Mit dem lange vorher angekündigten Rückzug von Manager Richard Jungmann endet bei Handball-Drittligist HG Saarlouis eine jahrzehntelange Ära. Die Anzahl seiner Erfolge ist so groß wie die Zahl seiner Aufgaben, die sich künftig drei Personen teilen.
Ende Juni 2020 hatte Richard Jungmann seinen letzten Tag als erster Vorsitzender des SC Saargold Saarlouis-Lisdorf und Manager des Handball-Drittligisten HG Saarlouis. Wie vor einem Jahr angekündigt, schied er fristgerecht aus den Ämtern aus, die er zuvor jahrelang ehrenamtlich bekleidete. Mit den Worten: „Es ist mir nicht leichtgefallen, aber es war der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Es war mir eine Ehre", verabschiedete er sich von der Mitgliederversammlung, die ihn im Anschluss mit Standing Ovations feierte und zum Ehrenmitglied des Vereins wählte.
„Mir geht es sehr gut. Wenn es jetzt noch diese Corona-Geschichte nicht gäbe, wäre es noch besser", sagt Richard Jungmann und lächelt. Die Aufgaben, die Jungmann in der Vereinsführung mit großem persönlichen Engagement wahrgenommen hat, verteilen sich nun auf mehrere Schultern: Zum neuen ersten Vorsitzenden des SC Lisdorf, der zusammen mit der DJK Saarlouis-Roden die HG Saarlouis stellt, wurde Dr. Holger Gross und zum Sportlichen Leiter Mathias Ecker gewählt. Für die Aufgaben in den Bereichen Vermarktung und Sponsorenbetreuung ist fortan Peter Wassong als Mitglied des erweiterten Vorstands zuständig. Alle Kandidaten wurden einstimmig gewählt.
„Es ist tatsächlich etwas eigenartig", gibt Richard Jungmann zu und schiebt nach: „Es fehlt etwas." Nämlich eine würdige, offizielle Verabschiedung. Für den Sportsmann ist es kein großer Trost, dass diese irgendwann nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen nachgeholt wird, „weil die vielen Emotionen, die in solchen Momenten entstehen, durch die Verzögerung nicht wiedergegeben werden", sagt er. Jeder, der Richard Jungmann einmal während eines Spiels seiner HG erlebt hat, weiß, wie emotional er sein kann. Er leidet und freut sich mit dem Team, als wäre er in jeder Spielsituation immer noch mittendrin statt nur dabei. Wie damals, als aktiver Spieler.
„Es ist etwas eigenartig"
Seit dem 1. Januar 1962 ist der heute 71-Jährige Mitglied beim SC Lisdorf. Nach zahlreichen Jugend-Saarlandmeisterschaften und Pokalsiegen im Feldhandball folgte 1968 sein denkwürdiges Debüt bei den Herren in der Saarlandhalle gegen den 1. FC Saarbrücken. „Ich wurde just während eines Gegenstoßes eingewechselt und habe als 18-Jähriger den Star der Saarbrücker, Kalle Burger, mit einem Schlag gefällt", erinnert sich Jungmann und erklärt: „Das war nicht weiter schlimm, sondern damals normal. Nur musste ich unmittelbar nach meiner ersten Einwechslung mit einer Zwei-Minuten-Strafe gleich wieder raus. Später lief das besser." Und wie: Es folgte die Saarlandmeisterschaft in der Halle 1973 und der Aufstieg in die Regionalliga Südwest, der damals zweithöchsten Spielklasse in Deutschland.
1980, im Alter von 31 Jahren, wurde Jungmann Spielertrainer der ersten Mannschaft, mit der ihm nur zwei Jahre später der Aufstieg in die 1981 geschaffene 2. Handball-Bundesliga gelang. Ein Erfolg, an den er heute noch gern denkt. Am gleichen Abend des 24. April 1982 gewann die Saarländerin Nicole mit ihrem Lied ‚Ein bisschen Frieden‘ den Grand Prix Eurovision de la Chanson (heute: Eurovision Songcontest). „Das war nicht abgesprochen", versichert Jungmann, der wenig später als Trainer zum TV Niederwürzbach wechselte. Auch dort legte er mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga den Grundstein für weitere Erfolge des Europapokalsiegers von 1995. „Damals hatte man schon gemerkt, dass daraus etwas ganz Großes entstehen kann", erinnert sich Jungmann, der aus beruflichen Gründen nicht als hauptamtlicher Trainer im Profigeschäft arbeiten konnte. Stattdessen kehrte er 1991 zum SCL zurück, den er bis 1995 in der Regionalliga trainierte. Schon damals wirkte Richard Jungmann weit über seine eigentliche Funktion als Trainer hinaus. So war er maßgeblich an der Gründung der Handball Gemeinschaft (HG) Saarlouis zusammen mit der DJK Saarlouis-Roden im Jahr 1995 beteiligt. Ein nachhaltiges Erfolgsmodell für die Bündelung der Kräfte im saarländischen Sport.
