Die Autorin Juma Kliebenstein schreibt Kinder- und Jugendbücher. Sie gibt Einblick in ihren schriftstellerischen Alltag und verrät, woher die Ideen für neue Geschichten kommen.
Eigentlich sollte ihr neuer Roman schon längst auf dem Markt sein. Seit April sollte „Rattazonk – 7 Tage sturmfrei" die Hitlisten in Büchereien stürmen und Kinderherzen höherschlagen lassen. Eigentlich sollte Juma Kliebenstein auf Lesereisen von den Erfahrungen der drei Geschwister Charlie, Mira und Tom berichten, die zum ersten Mal eine Woche ohne ihre Eltern allein zu Hause bleiben dürfen und ihr Elternhaus an eine Rockband vermietet haben, um ihr Taschengeld aufzubessern. Eigentlich sollte sie in Saarbrücken, Nordhorn und Frankfurt auf Buchmessen ihr Buch bundesweit vorstellen.
Eigentlich! Doch dann brach das Coronavirus im Frühjahr über die Welt herein, und alles kam anders. „Der Verlag verlegte die Neuerscheinung meines Buches auf nächstes Frühjahr", erzählt Juma Kliebenstein, „und alle Veranstaltungen rund um die Neuerscheinung wurden abgesagt. Dabei ist mir der Kontakt mit meinen kleinen Zuhörern und Zuhörerinnen so wichtig. Weiterhin bedeutet das natürlich auch einiges an finanziellen Einbußen." Doch ganz so schlimm, wie es im Frühjahr aussah, kam es dann doch nicht.
Denn Juma Kliebenstein, die vielen Kindern, Jugendlichen und Eltern durch ihre Bestseller „Der Tag, an dem ich cool wurde" und „Die Nacht, in der ich supercool wurde" bekannt ist, kann nun die Fortsetzung dieser beiden Jugendromane präsentieren: „Endlich richtig cool" heißt der dritte Band, in dem Martin, Karli und ihre Freunde einen weiteren turbulenten Sommer erleben und – ganz so wie der Buchtitel verrät – richtig cool werden. Ab dem 20. Juli ist das Buch im Handel.
In diesem letzten Teil der Trilogie bekommen die Freaks, Martins Rockband, einen eigenen Proberaum, sie lernen einen echten Rockstar kennen, müssen feststellen, dass die Sache mit Mädchen immer komplizierter wird und werden auf eine ganz besondere Reise eingeladen.
„Lieb gewonnene Figuren ins Leben entlassen"
„Ich hatte so viel Freude beim Schreiben, die Geschichte ist geflutscht, und ganz am Schluss sind plötzlich ein paar Tränchen geflossen, weil ich die lieb gewonnenen Figuren nun in ihr weiteres Leben entlassen habe", erzählt die 47-jährige Schriftstellerin. „Immerhin haben sie mich über fast zwölf Jahre begleitet, und da ist so ein Abschied schon schwer. Aber ich glaube, sie haben einen tollen Weg vor sich, und vielleicht kommt mich Martin ja doch noch ab und an in meinen Gedanken kurz besuchen."
Mit dieser Hoffnung spielt die einstige Englisch- und Deutschlehrerin darauf an, wie sie zu den Ideen für ihre Bücher kommt. „Manchmal gibt es einen Anstoß von außen: Eine Begegnung mit Fremden, eine Beobachtung aus dem Alltag, irgendwas entzündet die Fantasie und lässt mich überlegen, wie die Situation weitergeht oder was sich vielleicht im Kopf dieser Leute abspielt. Und dann gibt es da noch die Anstöße aus dem Inneren. Dann taucht urplötzlich ein Kind in meinen Gedanken auf, das mir seine Geschichte erzählen will. Ich sehe dieses Kind dann vor meinem inneren Auge, es richtet sich bequem bei mir ein und wartet darauf, dass ich ihm zuhöre. Das kann überall passieren: Nach dem Aufwachen zum Beispiel, wenn ich noch im Bett liege – so war es bei Martin, der Hauptfigur in ‚Der Tag, an dem ich cool wurde‘. Er saß in Gedanken auf meiner Bettdecke, zupfte mich am Arm und sagte: ‚Ich muss dir was erzählen. Ich stecke gerade in einer Rutsche fest. Oh Mann, was soll ich bloß machen?‘ Da war ich natürlich neugierig und habe seine Geschichte aufgeschrieben. Es ist also so, als wäre die Geschichte irgendwo in meinem Kopf schon vorhanden und zum richtigen Zeitpunkt erscheint das entsprechende Kind in meinen Gedanken, um sie mir zu erzählen."
So wie heute als erwachsene, erfahrene Autorin erging es Juma Kliebenstein schon als Kind. Ein langer Krankenhausaufenthalt im Alter von vier Jahren hat dazu geführt, sich Geschichten auszudenken. „Wenn ich in Gedanken in fremde Welten gereist bin, konnte ich dem Krankenhaus für eine Weile entfliehen."
