Allein in Europa leiden rund 60 Millionen Menschen an Angststörungen, ungefähr zwölf Millionen sind es in Deutschland (Stand 2017). Wie sie entstehen und behandelt werden können.
Das Herz rast, Schweiß bricht aus und der Atem wird flach – plötzlich ist sie da, die Angst. Grundsätzlich ein normales Gefühl, das uns vor Gefahren warnt und den Köper in Alarmbereitschaft versetzt. Entsteht hingegen eine Angststörung, stehen Auslöser und Reaktion nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Das Angstempfinden ist übersteigert und kann Betroffene in ihrer Lebensqualität und ihrem Alltag stark einschränken.
Woher aber kommt eine solche Angststörung, wie kann sie entstehen? Tatsächlich ist diese Frage noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass verschiedene Faktoren zusammenspielen. So können beispielsweise einschneidende persönliche Lebensereignisse in der Vergangenheit, falsch erlernte und verinnerlichte Verhaltensweisen und Belastungen im Leben oder Arbeiten mit anderen Menschen eine Rolle bei der Entstehung spielen. Forschungsergebnisse haben außerdem gezeigt, dass bei Angststörungen in bestimmten Gehirngebieten wie dem Limbischen System oft eine erhöhte Reaktionsbereitschaft auf verschiedene Reize, unter anderem Stressfaktoren, vorliegt. Daran sind wichtige Nervenbotenstoffe beteiligt, bei denen es zu Ungleichgewichten kommt. Auch spezifische Gene und Persönlichkeitsstörungen können an der Entwicklung einer Angststörung beteiligt sein.
Bei den Angststörungen unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Formen. Zum einen solchen mit konkretem Auslöser, den Phobien. Dazu zählen beispielsweise die Flugangst, Angst vor Tieren wie Schlangen oder Spinnen oder die Angst vor Blut und Spritzen. Ebenfalls dazu zählt die sogenannte Agoraphobie, die Angst vor öffentlichen Plätzen oder großen Menschenmengen, die auch als Platzangst bekannt ist. Dabei kann Panik entstehen, weil sich Betroffene verloren oder ausgeliefert fühlen, sich aber nicht unmittelbar an einen schützenden Ort retten können. Diese ortsgebundene Furcht hindert manche daran, überhaupt aus dem Haus zu gehen. Eine Sonderform der Platzangst ist die Angst vor engen Räumen wie Fahrstühlen oder überfüllten Zügen, die sogenannte Klaustrophobie. Betroffene erleben Unsicherheits- und Beklemmungsgefühle und wollen auch in diesem Fall den Ort am liebsten sofort verlassen. Bei manchen Patienten löst bereits der Gedanke an eine entsprechende Räumlichkeit intensive Angstgefühle aus. Eine weitere Form ist die Soziale Phobie, die Angst vor Situationen, in denen man im Mittelpunkt steht – etwa bei Prüfungen oder öffentlichen Reden. Die Betroffenen fühlen sich beobachtet und fürchten sich vor den Urteilen der anderen. Sie haben Angst davor, etwas falsch zu machen oder sich zu blamieren. Dabei können nicht nur die Situation an sich, sondern auch schon der Gedanke daran, zu innerer Unruhe und Anspannung führen. Manche Menschen bemerken dann körperliche Symptome, werden beispielsweise rot, fangen an zu schwitzen oder haben starken Harndrang. Anderen wird übel oder sie spüren starkes Herzklopfen. Phobien können mit Panik-anfällen, Hyperventilation, Ohnmacht und Vermeidungsverhalten einhergehen. Je nachdem, wie stark Phobien ausgeprägt sind, können sie den Alltag und das Lebensgefühl der Betroffenen unterschiedlich stark beeinflussen und einschränken.
Intensive körperliche Symptome
Bei der zweiten Form der Angststörungen handelt es sich um Angststörungen ohne konkreten Auslöser. Dazu zählen die Panikstörung und die Generalisierte Angststörung. Bei einer Panikstörung erleben Betroffene die Angst überfallartig. Die plötzlich auftretenden Attacken können heftig sein und mit intensiven körperlichen Symptomen einhergehen. Dazu zählen Beklemmungsgefühle, Schwindel, Herzrasen, Übelkeit, Atemnot, Schwitzen, Zittern, Ohnmachtsgefühle. Das Angstempfinden kann sich bis zur Todesangst steigern. Häufig fürchten die Betroffenen, einen Herzinfarkt zu erleiden. Eine Panikattacke dauert wenige Minuten bis einige Stunden. Da die Panikanfälle meist dazu führen, dass sich betroffene Menschen vor der nächsten Attacke fürchten, entsteht ein Teufelskreis aus sich gegenseitig verstärkenden Ängsten. Solche Panikanfälle können auch infolge einer überstandenen Erkrankung, etwa nach einem Herzinfarkt, auftreten. Panikstörungen sind daneben häufig auch mit Phobien, insbesondere mit einer Agoraphobie, verbunden.
