Die Frankfurterin Aleksandra Keleman berät Topsportler, wie sie mit veganer Ernährung ihre Leistung verbessern können. Dabei hat sie eine „Superstar-Formel" entwickelt.
Der vierte Stern brachte die Erleuchtung. 2014 wurde die deutsche Fußballnationalmannschaft zum vierten Mal Weltmeister – auch weil der damalige DFB-Koch Holger Stromberg kulinarisch ganz neue Wege ging und auf einmal vorwiegend Pflanzenmilchprodukte und wenig Fleisch für die Verpflegung der Kicker verwendete. Viele Spieler berichteten später, sie hätten sich ohne Tiermilchprodukte viel besser gefühlt. „Das war für mich ein Weckruf", sagt Aleksandra Keleman. Von diesem Zeitpunkt an setzte sie alles daran, diese Botschaft im Sport noch stärker zu verbreiten.
Auf Facebook schrieb die Frankfurterin Athleten aus verschiedenen Sportarten an und empfahl ihnen, ebenfalls auf Tiermilchprodukte zu verzichten. Das Feedback war überraschend positiv – vor allem, wenn man bedenkt, dass die 26-Jährige weder Ernährungswissenschaft, Ökotrophologie noch Medizin studiert hat, sondern Wirtschaftsingenieurswesen an der Technischen Universität Darmstadt. Sie ist auch selbst keine Leistungssportlerin, sondern betreibt den Sport lediglich als Hobby. Die Themen Sport und vegane Ernährung waren somit rein privates Interesse. „Das ist mir so zugeflogen", sagt sie. Trotzdem waren die meisten Athleten sehr aufgeschlossen und beherzigten ihren Ratschlag. „Viele haben es einfach ausprobiert und dann recht schnell den Unterschied gemerkt", sagt Keleman.
Bald gründete sie die Facebook-Gruppe „Top Athletes vegan" mit heute rund 2.500 Mitgliedern. Zu ihren Klienten gehören unter anderem Fußball-Nationalspieler Luca Waldschmidt vom SC Freiburg, Ex-RB-Leipzig-Star Diego Demme, Simon Geschke als einer der besten deutschen Radsportler, Eishockey-Nationaltorhüter Timo Pielmeier, Volleyball-Nationalspieler Jan Zimmermann sowie 400-Meter-Hürdenläufer Constantin Preis, der im vergangenen Jahr erstmals Deutscher Meister wurde und bei der WM an den Start ging. Aber auch Handballer, Basketballer und Kampfsportler zählen zu Kelemans Kunden. Sie erteilt persönliche Beratung, begleitet die Athleten beim Einkaufen, schreibt ihnen Ernährungspläne oder empfiehlt Bioläden. Mit vielen kocht sie sogar gemeinsam.
Die meisten waren sehr aufgeschlossen
Noch vor wenigen Jahren spielte die Ernährung im Sport eher eine untergeordnete Rolle. „Die Bundesligaclubs geben so viel Geld für Trainingstechnik aus. Aber dann holen sich die Spieler auf dem Weg zum Training noch schnell etwas zu essen an der Tankstelle", berichtet Aleksandra Keleman erstaunt von ihren Erfahrungen. Und selbst wenn sich jemand vegan ernährte, dann wurde das nicht groß thematisiert. „Mittlerweile wird jedoch viel mehr Wert auf eine gesunde Ernährung gelegt. In den Clubs gibt es diesbezüglich inzwischen sehr viele Angebote. In diesem Zusammenhang ist auch das Thema Veganismus zunehmend positiv besetzt und wird nicht mehr verheimlicht. Man zeigt auf diese Weise, dass man sich um seinen Körper kümmert. Wenn ich meinen Sport professionell betreiben will, gehört zu dieser Professionalität eben auch gute Ernährung." Keleman sieht darüber hinaus noch weitere positive Auswirkungen einer veganen Lebensweise, etwa auf das weltweite Klima: „Es hängt so viel mit unserer Ernährung zusammen, was uns oft gar nicht so bewusst ist. Aber wir essen nun mal dreimal täglich und können gerade deshalb über unsere Ernährung auch so viel bewirken."
