Die beiden Europacups standen lange auf der Kippe. Nun werden sie im August mit Finalturnieren entschieden. Dabei gilt in der Champions League ein deutsches Team als Favorit, in der Europa League könnte ein Bundesligist ein Finale vor der Haustür bestreiten.
Es war schon ein unheimlicher Kraftakt, die nationalen Ligen wiederzubeleben. Deutschland war vorangegangen und hat die Saison tatsächlich zu Ende gebracht. Viele andere Ligen wie Spanien, England oder Italien folgten mit Verspätung. Andere wie Belgien, Frankreich oder Holland hatten die Saison da schon abgebrochen.
Unvorstellbar schien deshalb lange, wie man die Europacup-Wettbewerbe fortsetzen wollte. Zum einen waren eben die Voraussetzungen in den Ligen viel zu unterschiedlich – der Fitness-Zustand, die Belastung und vieles mehr. Zum zweiten gab es in den unterschiedlichen Ländern noch eine unterschiedliche Infektionsrate. Und deshalb schien vor allem das Bereisen vieler anderer Länder utopisch. Ein komplettes Team per Flugzeug in ein anderes Land zu fliegen, damit es nach den Vorgaben des eigenen Landes danach komplett für zwei Wochen in Quarantäne müsste? Für ein Spiel? Nein.
Manch einer hatte die Europa League und die Champions League deshalb schon abgehakt – was eben besonders bitter gewesen wäre für die Teams, die sich in einer guten Titelposition sahen. Wie der FC Bayern in der Champions League. Vielleicht sogar RB Leipzig. Oder auch Bayer Leverkusen in der Europa League. Klar war aber schnell: Wenn die Europacup-Wettbewerbe fortgeführt werden sollen, dann wird das nur in Turnierform an einem Ort möglich sein. Und wohl auch nicht mehr in dieser Saison. Also arbeitete die Uefa mit den nationalen Verbänden an dem, wonach seit Beginn der Corona-Krise so viele nicht nur im Fußball und Sport suchen: die beste von vielen schlechten Lösungen.
Beim Europacup kam hinzu, dass es viele Thesen gab, wonach eben dieser an der Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 in Europa durchaus eine Mitschuld habe. So gab es vor allem die Vermutung, dass das Spiel gegen Valencia an der massiven Verbreitung des Virus in der Region Bergamo schuld war. Von einer „biologischen Bombe" und vom „Spiel null" war die Rede. Der Immunologe Francesco Le Foche von der Uniklinik in Rom sprach von einem „Megafon für die Verbreitung der Coronavirus-Infektion in der Provinz Bergamo. Die Explosion der Ansteckungen kam 14 Tage nach dem Spiel." Bei Valencia waren später angeblich 35 Prozent der Mitarbeiter infiziert, darunter mindestens fünf Spieler.
Die beste von vielen schlechten Lösungen
Ähnliche Vermutungen gab es nach dem Spiel zwischen dem FC Liverpool und Atlético Madrid am 11. März. 3.000 Spanier waren in Anfield dabei, obwohl tags zuvor schon entschieden worden war, dass keine Zuschauer mehr bei Fußballspielen in Spanien erlaubt sind. Die „Sunday Times" schrieb später, in einem Zeitraum von rund einem Monat nach dem letzten großen Fußballspiel in England vor dem Lockdown seien in Krankenhäusern in der Umgebung von Liverpool 41 Tote mehr gezählt worden als im selben Zeitraum in ähnlichen Kliniken.
Die Zusammenhänge sind alle nicht belegt und wohl auch künftig nicht nachweisbar. Aber solche Risiken will man nach den Erfahrungen seit März sicher nicht mehr eingehen. Und so vergab der Europäische Verband die Endrunde der Königsklasse nach Lissabon und das Finalturnier der Europa League nach Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf, Duisburg, Gelsenkirchen und Köln werden die Spielorte sein, Köln am 21. August auch der Finalort. Die noch ausstehenden Achtelfinal-Rückspiele sollen zuvor ausgetragen werden, die acht Finalisten werden gemeinsam in einem Hotel untergebracht, und möglicherweise wird sich die Uefa dann am deutschen Konzept der DFL orientieren. Die Spieler werden in einer Quasi-Quarantäne sein, nur zu den Trainingseinheiten und Spielen fahren.
