Eigentlich sollte die Tarifstruktur des Saar-ÖPNV umgebaut werden. Doch dann kam das Virus, die Lage änderte sich. Die Tarifreform wird verschoben. Die Busunternehmen warten nun händeringend auf das Geld vom Bund.
Nächste Haltestelle – trotz Coronavirus. Während der kritischen Zeit der Pandemie im Saarland lief der öffentliche Personennahverkehr trotzdem weiter. Denn der gehört zur Daseinsvorsorge der Kommunen. Gerade für Menschen im ländlichen Raum, die über kein Auto verfügen oder keinen Führerschein besitzen, ist ein Nahverkehrsangebot in ihrer Gemeinde oft unverzichtbar.
Um die Vorschriften zum Infektionsschutz einzuhalten und die Sicherheit der Kunden und der eigenen Angestellten zu gewährleisten, mussten die Busunternehmen in den vergangenen Monaten in Rekordzeit ein Hygienekonzept entwickeln. Dazu gehört beispielsweise die regelmäßige aufwendige Desinfizierung der Busse, Hinweisschilder zur Hygiene, zur Mund-Nasen-Bedeckung, der mittlerweile obligatorische Spuckschutz an der Fahrerkabine. Gerade zu Beginn der Pandemie verzichteten die Unternehmen außerdem auf den Fahrkartenverkauf im Bus, um Kontakte zwischen Fahrern und Kunden zu vermeiden. Damit die Kollegen ausgelastet waren, konnten Busunternehmen, die neben dem Nahverkehr auch im Reisegeschäft tätig sind, Fahrer ihrer Reisebusse, die in den vergangenen Monaten nicht fahren konnten, für den ÖPNV einsetzen.
Trotz aller Anstrengungen zum Infektionsschutz ging die Nachfrage des ÖPNV deutlich zurück. Laut Arne Bach, Geschäftsführer von Saar-Mobil, reduzierte sich die Anzahl der Gäste um circa die Hälfte in den vergangenen Monaten. Ungewiss ist, ob die ausgebliebenen Kunden, die zurzeit auf Fahrten verzichten oder mit Auto oder Fahrrad unterwegs sind, nach der Krise einfach wieder auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Für die Betreiber der Linien bedeutet das, trotz Einbußen im aktuellen Geschäftsjahr ab diesem Herbst in Marketingmaßnahmen zu investieren, um das Vertrauen der Bürger in Bus und Bahn wieder zu steigern. Dafür sollen auch die Einnahmen, die durch die Mehrwertsteuersenkung entstehen, verwendet werden. Im Gesamtverbund der saarländischen Nahverkehrsangebote, der saarVV, wird darüber nachgedacht, Gelegenheitskunden durch Angebote wie Feiertags- oder Eventtickets wieder in die Busse zu locken. Die Fahrpreise einfach zu reduzieren wäre durch die Struktur des Verbundes und deren Angebot mit Monats- und Jahreskarten nicht ohne Weiteres möglich, heißt es.
Fahrgastzahlen halbiert
Wie es finanziell für die Betreiber weitergeht ist in vielen Bereichen noch nicht geklärt. Zwar stehen Milliarden Euro des Bundes und der Länder zum Ausgleich der Verluste bereit, Anträge dazu können aber noch nicht eingereicht werden. Die Stadtwerke Saarbrücken rechnen nach Jahren in der Gewinnzone wieder mit einem Verlust von fünf Millionen Euro im Verkehrsbereich. Außerdem ist beispielsweise die Tarifreform des saarVV aufgrund der derzeitigen Lage mindestens bis April kommenden Jahres verschoben worden. Für das laufende Geschäftsjahr besteht auch noch kein konkreter Plan.
„Was uns im Moment zugesagt wurde ist, dass die Einnahmeausfälle mindestens für dieses Jahr ausgeglichen werden, aber wir haben auch noch keine konkreten Regelungen gesehen", meint dazu Arne Bach. Wie es finanziell für das kommende Jahr aussieht hängt stark davon ab, wie sich die Nachfrage am ÖPNV entwickelt. „Sollten die Fahrgastzahlen dann wieder auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr sein, ist alles in Ordnung, aber wenn die Zahlen weiterhin niedrig bleiben, dann müssen wir sehen, wie es weitergeht", so Bach weiter. Sollte die Nachfrage niedrig bleiben könnte das im schlimmsten Fall bedeuten, dass Fahrten und Linien reduziert werden müssten.
Um die Wende hin zu einem modernen und attraktiven öffentlichen Personennahverkehr zu schaffen ist für Saar-Mobil eine gute Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, die in der Regel die Auftraggeber der Busunternehmen sind, und den Busunternehmern besonders wichtig. Projekte, wie die Umstellung auf Elektrobusse oder den Linienausbau, können ihrer Meinung nach nur gemeinsam und als Zuschussgeschäft durch die Kommunen umgesetzt werden. Andernfalls könnte man weder angemessene Preise noch eine vernünftige Taktung der Fahrzeuge auf den Linien anbieten.
Ohne Nachfrage kaum Investition
Hier hätte sich das Unternehmen schon in der Vergangenheit ein klares Eintreten für den öffentlichen Personenverkehr durch die Politik gewünscht. Schon in den vergangenen Jahren hätte wichtige Weichen für die Nachhaltigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs gestellt werden können, um den Anforderungen und Wünschen der Bürger Genüge zu tun. Um in Zukunft besser auf das Infektionsgeschehen, vorbereitet zu sein, überlegen die Betreiber bei Saar-Mobil außerdem, auch in der Zeit nach Corona an einigen der neuen Maßnahmen festzuhalten. Im Hinblick auf die Installation von einem Spuckschutz in den Bussen meint dazu Dominik Lay, der durch das Unternehmen Lay Reisen on Tour bei Saar-Mobil beteiligt ist: „Wir überlegen, das nicht nur provisorisch umzusetzen, sondern dauerhaft, sodass der Fahrer nur noch durch einen Schlitz das Geld annimmt und die Fahrkarte an den Kunden übergibt".
Insgesamt bleibt den privaten Busunternehmen zurzeit aber nicht viel mehr übrig als abzuwarten. Und sich auf mögliche Szenarien, wie zum Beispiel eine zweite Welle oder aber im Optimalfall normalen Betrieb im kommenden Jahr, einzustellen. Sollten die Werbemaßnahmen erfolgreich sein und die Bürger im Saarland wieder Vertrauen zum Fahren mit Bus und Bahn schöpfen, hofft Saar-Mobil, dass der ÖPNV mit einem blauen Auge davonkommt.