrages, der für die nächsten beiden Spielzeiten eine reduzierte Pacht von jährlich 625.000 Euro vorsehe, meinte Weichel. „Das vorliegende Vertragswerk wird auch eine Regelung für eine mögliche Insolvenz enthalten. In diesem Fall machen die Stadiongesellschaft beziehungsweise die Stadt die volle Stadionpacht von 3,2 Millionen Euro geltend.“
Der Unterhalt des WM-Stadions von 2006 ist teuer, dieser Punkt wird auch durch das Insolvenzverfahren nicht gelöst. „Das ist eine Ausgangsituation, die die Verhandlungen endgültig ergeben werden. Das ist natürlich ein langer Prozess“, räumte Vereinschef Markus Merk ein. „Aber eines ist auch Fakt: Es ist nicht so, dass hier anschließend das Schlaraffenland vorherrscht.“ Der Luxemburger Investor Flavio Becca hatte Interesse an dem Gelände gezeigt. Auch er gehört neben Quattrex und Lagardere zu den Hauptgläubigern.
Die haben nun erst einmal drei Monate Zeit, um sich mit den Pfälzern doch noch auf einen Schuldenschnitt zu einigen. Erst dann entscheidet das Gericht darüber, ob aus dem Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ein tatsächliches Verfahren wird. Auch Anhänger, die in den vergangenen Jahren mit Fan-Anleihen den Club unterstützten, zählen zu den Gläubigern. Dieses Geld ist wohl weg. „Wir wollen uns fair diesen gegenüber verhalten, die auch über die Jahre da waren, wenn es dem Verein schlecht ging und ihn somit subventioniert haben. Natürlich ist das für den Fan besonders bitter“, sagte Merk.