In der Champions League steht RB Leipzig bereits als einer der vier Viertelfinalisten fest. Hinzu kommen sicher bereits Paris Saint-Germain mit Trainer Thomas Tuchel und den Nationalspielern Julian Draxler und Thilo Kehrer, Atalanta Bergamo mit Robin Gosens und Atlético Madrid. Der FC Bayern hat nach dem 3:0-Sieg beim FC Chelsea beste Chancen, auch Manchester City mit Trainer Pep Guardiola und Ilkay Gündogan nach dem 2:1-Sieg bei Real Madrid mit Toni Kroos. Der FC Barcelona mit Marc-André ter Stegen scheint nach dem 1:1 beim SSC Neapel mit Amin Younes im Rückspiel daheim favorisiert. Juventus Turin um Superstar Cristiano Ronaldo muss nach der 0:1-Niederlage bei Olympique Lyon kämpfen. Schon vor den Rückspielen am 7. und 8. August – deren Austragungsorte noch nicht bekannt sind – werden am 10. Juli die Viertelfinals ausgelost. Die werden dann in je einem Spiel statt in Hin- und Rückspiel ausgetragen. Ebenso die Halbfinals. Das Endspiel soll am 23. August in Lissabon stattfinden Der Finalort steht aufgrund der neusten Corona-Entwicklungen in Portugal aber noch auf der Kippe.
Finalort Lissabon steht noch auf der Kippe
Nationalspieler Timo Werner, der von Leipzig nach Chelsea wechselt, hat angekündigt, wegen der Eingewöhnung in neuer Umgebung nicht mehr für Leipzig zu spielen. Für Chelsea gegen die Bayern darf er aber auch noch nicht spielen. Die Vereine müssen untereinander klären, ob nach dem 30. Juni wechselnde Spieler noch für ihr ehemaliges Team spielen dürfen. Neuzugänge dürfen auf jeden Fall noch nicht ran, weil die drei Spieler, die alle Vereine zur bisherigen Kaderliste hinzufügen können, alle schon in dieser Saison für den betreffenden Club gespielt haben müssen. Philippe Coutinho wird wohl noch für die Bayern auflaufen, die Münchner haben sich wohl mit Barcelona auf eine Verlängerung des Leihgeschäfts bis August geeinigt.
Sollten Leipzig oder die Bayern das Endspiel erreichen, müssen sie wahrscheinlich verspätet in die neue Bundesliga-Saison einsteigen. Die soll Stand jetzt nämlich am 11. September beginnen. Und die Uefa gewährt sämtlichen Teams nach dem Ausscheiden aus dem Wettbewerb je zwei Wochen und einen Tag Urlaub sowie zwei weitere Wochen Vorbereitungszeit. Ein Montagsspiel am 2. Spieltag am 21. September wäre also dann der frühstmögliche Einstieg.
Und sportlich? Da sind die Bayern laut des Wettanbieters „bwin" mit einer Quote von 3,75:1 nach ihrer beeindruckenden Rückrunde tatsächlich aktuell der Favorit. Es folgt mit knappem Abstand Manchester City (4,0) vor Barcelona (6,5) und PSG (8). Leipzig folgt gemeinsam mit Juve und Atlético mit einer Quote von 13:1 auf Rang fünf der Setzliste. Die Münchner geben sich auch entsprechend optimistisch. „Die Mannschaft ist so gut in Schuss, dass sie in der Lage ist, jeden Titel zu gewinnen", sagte Präsident Herbert Hainer. „Man braucht immer das Quäntchen Glück, ansonsten bringt sie alles dazu mit." Und auch Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann ist mutig. „Erst einmal sind wir froh, dass weitergespielt wird und wir den Lohn bekommen, mindestens das Viertelfinale spielen zu dürfen", sagte er. „Und dann wollen wir schauen, dass wir noch eine oder vielleicht auch zwei Runden weiterkommen."
Bundesliga-Start Stand jetzt am 11. September
In der Europa League steht noch kein Viertelfinalist fest. Bisher wurden nur Achtelfinal-Hinspiele ausgetragen, und da auch nicht alle. Inter Mailand und Getafe sowie der FC Sevilla und AS Rom standen sich noch gar nicht gegenüber. Sie sollen den Viertelfinalisten am 5. oder 6. August in einem Spiel ermitteln. Auch die sechs Rückspiele sollen zu diesem Datum steigen. Fast sicher weiter ist Manchester United nach dem 5:0-Sieg in Linz, auch Bayer Leverkusen hat nach dem 3:1-Sieg bei den Glasgow Rangers allerbeste Chancen. Bei „bwin" sind die beiden auch die Favoriten auf den Titel. United steht bei einer Quote von 4:1, Leverkusen bei 5,5:1. Für Eintracht Frankfurt ist das Viertelfinale nach einer 0:3-Heimniederlage im ersten Spiel gegen den FC Basel kaum noch zu erreichen. Auch der VfL Wolfsburg müsste gegen Schachtjor Donezk die 1:2-Heimniederlage wettmachen. Die Niedersachsen haben deshalb eine Quote von 41:1, die Eintracht gar von 101:1.
Für Leverkusen hätte das Finale natürlich den besonderen Reiz, dass es vor der Haustür in Köln steigt. Das Kölner Stadion liegt nur 14,66 Kilometer Luftlinie vom Leverkusener entfernt. Selbst die beiden Berliner Arenen von Hertha und Union sind mit 23,09 Kilometern weiter voneinander entfernt.