Im Wahlkampf setzt Donald Trump auf Ressentiments und Ausgrenzung
Krieg. Sieg. Die Bekämpfung des Gegners. Im Kosmos von Donald Trump gibt es keinen Ruhepunkt. Der US-Präsident lebt in einer permanenten Wahl-Kampagne. Sein Denk-Modus hat Ähnlichkeiten mit der religiösen Weltsicht des Mittelalters. In den Augen von Trump kämpfen die von ihm angeführten Kräfte des Lichts gegen die Kräfte der Finsternis.
Die Liste der Feinde ist lang. China befindet sich ebenso darauf wie der Iran, die oppositionellen Demokraten, sein Konkurrent Joe Biden oder die „Fake News"-Medien. Und neuerdings sogar die Bürger, die ihm gegenüber kritisch eingestellt sind. Selbst am amerikanischen Nationalfeiertag kennt der Präsident keine Versöhnung. Er wird von Polemik getrieben. „Wir sind dabei, die radikale Linke, die Marxisten, die Anarchisten, die Agitatoren und die Plünderer zu besiegen", sagte er am Samstag bei der Zeremonie im Rosengarten des Weißen Hauses. Hunderte Gäste sitzen dicht an dicht, einige schwenken die US-Flagge, fast keiner trägt Mund-Nasenschutz.
Trump macht das, was er am besten kann: Er polarisiert und gießt Öl ins Feuer. Die Teilnehmer der Anti-Rassismus-Proteste seien „nicht interessiert an Gerechtigkeit und Heilung. Ihr Ziel ist Zerstörung", poltert er. „Wir werden dem wütenden Mob niemals erlauben, unsere Statuen niederzureißen, unsere Geschichte auszulöschen, unsere Kinder zu indoktrinieren oder auf unserer Freiheit herumzutrampeln", fügt er hinzu. Während der Demonstrationen nach der Tötung des Farbigen George Floyd wurden auch Denkmäler von Generälen vom Sockel geholt, die die Rassentrennung befürwortet hatten. Der Chef des Weißen Hauses kritisiert das als Frevel an der eigenen Historie.
Sein Ton ist düster, aggressiv, apokalyptisch. Bereits bei seiner Antrittsrede im Januar 2017 beschrieb Trump den Zustand Amerikas mit Worten wie „Blutbad", „Gemetzel", „Auszehrung", „Verfall". Eine gnadenlose Abrechnung mit seinem Vorgänger Barack Obama. Sich selbst zelebrierte der frischgebackene Präsident als Retter vor dem Untergang. Er wolle die Gangs aus dem Land vertreiben sowie Drogensucht und Schmerzmittelmissbrauch bekämpfen, kündigte er an. Sein Appell „Make America Great Again" wurde zum neonationalistischen Schlachtruf.
Trumps Rhetorik wird umso schärfer, je mehr er mit dem Rücken zur Wand steht. Kaum ein Tag vergeht, an dem die USA nicht Zehntausende Corona-Neuinfektionen verzeichnen. Bis dato wurden insgesamt rund drei Millionen Ansteckungen und deutlich mehr als 130.000 Tote registriert.
Der Präsident blendet jedoch die Zahlen aus und behauptet, man komme gegen die Corona-Pandemie gut voran. Er hat die Seuche in desaströser Weise verharmlost. Sein durchsichtiger Propaganda-Feldzug gegen China – auf einem Fischmarkt in Wuhan trat das Virus erstmals auf – ist ein großes Ablenkungsmanöver. Trump operiert nicht mit Tatsachen. Emotionen und vor allem Ressentiments sind ihm wichtiger als Vernunft und Wahrheit – und sei es nur die Annäherung an dieselbe. Er ist der erste Präsident des postfaktischen Zeitalters.
Auch die wirtschaftliche Talfahrt infolge des Corona-Missmanagements wird für Trump zur schweren Hypothek. Der Internationale Währungsfonds rechnet für 2020 in den USA mit einem Wachstumseinbruch von acht Prozent. Die Arbeitslosenrate schnellte von einem historischen Tiefststand auf zweistellige Werte hoch. Der Ausblick sei „außergewöhnlich ungewiss", prognostizierte der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell. Der Präsident leugnet die Realität gemäß dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf."
Gleichzeitig gehen Trumps Umfragewerte in den Keller. Nach Angaben der Website realclearpolitics.com, die den Durchschnitt von verschiedenen Erhebungen ermittelt, liegt der Präsident landesweit rund neun Prozentpunkte hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden. Das spielt allerdings keine Rolle. Die US-Wahlen werden in wenigen Bundesstaaten („Swing States") entschieden, die immer wieder zwischen den Lagern wechseln. Bedenklich für Trump: Selbst in Staaten wie Michigan, Wisconsin oder Pennsylvania, die er 2016 noch ganz knapp gewonnen hatte, führt Biden nun mit mehr als sechs Prozentpunkten. Für den Präsidenten kommt dies einer politischen Kriegserklärung gleich. Amerika steht vor dem brutalsten Wahlkampf seiner Geschichte.