In jeder Sommersaison laufen Kleider in strahlendem Weiß dem kleinen Schwarzen scheinbar den Rang ab. Zumindest fast. Aktuell haben die Designer wieder pfiffige Lösungen für Kleider in der Nichtfarbe entworfen.
Als Dolce & Gabbana zu ihrem 25-jährigen Markenjubiläum für die Sommersaison 2011 eine Kollektion in Komplett-Weiß präsentiert hatten, galt das in der Fashion-Branche als ziemliche Sensation. Vor allem waren auf ihrem Laufsteg Kleider und Röcke in der Nichtfarbe zu sehen gewesen, aber auch Tops, Blusen und Jacken aus Leinen, Batist oder Chiffon, teils von Hand bestickt. Das italienische Designer-Duo konnte damit endgültig das Vorurteil aus der Mode-Welt verbannen, dass weiße Roben eigentlich nur für Bräute an ihrem schönsten Tag das perfekte Outfit sein können. Mit Bridal-Fashion hatten ihre Entwürfe nichts mehr zu tun. Das gilt auch für die schier unüberschaubare Vielzahl an in frischem Weiß erstrahlenden Röcken und Kleidern dieser Sommersaison. Das Little White Dress löst inzwischen regelmäßig Chanels kleines Schwarzes als perfekte Standard-Alternative für die warme Jahreszeit ab und ist zu einer alltags – wie businesstauglichen Uniform für Frauen mit sicherem Modegeschmack geworden.
Das Weiße teilt sich mit dem Little Black Dress die wesentlichen Merkmale wie schlichter Minimalismus oder feminine Romantik, strahlt obendrein noch sommerliche Leichtigkeit aus und weckt bei uns Assoziationen von Strand und Meer. Nicht zuletzt kann die Farbe der Unschuld auch noch etwas den mädchenhaften Charme ihrer Trägerin bestens herauskitzeln und den von der Sonne geküssten Teint vorteilhaft zur Geltung bringen. Selbst auf den roten Glamour-Teppichen ist der Allover-White-Look dank Promis wie Emma Stone oder Tilda Swinton längst salonfähig geworden. Begrifflich wird es beim Little White Dress nicht so genau genommen, weil darunter meist nicht nur Kleider, sondern auch Röcke subsumiert werden und weil auch Längen außerhalb der Mini-Vorgabe berücksichtigt werden. So hat die deutsche „Vogue" jüngst als Paradebeispiel für ein weißes Sommerkleid einen Maxidress mit weiten Ärmeln und leicht gerüschtem Saum aus der aktuellen Etro-Sommerkollektion vorgestellt, das keine Geringere als Ex-Supermodel Claudia Schiffer zur Schau gestellt hatte und das als ein 2020er-Update der beliebten Prairie-Dresses deklariert wurde.
Auch weiße Röcke in unterschiedlichen Längen sind angesagt
Weiße Kleider tauchten übrigens erst schlagartig nach der Französischen Revolution in der Mode auf. Und zwar im Zuge der weltweiten, vor allem durch den Archäologen Johann Joachim Winckelmann ausgelösten Begeisterung für den Klassizismus, der nichts anderes war als die Rückbesinnung auf antike Vorbilder. Die höfische Damenwelt, die bis dahin unter Korsett, Reifrock oder Hüftkissen zu leiden hatte, konnte ihren Körper befreien, indem sie sich modisch à la grecque zu kleiden pflegte. In Nachahmung griechischer Göttinnen und deren marmorweißen Statuen wurde in der relativ kurzen Zeit des Directoire und des Empire ein schlichtes, bodenlanges, weißes Kleid im Tunika-Schnitt frei von jeglicher Taillierung en vogue, das über ein weit ausgeschnittenes Dekolleté verfügte und unter der Brust meist mit einem Band oder einem Gürtel zusammengefasst war. Es sollte unter dem Namen Chemisenkleid aus zartem, dünn-transparentem Musselin oder Batist in die Modegeschichte eingehen.
Das Kleid ist noch immer die allerbeste Variante des Komplett-Weiß-Looks geblieben, ganz egal ob es aus Baumwolle, Leinen, Seidenchiffon, Musselin, japanischem Satin oder Organza ist. Es kann ganz schlicht geschnitten sein mit wenig oder keinerlei schmückendem Zierwerk oder auch Details wie Spitze, Volants, Schleifen, Macramé-Verspieltheit, Bling Bling (bei J. W. Anderson) oder Blumendekor (bei Cecilia Bahnsen) aufweisen. In der Maxi-Variante haben Marken wie Miu Miu (in Babydoll-Silhouette), Alexander McQueen (mit übergroßen Schultern), Simone Rocha und Erdem (beide in viktorianisch angehauchten Umsetzungen) entsprechende Modelle in ihrer aktuellen Sommerkollektion. Auch Altuzarra, Céline, Dior, Bottega Veneta oder Valentino. Weiße Mini-Kleider gibt es beispielsweise bei Isabel Marant, Zimmermann oder Loewe, sehr preisgünstig auch von Zara, Mango, Asos oder Topshop.
Der Komplett-Weiß-Look ist mit einem Kleid schnell gezaubert
Noch einige Styling-Tipps: Unbedingt „Buxenblitzer" vermeiden, sprich keinesfalls dunkle oder auch weiße Slips (oder BHs in diesen Farben) unter weißen Kleidern tragen, sondern hautfarbene, möglichst nahtlose Unterwäsche darunterziehen. Beim Hochzeitbesuch natürlich der Braut das alleinige Weiß-Recht überlassen. Ansonsten ist fast alles erlaubt, vor allem auch Stilbrüche durch Kombis mit Sneakers, Biker-Boots, Westernstiefeln, Denim-Blazern oder Lederjacken. Ideale Accessoire-Ergänzungen sind Basttaschen, Sonnenhüte, elegante High Heels oder flache Sandalen. Bei den Farben gilt es darauf zu achten, dass mit Weiß am besten Accessoires in Erdtönen wie Cognac, Braun oder Beige harmonieren. Eyecatcher sind natürlich erlaubt, beispielweise knallrote Lippen, farbige Gürtel, gold-glitzernder Schmuck oder funkelnde Haarbänder. Wallende Kleider in Weiß kommen toll im Hippie-Look rüber, Off-Shoulder-Dresses machen vor allem mit Volants eine tolle Figur.
Apropos Figur: Weiß verzeiht nicht, sprich zu eng anliegende Teile geben gnadenlos jedes Röllchen preis. Daher das Kleid auf den Figurtyp optimal abstimmen, ein kleines Bäuchlein oder runde Hüften am besten mit einem locker fließenden Tunika-Kleid oder einem entsprechenden A-Linien-Dress kaschieren. Und grundsätzlich ist zu überlegen, ob gebrochene Weißtöne wie Off-White oder auch das derzeit trendige Elfenbein vielleicht sogar eine bessere Wahl sein können als das klassische Persilweiß.