Musik und Mode bilden ein nahezu perfektes Paar, leidenschaftlicher noch als Romeo und Julia. Doch der kreative Austausch ließ auf sich warten. Das ehemalige Spice Girl Victoria Beckham und Hip-Hop-Mogul Kanye West sind nicht die ersten, aber bislang bekanntesten Popstars, die sich im Modezirkus ein neues Standbein aufbauten.
Zu einer tatsächlichen Symbiose zwischen Fashion-Design und Popmusik kam es Mitte der 70er-Jahre ausgerechnet in der neu aufkeimenden Punk-Bewegung, die wie ein Orkan via New York nach London stürmte und dort in einer Boutique namens „Sex" landete. Der Laden gehörte Vivienne Westwood, und ihr damaliger Lebenspartner war Malcolm McLaren, seines Zeichens Manager der Sex Pistols. Der Rest ist nicht nur Musikgeschichte. Während die Band um Johnny Rotten und Sid Vicious in einem beispiellosen Selbstzerstörungsprozess einer ganzen Jugendbewegung den Abgesang intonierte, bedeutete dieser Schritt für die extrovertierte Modeschöpferin den Beginn einer beispiellosen Karriere, die bis heute anhält.
Das Wechselspiel von Mode und Popkultur fand in der Chamäleonhaftigkeit eines David Bowie, der Androgynität einer Grace Jones oder der Erotik einer Madonna prominenten Niederschlag. Für letztgenannte entwarf Stardesigner Jean-Paul Gaultier sogar eigens das legendäre Outfit mit Kegel-BH und Korsett ihrer „Blonde Ambition Tour" von 1990. Auch Kylie Minogue ließ sich ihre Bühnen-Outfits vom französischen Edel-Coutourier immer wieder gern auf ihre Traumfigur maßschneidern. Die beiden Pop-Ikonen Björk und Lady Gaga hoben die Kooperation mit der gerade angesagtesten Design-Avantgarde auf ein neues Level. Lady Gaga beschäftigte gar ein eigenes Kreativteam unter Leitung von Nicola Fornichetti, der später auch unter anderem für Kollektionen von Thierry Mugler und Diesel als Kreativdirektor verantwortlich war. Selbst Hedi Slimane, Erfinder der ultraschmal geschnittenen Anzüge und Chefdesigner bei Dior.
Die Ende der 80er-Jahre explodierende Hip-Hop-Kultur schuf nicht nur ihren eigenen, völlig neuartigen Bekleidungsstil, sondern behielt das Geschäft mit Produktion und Vermarktung der entsprechenden Klamotten in den eigenen Händen. Zwar priesen RUN DMC in ihrem Rap „My Adidas" noch die Vorzüge der weltbekannten Marke mit den drei Streifen, aber fast gleichzeitig gründete ihr Produzent und Labelchef Russell Simmons mit Phat Farm die erste Modemarke, die tatsächlich integrativer Bestandteil der Rap-Szene war. Die damals ebenso markanten wie umstrittenen Baggy Jeans, deren Bund weit unterhalb der Hüfte lag, war von der Kleidung amerikanischer Gefängnisinsassen inspiriert. Komplettiert wurde der Look durch T-Shirts und Polo-Hemden in XXL-Optik sowie klobigen Schnür-Boots oder Sneakers. Unter Leitung seiner Frau Kimora Lee Simmons erblickte mit Babyphat schließlich noch die dazugehörige Damenmarke das Licht der Welt.
Die Hip-Hopper stiegen zuerst in die Modeszene ein
Mit dem kommerziellen Erfolg dieser beiden Marken wurde der Grundstein für eine ganze Armada neuer Streetwear-Labels von Aktivisten aus der Hip-Hop-Szene gelegt. Der Anfang der 90er musikalisch Grenzen einreißende und damit auch mega-erfolgreiche Wu-Tang-Clan schuf sich mit Wu Wear ein zweites kreatives als auch wirtschaftliches Standbein. Ursprünglich nur als Reaktion auf zahlreiche Bootleg-Shirts entstanden, entwickelte sich daraus eine große Kollektion an Designerwear, die einen Jahresumsatz in Millionenhöhe generierte. Zahlreiche andere Rapper folgten ihrem Beispiel. Künstler wie Ludacris, Busta Rhymes oder Nelly verdienten an ihren Bekleidungsmarken teilweise wesentlich mehr als mit ihrer Musik.