Einer der großen Vorteile veganer Ernährung ist laut Aleksandra Keleman die bessere Verdaulichkeit. „Der Darm ist unser Motor", sagt sie, deshalb sei eine funktionierende Verdauung von zentraler Bedeutung für die Leistungsfähigkeit. „Nur dann können wir Bestleistungen bringen. Wenn etwas schwer verdaulich ist, muss der Körper dafür viel Energie aufbringen, die uns dann an anderer Stelle fehlt. Dadurch sind wir müde und träge und können nicht unsere optimale Leistung abrufen." Und auch abends nach dem Sport sei Fleisch keine gute Option: „Solange man noch verdaut, kommt man nicht in die Tiefschlafphase. Aber gerade dort findet die Regeneration statt, die für Sportler besonders wichtig ist."
Ihre Erfahrungen mit Leistungssportlern hat Aleksandra Keleman in der „Superstar-Formel" zusammengefasst, die sie später auch als Buch veröffentlichen möchte. Kernpunkte der Formel sind die vier K’s: Kauen, kritische Nährstoffe, Kräuter und Keime. „Um die Mahlzeiten so zu gestalten, dass sie perfekt verdaulich sind und maximal viel Nährstoffe liefern, können wir uns vier Wunderwaffen zunutze machen, die alle mit dem Buchstaben K beginnen", erklärt Keleman.
Dabei hat sie nicht nur das Essen an sich im Blick, sondern den gesamten Prozess der Nahrungsaufnahme. Zum Beispiel das Kauen. „Die Verdauung beginnt schon im Mund", sagt sie. Selbst die beste Nahrung helfe nur bedingt, wenn man sie unzerkaut herunterschluckt. „In diesem Fall ist unser Verdauungssystem nicht darauf vorbereitet und hat deshalb viel mehr Arbeit damit, die Nahrung zu zerkleinern. Am besten ist es, die Nahrung schon im Mund gut zu Brei zu kauen, damit das Verdauungssystem vorbereitet ist und die entsprechenden Säuren bereitstellen kann", sagt sie.
Das Konzept richtet sich nicht nur an Leistungssportler
Einer der Hauptkritikpunkte an einer rein pflanzlichen Ernährung ist der Mangel an einigen wichtigen Nährstoffen, mit denen Veganer nicht ausreichend versorgt sind – in erster Linie Jod, Vitamin D und Vitamin B12. Auch Aleksandra Keleman empfiehlt jedem, diese kritischen Nährstoffe notfalls über Nahrungsergänzungsmittel (Supplemente) zu decken. Allerdings ist sie der Meinung, dass dieses Problem keineswegs nur Veganer betrifft. Auch alle anderen, die nicht am Meer wohnen und das Jod aus der Luft bekommen, die ihren Körper nicht täglich ohne Sonnencreme großflächig der Sonne aussetzen, um Vitamin D zu tanken, und die zur Vitamin-B12-Zufuhr nicht täglich ungewaschene Wildkräuter in großen Mengen essen, seien gleichermaßen betroffen.
Gerade diese Kräuter sind aus Sicht von Aleksandra Keleman für eine ausgewogene Ernährung von entscheidender Bedeutung – sie bilden deshalb das dritte K in der „Superstar-Formel". „Kräuter sind die Wunderwaffe der Nährstoffe, eine wahre Nährstoffbombe", sagt sie. Zudem seien Kräuter besonders basisch, während das meiste, was wir ansonsten zu uns nehmen, relativ säurebildend sei.
Das letzte K steht für die gekeimten Samen. Keimlinge sind für Keleman ein Hauptbestandteil der Nahrung, weil sie durch die Keimung gut hydriert sind und dadurch viel leichter verdaut werden können. So kann der Körper auch Mineralien aufnehmen, die zuvor für die menschliche Verdauung unlöslich durch Phytinsäure gebunden waren, wie Eisen, Zink, Magnesium, Calcium oder Phosphor. „Keimlinge sind maximal nährstoffdicht", erklärt sie. Über ihre „Superstar-Formel" sagt Keleman: „Wenn man Topleistungen zeigen will, sollte man das beherzigen. Alles andere ist nicht die Champions League der Ernährung, sondern bloß Regionalliga." Allerdings richtet sich ihr Konzept nicht ausschließlich an Leistungssportler. „Es gilt für alle gleichermaßen. Jeder von uns will Leistung bringen, egal ob im Sport oder im Büro", sagt sie. Sportler würden die Vor- und Nachteile einer bestimmten Ernährungsweise lediglich schneller feststellen als der Rest der Bevölkerung.