Auch in Krisenzeiten gibt es durchaus noch gute Nachrichten
Der Tag begann ätzend. Nachtisch-Radio eingeschaltet, Deutschlandfunk sendete die üblichen Themen: Rassismus, Corona, Amthor. Um Himmels willen, wo ist der Ausschaltknopf? Ins Bad getapst, in der Küche Kaffee gekocht, Phoenix eingeschaltet: Amthor, Corona, Rassismus. Wir drückten sofort die Ausschalttaste.
Wer will das alles noch hören und sehen? Selbst die Geisterspiele der Fußball-Bundesliga interessierten kaum jemanden. Die Einschaltquoten waren im unteren Bereich, auch wenn die Sender etwas anderes behaupten. Der FC Schalke 04 zerfleischt sich derweil mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies von selbst. Bayern München ist Meister, Thomas Müller erzählt deshalb irgendeinen Unsinn. Also das Übliche.
Wir gestalten unseren Alltag seit Wochen anders. Statt Radio hören wir den Musik-Mix auf der speziellen App. Zu Beginn Mozarts Klarinettenkonzert aus dem Film „Jenseits von Afrika". Nun gut, der Film endet tragisch, weil Robert Redford ins Jenseits fliegt. Aber die Musik ist schön. Genau so wie die 100 Minuten vom Leipziger Bachfest, das für Besucher ausfiel. Aber die Veranstalter haben dieses Klassik-Monument ins Netz gestellt. Wir leben heiter immer weiter, auch wenn die Pandemie noch Jahre dauert.
Natürlich interessieren wir uns weiter für Politik. Deshalb schauen wir auf dem Smartphone in Mediatheken und auf Youtube lustige Sendungen mit Volker Pispers, Hanns Dieter Hüsch, Urban Priol und aus der „Anstalt". Wir vertragen nur die Wahrheit. Die Beiträge sind zwar schon etliche Jahre alt, aber immer noch besser als das, was uns heute geboten wird.
Gibt es eigentlich noch gute Nachrichten? Auf der Suche danach blättern wir in der „Freizeit Revue". In Monaco sollen Fürst und Fürstin ein drittes Baby haben wollen. Die Kollegen hatten herausgefunden, dass die Fürstin ein Kinderkrankenhaus besucht hatte. Sie soll gelächelt haben. Birgit Schrowange lächelt auch, hat einen neuen Mann, will aber nicht heiraten. Sind wir eigentlich bescheuert? Das sind doch auch alles Meldungen, die die Welt nicht braucht.
Uns fiel der Virologe Christian Drosten ein: „Ich habe Besseres zu tun." Also machten wir uns auf die Socken und begaben uns in die Natur, fuhren übers Land, guckten Menschen beim Erdbeer-Pflücken zu, weil – wir können nicht. Wir haben Rücken. Deshalb erfreuten wir uns an den Blüten, was auf dem Boden herumkrabbelt, bekommen wir gar nicht mit.
Inzwischen hat eine Freundin sich die Natur auf ihren Balkon geholt. Eines Morgens habe sie an ihrem Rosenstock jede Menge Blattläuse entdeckt. Einer der Corona-Gewinner ist zweifellos der Versender Amazon, wo es sogar Marienkäfer-Larven zu kaufen gibt. Tatsächlich verschwanden immer mehr Blattläuse, und die Larven wurden immer dicker. „Die Natur ist wie das menschliche Leben. Die Großen fressen die Kleinen", sprach die Freundin, worauf wir sie baten, bitte jetzt nicht mit Politik oder Wirtschaft anzufangen.
Sich auf eine neue Lebenssituation einstellen, alles noch mehr entschleunigen. Der Besuch eines Friseurs erschien uns zu umständlich, weshalb wir eine Haarschneide-Maschine für 35 Euro bestellten. Klappt ganz gut, wir gucken neuerdings auch weniger in den Spiegel. Immerhin haben wir so um die 50 Euro gespart.
Von dem Ersparten werden wir uns einen Nistkasten für Vögel kaufen. Besagte Freundin fährt vorerst nicht in Urlaub, holt sich Besuch nach Hause. Während des ganzen Jahres streut sie Vogelfutter. Und siehe da: Regelmäßig flattern Kohlmeisen, Stieglitze, Sperlinge oder Buntspechte heran. Ein Wellensittich aus Südamerika, eingesperrt in einem Käfig, käme für sie niemals infrage.
Schon erstaunlich: Während um uns herum die Welt vor ihrem Untergang stehen soll, wächst und blüht alles weiter auf dem Balkon der Freundin: Lorbeer, Lavendel, Erdbeeren, Kamille, Kartoffeln, Bohnen, Blaubeeren. Zum Schluss zeigt uns die Freundin einen Baldrian-Strauch: „Das braucht man, wenn man die Nachrichten geguckt hat."
Wie schon der legendäre ehemalige Eintracht-Frankfurt-Trainer Dragoslav Stepanović wusste: „Lebbe geht weider." Also, zurück zur Natur.