Bei der Generalisierten Angststörung bestimmen Angst und Sorge dauerhaft das Denken und Leben der Betroffenen. Diese fürchten aber nicht eine bestimmte Situation, sondern mehrere unterschiedliche Bereiche. Dazu können etwa die Sorge um Angehörige, ihre Arbeit, ihre Gesundheit oder anstehende Pläne zählen. Dabei erleben Betroffene ihre Angst oft gar nicht bewusst als Sorge, sondern als dauerhaft vorhandenen Gemütszustand. Diese andauernde innere Unruhe kann sich auch in Regulationsstörungen wie etwa Schlafstörungen, Bluthochdruck oder Verdauungsbeschwerden äußern. Auch Depressionen, die ihrerseits auch zu den Ursachen gehören, oder Zwangsstörungen können hinzukommen. Halten typische Symptome über mindestens ein halbes Jahr an und sind an den meisten Tagen vorhanden, spricht man von einer Generalisierten Angststörung.
Behandelt werden können Angststörungen vor allem mithilfe von Psychotherapie, Medikamenten oder einer Kombination von beiden Möglichkeiten. Welcher Weg gewählt wird, hängt von der Art und dem Schweregrad der Erkrankung, der Beeinträchtigung durch die Krankheit, aber auch von Vorlieben des Patienten und den von ihm benötigten Kompetenzen zur Bewältigung der Krankheit ab.
Bei einer Psychotherapie kommen unterschiedliche Verfahren in Betracht. Dazu gehören zum Beispiel die kognitive Verhaltenstherapie und ihre spezielle Unterform, die sogenannte Expositionstherapie. Die kognitive Verhaltenstherapie hilft den Betroffenen, eingefahrene Verhaltensmuster, Gedanken und Gefühle sowie die damit verbundenen Ängste zu erkennen und durch gezielte Übungen zu verändern. Dadurch soll sich die Angst in angstauslösenden Situationen verringern. Bei der Expositionstherapie setzen sich Betroffene bewusst angstauslösenden Situationen aus und werden dabei therapeutisch begleitet. Auf diese Weise soll Vermeidungsverhalten Schritt für Schritt wieder abgebaut werden. Sie eignet sich folglich vor allem für Patienten, die angstauslösende Situationen gezielt vermeiden.
Psychotherapie und Medikamente können helfen
Ein weiterer psychotherapeutischer Ansatz ist die tiefenpsychologische Behandlung. Diese setzt auf das Erinnern und Wiederdurchleben verdrängter Erlebnisse. Therapeut und Patient decken tieferliegende seelische Konflikte, die den Ängsten zugrunde liegen, auf und arbeiten an aktuellen Belastungen und Symptomen. Entspannungsverfahren sowie achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Ansätze begleiten häufig die psychotherapeutische Behandlung. Dabei üben Patienten beispielsweise, ihre Aufmerksamkeit gezielt zu lenken und eigene Gedanken oder Gefühle anzunehmen, ohne sie zu bewerten.
Bei schwereren Krankheitsbildern können neben der Psychotherapie auch Medikamente verordnet werden. Hauptsächlich wird hierbei auf Antidepressiva zurückgegriffen. Angstlösende Medikamente wie Benzodiazepine sollten wegen der Abhängigkeitsgefahr nur in Ausnahmefällen und nur kurzfristig bei ausgeprägten Panikstörungen im Akutfall angewendet werden.
Als weiterer wichtiger therapeutischer Baustein für die medikamentöse wie auch die psychotherapeutische Behandlung einzelner Störungen hat sich in den letzten Jahren darüber hinaus die Psychoedukation etabliert. Dabei werden Patienten gezielt über ihr Krankheitsbild informiert und aufgeklärt. Sie sollen so ihre Erkrankung aber auch die Behandlungsmaßnahmen nachvollziehen können. Das Verstehen-Können ist eine Grundvoraussetzung für den selbstverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung und ihre erfolgreiche Bewältigung. Ziel ist es, Behandlungsoptimismus, Therapiemotivation und die eigenverantwortliche, aktive Mitarbeit des Patienten zu stärken. Psychoedukation kann sowohl im therapeutischen Einzelgespräch als auch in Gruppentreffen stattfinden, bei denen sich Patienten oder auch deren Angehörige austauschen können. •