Ob Sean Combs alias Puff Daddy alias P. Diddy mehr an seiner Musik oder dann doch mehr an seinen Exkursionen ins Gebiet der Mode verdiente, ist nicht offiziell überliefert. Tatsache ist jedoch: Er scheffelte nicht nur Millionen mit seinen eigenen Hits wie „I’ll Be Missing You" und Produktionen für Notorious B.I.G., Lil’ Kim, Craig Mack oder Junior Mafia. Er versuchte sich auch erfolgreich als Schauspieler, gründete mit Bad Boy Entertainment sein eigenes Plattenlabel und lancierte eben auch mit Sean John einen bleibenden Namen in der Modewelt. Street- und Sportswear bildeten auch hier den Dreh- und Angelpunkt der Marke. Kreativ war dies vielleicht nicht übermäßig ambitioniert, dafür ökonomisch umso erfolgreicher. Für das renommierte „Time Magazine" war das auf jeden Fall Anlass genug, ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt zu wählen. Nur so am Rande erwähnt sei, dass Sean Combs am 2. Mai 2008 als erster männlicher Rapper einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame bekam.
Einige Koops endeten im Streit
Ist die Rede von Erfolg in der Musik als auch in der Modewelt, darf ein Name nicht fehlen: Jay-Z. Sein Anspruch war nicht nur, mit seinen messerscharfen Raps die Spitze des Hip-Hop-Olymps zu erklimmen, vielmehr bestand der darin, als afroamerikanischer Geschäftsmann ein ganzes Musikimperium zu gründen und mit diesem Geschäftsmodell der von Weißen dominierten Entertainmentindustrie zu trotzen. Neben seinem eigenen Musiklabel Roc-A-Fella Records gründete er mit seinem Partner Damon Dash 1999 auch die Modemarke Rocawear, die sich mit einem Jahresumsatz von 700 Millionen US-Dollar direkt in der Oberliga plazierte. 2006 verkaufte er Rocawear für 204 Millionen Dollar an die Iconix Brand Group, sicherte sich dabei allerdings weiterhin Einfluss in allen Fragen der Produktentwicklung und des Marketings. Vor drei Jahren endete diese Geschäftsbeziehung allerdings endgültig in einem langwierigen Rechtsstreit.
Völlig intakt ist dagegen noch seine Beziehung zu Beyoncé Knowles oder exakter Beyoncé Knowles-Carter, denn die beiden sind ja seit 2008 höchst offiziell ein Ehepaar. Nicht irgendein Ehepaar, sondern das Traumpaar in der Musikwelt schlechthin. Warum das an dieser Stelle einer Erwähnung wert ist? Nun, weil Miss Knowles-Carter nicht nur einen Mega-Hit nach dem anderen produziert, sie versuchte sich natürlich auch als Mode-Designerin. Eher unglücklich verlief ihr Start unter dem Dach des englischen Retailers Topshop, den sie mit dem Vorwurf von Sexismus und Rassismus konfrontierte. Daraufhin war die Kooperation schon wieder beendet, bevor sie überhaupt richtig aus den Startlöchern kam. In Adidas fand sie schnell einen neuen Geschäftspartner für ihre Sportswear-Linie Ivy Park. Verglichen mit ihrem musikalischen Erfolg blieb der als Textilunternehmerin dann doch eher bescheiden.
Sehr viel ambitionierter wirkt da schon das Auftreten ihrer vielleicht größten musikalischen Konkurrentin auf den Catwalks dieser Welt. Die Rede ist von Rihanna. Die auf Barbados geborene Sängerin entwarf bereits 2016 erstmals ihre eigene Linie unter der Bezeichnung „Fenty x Puma" in Zusammenarbeit mit dem Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach. Sie fand nicht nur an den Kassen der entsprechenden Kaufhäuser überraschend großen Anklang, sondern auch in den Editorials der einschlägig bekannten Hochglanz-Magazine. Mit Fenty Beauty folgte wenig später eine eigene Kosmetikserie und reizvolle Unterwäsche wurde der Damenwelt von Savage x Fenty feilgeboten. Wie ernst es Robyn Rihanna Fenty mit ihren modischen Ansprüchen meint, demonstriert ihr am 10. Mai 2019 abgeschlossener Deal mit dem Luxuskonzern LVMH (Louis Vuitton Moêt Hennessy). Seitdem ist sie auch gern gesehener Gast auf allen Laufstegen dieser Welt, sei es in Paris, Mailand, New York oder London.