Noch im Krankenhaus brachte sie sich Lesen und Schreiben selbst bei und begann mit den ersten kurzen Geschichtchen, die sie auf kleine Zettel schrieb. „Manche Buchstaben waren verdreht und die Lautschrift entsprach nicht immer der tatsächlichen Sprache, aber das spielte keine Rolle. Ich hatte eine Möglichkeit gefunden, meine Gedanken zu Papier zu bringen und war glücklich."
Ab der Grundschule entstanden die ersten längeren Geschichten, die sie gern bei Kindergeburtstagen vor ihren Freunden zum Besten gab. Nach dem Abitur studierte sie Englisch und Deutsch, jobbte nebenher bei einer Zeitung, in Nachhilfestudios, einem Programmkino, in einer Versicherung und in einem Ausflugslokal, reiste durch die Welt, arbeitete ein halbes Jahr bei einer Firma in Frankreich und ein weiteres halbes Jahr bei einer Flugzeugfirma in Kanada. Während all der Zeit stauten sich so viele Geschichten in ihr an, die sie unbedingt aufschreiben wollte, wenn, ja, wenn sie denn mal Zeit dazu habe. „Als ich 2006 für fünf Monate an einem Gymnasium Deutsch unterrichtete und dadurch keine Zeit mehr zum Schreiben hatte, wurde eines ganz unmissverständlich klar: Ich will nur noch schreiben, und es gibt keinen besseren Zeitpunkt dafür als jetzt sofort."
Sie kündigte mit 32 Jahren den Schuldienst und schrieb innerhalb von vier Wochen ihr erstes Manuskript „Tausche Schwester gegen Zimmer", für das sie im Sommer 2007 eine Zusage vom Oetinger-Verlag bekam. Seitdem erfindet sie täglich neue Welten und schreibt Geschichten. „Ich habe meinen Traumberuf gefunden", sagt sie selbstbewusst und zufrieden.
Bedenken über ihre Berufswahl gab es in ihrem Umfeld nur wenig. „Glücklicherweise haben weder meine Freunde noch meine Mutter mich für verrückt erklärt. Sie haben gespürt, wie ernst mir die Sache ist, meine Entscheidung respektiert und mich dann voll unterstützt."
Dass Juma Kliebenstein, die selbst am liebsten Bücher von Astrid Lindgren und Stephen King liest und sich in einer Zeitreise gerne mit Oscar Wilde treffen würde, schon weitere Bücherideen in petto hat, mag sicherlich niemanden verwundern.
Momentan fiebert die gebürtige Lebacherin den ersten Möglichkeiten entgegen, wieder mit ihrer Leserschaft in direkten Kontakt zu treten und im Frühjahr 2021 dann den lang angekündigten Roman „Rattazonk – 7 Tage sturmfrei" vielleicht sogar im Saarland vorstellen zu können.
Ein Tages-/Wochenablauf der Autorin Juma Kliebenstein
Ihre Arbeit als Schriftstellerin setzt Juma Kliebenstein aus einzelnen Bausteinen zusammen, die sie je nach Bedarf täglich neu gewichtet.
Im Mittelpunkt steht das eigentliche Schreiben am Manuskript. „Das ist der wichtigste Baustein, der aber nicht täglich eingebaut wird. Es gibt auch Tage, an denen ich gar nicht schreibe. Wenn ich besonders kreativ bin, schreibe ich aber oft viele Stunden am Stück. Besonders gut gelingt mir das ab dem Nachmittag bis in die Nacht hinein."
Baustein zwei besteht im Austausch mit Verlagen und Veranstaltern. Baustein drei sind „Kreativ-Spaziergänge". „Sie haben einen zentralen Stellenwert für mich. Da gehe ich allein ein, zwei Stunden irgendwo spazieren, wo es mich gerade hinzieht: Das kann eine Fußgängerzone sein, ein Waldweg, eine Vorstadtstraße, und lasse meine Gedanken schweifen. Dabei fotografiere ich gern, was mir auffällt. Alles, was ich sehe, höre, aufnehme, setzt sich irgendwann in meinem Kopf zu einem neuen Puzzlestück zusammen, aus dem sich mit anderen irgendwann ein neues Buch ergibt."
Baustein vier dreht sich um Büroarbeit, wie beispielsweise das Beantworten der Fanpost, aber auch die Pflichtaufgaben wie Steuererklärung und Buchführung. Dann gibt es da noch die Kommunikation mit Lesungsveranstaltern, Verlagen und der Presse. Dazu passt auch Baustein fünf: Die Öffentlichkeitsarbeit inklusive Teilnahme als Jurymitglied in verschiedenen Lesewettbewerben, Auftritte in der Öffentlichkeit und natürlich das Bespielen der sozialen Medien.
Baustein sechs befasst sich mit Fortbildungen und Austausch mit Kollegen. Zu guter Letzt stehen Lesungen und Lesereisen in Schulen, Bibliotheken und Buchhandlungen auf Kliebensteins Tages- und Wochenplan. „Und all diese Bausteine gilt es zu jonglieren. Mal ist mehr Büroarbeit angesagt, mal mehr Social Media, mal mehr Recherchearbeit. Feste Bausteine sind die Kreativspaziergänge, um die herum sich alles andere gruppiert."