Nach einer Auszeit, zu der eine schwere Erkrankung den Erfolgsmensch zwang, kam Jungmann 2005 stärker zurück: „Auch auf Anraten meiner Familie habe ich wieder als Trainer des SC Lisdorf angefangen", erklärt Jungmann rückblickend und gesteht: „Eigentlich war gedacht, dass ich nur aushelfe, um in der Regionalliga die Klasse zu halten." Mit einem sensationellen Endspurt wurde der Abstieg aus der Regionalliga tatsächlich verhindert. Daran, dass sich dieses gut gemeinte Engagement zur erfolgreichsten Phase der über 100-jährigen Vereinsgeschichte entwickeln würde, war damals aber nicht im Traum zu denken. Ab 2006 wurde Jungmann zusätzlich Manager der HG und verpflichtete den kroatischen Nationalspieler und Champions-League-erfahrenen Danijel Grgic. Ein Coup, der sich auszahlte: Grgic wurde nicht nur Jungmanns verlängerter Arm auf dem Spielfeld, sondern Identifikationsfigur und Leitwolf, der das Spiel der HG über Jahre prägte. 2009 gelingt Jungmann, der sich mittlerweile auf die Rolle des Managers konzentrierte, und dem Spielertrainer-Gespann Grgic und Daniel Altmeyer auf den letzten Drücker der Aufstieg in die 2. Bundesliga Süd. Zwei Jahre später gelang auf ähnlich dramatische Weise mit Trainer Andre Gulbicki sogar die Qualifikation für die neue eingleisige 2. Bundesliga, in der sich die HG bis zum Abstieg 2018 halten konnte. Zwischenzeitlich gehörte Jungmann über drei Jahre lang dem Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) an: „Es war sehr interessant, an Entscheidungen auf der ganz großen Bühne mitzuwirken", sagt er.
„Nur noch bei Bedarf äußern"
Für Erinnerungen an viele emotionale Momente hat Richard Jungmann nun mehr Zeit. „Ich denke natürlich immer noch gern an die Anfänge zurück und daran, dass ich noch Feldhandball gespielt habe", erzählt er, „Aber auch an die größten Erfolge und an den einen oder anderen Misserfolg denke ich hin und wieder zurück." Zum Beispiel die knappe 11:12-Derby-Niederlage gegen die TSG Haßloch im Jahr 1975. „Dadurch schlossen wir die Oberliga-Saison nur als Zweiter hinter Haßloch ab, das sich somit für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizierte und letztlich sogar der letzte Deutscher Meister im Feldhandball wurde."
Wenn sich seine Gedanken einmal nicht um den Handball drehen sollen, lenkt sich der 71-Jährige mit Gartenarbeit ab. Schon in der Phase des Corona-Lockdowns hat er sich vermehrt dem heimischen Grün gewidmet: „Dass der künftig eine intensivere Pflege erfahren wird, ist ja selbstverständlich", meint Jungmann. Genauso selbstverständlich ist es für ihn, seiner HG als Handball-Experte in beratender Funktion erhalten zu bleiben. „Ich weiß aus Erfahrung, dass sich Entscheidungsträger nicht gern reinreden lassen", berichtet er und stellt klar: „Das ist auch richtig so." Aus diesem Grunde werde er sich nur äußern, wenn er nach seiner Meinung gefragt wird. „Es soll mir nicht, wie manchem Politiker passieren, dass ich aus einem Amt ausscheide und im nächsten Moment weiß, was die aktuell Zuständigen besser machen müssen", sagt er entschlossen und ergänzt: „Ich hatte als Spieler, Trainer und Vorsitzender Zeit genug, um Einfluss zu nehmen." Dafür sind ihm nicht nur die Vereinskameraden beim SC Saargold Saarlouis-Lisdorf dankbar.