Auch Schmucklinien werden designt
Sehr viel länger auf den Runaways dieser Welt behauptet sich Victoria Beckham, erst noch als Gelegenheits-Model und dann mehr und mehr als ernst zu nehmende Designerin. Das ehemalige Spice Girl lief während der London Fashion Week im Februar 2000 für Maria Grachvogel als Model erstmals über den Laufsteg, später auch in Mailand für Roberto Cavalli. Zudem verdingte sie sich als Markenbotschafterin für Dolce & Gabbana, als Testimonial einer Werbekampagne für Rocawear und erstmals als Designerin für eine limitierte Serie von Jeans für Rock & Republic. Dadurch wurde sie wohl auch zum Launch ihrer eigenen Jeansmarke dvb Style inspiriert. Bereits ein Jahr später, 2008, entwarf sie nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine komplette Damenkollektion unter ihrem eigenen Namen. Als die Ehefrau von Fußball-Idol David Beckham 2011 eine Zweit-Linie namens Victoria by Victoria Beckham auf den Markt brachte, wurde sie bereits mit dem British Fashion Award als Designerin des Jahres geehrt. Seit 2019 besitzt sie mit Victoria Beckham Beauty zudem eine eigene Kosmetikmarke. So sehr ihre nüchternen, handwerklich hochwertigen Entwürfe von den Modekritikern geschätzt werden, so wenig fanden die hochpreisigen Teile Anklang bei einer gut situierten Kundschaft. Die Folge sind hohe Verluste, die bislang von ihrem Ehemann aufgefangen wurden. Wie lange der allerdings noch bereit ist, als Retter in der Not einzuspringen, bleibt abzuwarten.
Darüber gar keine Gedanken machen muss sich Kanye West. Dem strahlt seit nahezu zwei Dekaden fast durchgängig die Sonne aus dem Allerwertesten, und seit seiner Vermählung mit Kim Kardashian ist er auch aus den Klatschspalten der einschlägigen Medienformate nicht mehr wegzudenken. Bemerkenswert an dem kontroversen Rapper ist nicht nur, dass er sich seit knapp 20 Jahren kontinuierlich in den höchsten Sphären der Musikcharts hält, mit dem Label Yeezy besitzt er außerdem eine der profitabelsten Modemarken der Welt. Über eine Milliarde US-Dollar soll ihm laut „Forbes" dieses Engagement bereits eingebracht haben – netto wohlgemerkt!
Geschlagen geben muss sich Mr. West allerdings, wenn es um die Poleposition der modeschaffenden Musiker geht. Ein Mann toppt hier alles, sowohl was die Anzahl der von ihm produzierten Hits angeht als auch in Bezug auf seine Aktivitäten als Mode-Testimonial und Designer. Die Rede ist von Pharrell Williams alias „The Midas Touch". Tatsächlich scheint alles, was er anfasst, sich in Gold zu verwandeln. Nicht nur, dass er den vormals völlig profillosen Teenie-Star Justin Timberlake in einen allseits respektierten Millionseller verwandelte, Robin Thicke mit „Blurred Lines" seinen größten Hit bescherte und so ganz nebenbei mit „Happy" auch noch einen der erfolgreichsten Songs des noch jungen Jahrtausends einspielte, nein, er verdingt sich auch noch als Markenbotschafter für Chanel, hat – ähnlich wie Kanye West – bei Adidas seine eigene Sportswear-Kollektion und ist Mitinhaber von G-Star Raw. Beim niederländischen Denim-Label ist er nicht nur in finanzielle Entscheidungen involviert, er gibt auch in allen Fragen des Marketing und Designs die Marschrichtung vor. Die Öko-Linie „For The Oceans" geht nicht zuletzt auf sein Betreiben zurück.
Bereits 2003 gründete er gemeinsam mit dem japanischen Designer Nigo die Marke Billionaire Boy Club und ein Jahr später das Label Icecream. Kaum aus der Wiege gehoben, genossen beide bereits Kultstatus und existieren bis heute. Für Pharrell war es nur die perfekte Eintrittskarte in den elitären Modezirkus. Für das italienische Luxusunternehmen Moncler designte er seine eigene Interpretation der begehrten Daunenjacken, bekam zudem den Auftrag für eine eigene Sonnenbrillen-Kollektion. Dieses Kunststück wiederholte er bei Louis Vuitton, wo er nicht nur Brillen designte, sondern auch eine eigene Schmucklinie zugeteilt bekam. Als wäre das nicht aufsehenerregend genug, stand er außerdem noch Pate für die erste Parfüm-Kreation des japanischen Avantgarde-Labels Comme des Garçons. Fortsetzung folgt!