Wenn die lang ersehnten Bewegungen im Inneren ein klein wenig zu nerven beginnen
Von hinten sieht man Dir gar nicht an, dass Du schwanger bist", meinte neulich eine Kollegin. Ich wusste erst gar nicht so richtig, was ich antworten sollte. Das Baby liegt doch auch im Bauch und nicht auf dem Rücken – also wieso sollte man es von hinten sehen? Später wurde mir klar, dass der Kommentar nur ein Ausdruck eines offenbar inneren Bedürfnisses ist, den alle Menschen um eine Schwangere herum verspüren: Kommentare über den Bauch zu machen.
Während einer Schwangerschaft – das habe ich inzwischen gelernt – werden im direkten Umfeld plötzlich alle zu Bauch-Experten. Finden ihn zu groß oder zu klein oder wollen an der Form das Geschlecht des Kindes erkennen. Irgendetwas wissen sie immer zu sagen – es scheint wie ein innerer Zwang zu sein. Jene Kollegin hatte scheinbar nur versucht, es etwas origineller zu formulieren.
Es ist aber auch wirklich ein Wunder, was da im Bauch abgeht. Ein Wunder, das man selbst beim zweiten Mal immer noch kaum glauben kann und nicht wirklich versteht. 40 Wochen lang wächst ein kleiner Mensch im eigenen Bauch heran. Wird größer und größer und bildet nach und nach sämtliche Körperteile und Organe aus, die er zum Leben braucht. Klar, dass das Interesse von allen Seiten groß ist.
Die eigene Beziehung zum Bauch ist dann noch mal eine ganz besondere, manchmal auch etwas zwiegespaltene. Aufgrund des stetig wachsenden Umfangs passt man irgendwann in keine Kleidung mehr, hat Schwierigkeiten beim Aufstehen von der Couch und kann sich nicht mehr selbstständig die Schnürsenkel zubinden. Auf der anderen Seite ist der Bauch das Zuhause des eigenen Kindes. Und je mehr er wächst, desto intensiver kann man eine Beziehung zu dem noch Ungeborenen aufbauen.
Wochenlang hatte ich darauf gewartet, die ersten Tritte, die ersten Bewegungen des Babys zu spüren. Dass ich endlich nicht mehr auf den nächsten Termin beim Frauenarzt warten muss, um zu wissen, dass es dem kleinen Mitbewohner gut geht. Und dann plötzlich war da etwas: Zunächst nur ganz leicht, fast wie ein Kitzeln, fast konnte ich mir nicht sicher sein, ob es wirklich eine Bewegung war oder doch nur ein Magengrummeln.
Dann wurde es immer deutlicher, und schon nach ein paar Wochen konnte auch der werdende Papa die Bewegungen ganz deutlich fühlen. Anfangs mit viel Wartezeit, denn natürlich war das kleine Lebewesen immer dann ganz ruhig, wenn er die Hand auflegte. Aber es wurde mehr. Und mehr. Und mehr. Irgendwann konnte man dann auch von außen sehen, wie sich die Bauchdecke auf und ab bewegt, in alle Richtungen ausbeult und dehnt. Was war da los im Bauch? Schlägt das kleine Wesen Purzelbäume? Macht es Yoga?
Plötzlich kam der Punkt, an dem ich anfing mir zu wünschen, ab und zu für ein paar Stunden mal wieder Herrin meines eigenen Bauches zu sein. Nicht mehr ununterbrochen als Trampolin missbraucht und von innen durchgeschüttelt zu werden. Denn die Bewegungen, die ich so herbeigesehnt hatte, hörten plötzlich gar nicht mehr auf.
In meinem schlauen Schwangerschafts-Ratgeber habe ich gelesen, was man alles machen kann, wenn man das Baby spüren möchte. „Essen Sie etwas Süßes – der Zucker wird es aktiv machen. Oder stupsen Sie es sanft an und wecken es somit auf." Kein Wort darüber, was man nachts um 12 Uhr machen kann, wenn man selbst schlafen möchte, das Baby aber entschieden hat, topfit zu sein und eine Runde Gymnastik zu machen.
Natürlich bin ich froh, dass das Kleine so aktiv ist. So weiß ich, dass es ihm gut geht. Aber muss es mir das wirklich die ganze Nacht über beweisen? Die Hebamme meinte, auf diese Weise wird man auf die Zeit nach der Geburt vorbereitet. Dann kann man ja auch nicht mehr durchschlafen, und das Baby bestimmt den Rhythmus.
Ich habe also beschlossen, das Schicksal anzunehmen. Den Bauch für einige Monate nicht mehr als mein Eigen zu betrachten. Wenn das Baby ihn als Spielplatz benutzt, lege ich die Hand auf und rede mit ihm. Und wenn jemand einen Kommentar über Größe, Form und Aussehen macht, lächle ich nett und freue mich darüber, dass er sich für mich und den kleinen neuen Erdenbürger, der bald daraus hervorschlüpfen wird, interessiert.