Busse und Bahnen der Berliner Verkehrsbetriebe füllen sich wieder, sagt Jannes Schwentuchowski, Pressesprecher der BVG. Die U-Bahn mit zwei Millionen Fahrgästen täglich sei das Rückgrat der Berliner Mobilität – vor und nach Corona.
Herr Schwentuchowski, welche Erfahrungen haben die Berliner Verkehrsbetriebe in der Corona-Zeit gemacht?
Auch bei uns hat Corona vieles verändert. Wie in wahrscheinlich jedem Unternehmen hatte und hat die Corona-Pandemie gravierende Auswirkungen auf sehr viele Prozesse und interne Abläufe – Abstands- und Hygieneregeln, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die kurzfristig die Betreuung ihrer Kinder neu organisieren mussten, und so weiter. Für die Fahrgäste viel greifbarer war aber natürlich, was der Ausbruch der Corona-Krise für die großen gelben Busse und Bahnen bedeutete. Und gerade zu Beginn gab es da vor allem eins: Leere. Unsere Fahrgastzahlen waren zwischenzeitlich um drei Viertel zurückgegangen. Geschlossene Schulen, Kitas, Geschäfte, Restaurants, Clubs und viel Arbeit im Homeoffice – die Menschen waren einfach viel weniger mobil als sonst.
Haben Sie daraufhin die Fahrpläne zusammengestrichen?
Unser Angebot hatten wir in der Spitze nur um 13 Prozent reduziert und das, um langfristig dichte und verlässliche Takte anbieten zu können. Denn Mitte März wusste niemand genau, wie lange die größten Einschränkungen dauern würden, ob etwa Ersatzteile weiterhin pünktlich kommen werden. Seit Anfang Mai fahren wir nun aber schon wieder „100 Prozent".
Fahren heute weniger Menschen mit dem ÖPNV als vor Corona?
Inzwischen verzeichnen wir wieder rund 60 bis 70 Prozent der gewohnten Nachfrage. Aber natürlich ist die Corona-Krise noch nicht vorbei, und das zeigt sich auch im Mobilitätsverhalten. Viele Berlinerinnen und Berliner arbeiten weiterhin von zu Hause, der Tourismus kommt nur sehr langsam wieder in Gang und Großveranstaltungen finden weiterhin nicht statt oder – wie beim Fußball – ohne Publikum. Das heißt natürlich auch, dass viele Fahrtanlässe aktuell schlichtweg wegfallen.
Wie hat sich das Fehlen der Touristen bemerkbar gemacht? Haben Sie das gemerkt?
Definitiv! Mehr noch als auf den beiden Innenstadtlinien 100 und 200 haben wir den fehlenden Flugverkehr am Flughafen Tegel gemerkt. Die Flughafenbusse, insbesondere der TXL, waren teilweise fast leer. Das gab es vor Corona nie. Wir haben das genutzt und vor den Sommerferien, als die Schulen nach und nach wieder für bestimmte Jahrgänge öffneten, Leistung von den Flughafenlinien, aber auch vom 100er, abgezogen und in den Schülerverkehr verlagert. So konnten wir dafür sorgen, dass es auf dem Weg zur Schule viel Platz gab.
Würden mehr Menschen mit der U-Bahn fahren, wenn sie sauberer wäre und sie sich sicherer fühlten?
Die U-Bahn ist das Rückgrat der Berliner Mobilität. Kein anderes Verkehrsmittel hat so viele Fahrgäste – rund 600 Millionen im Jahr, an Werktagen normalerweise fast zwei Millionen. Man kann also nicht davon sprechen, dass sie nicht genutzt würde, auch nicht in der aktuellen Situation! Corona hat dafür gesorgt, dass die Menschen auch im öffentlichen Nahverkehr und damit der U-Bahn sensibler für das Thema Hygiene und Sauberkeit geworden sind. Natürlich wurden unsere Fahrzeuge auch „vor Corona" regelmäßig und gründlich gereinigt. Aber wir haben, um für noch mehr Sicherheit zu sorgen, zusätzliche Reinigungen insbesondere von Griffen, Haltestangen und Türtastern eingeführt. Auch öffnen dort, wo es technisch möglich ist, die Türen an den Bahnhöfen nun automatisch.
Jetzt geht es aber mehr um die Ansteckung in geschlossenen Räumen mit abgestandener Luft …
Das ist richtig. Inzwischen hat sich bezüglich der möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus das Hauptaugenmerk weg von der sogenannten Schmierinfektion hin zu den Aerosolen bewegt. Und seit Ende April gilt auch in unseren Fahrzeugen und Bahnhöfen die in der aktuellen Situation sehr sinnvolle Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Halten sich die Menschen an die Maskenpflicht? Oder braucht es mehr Kontrolle und härtere Strafen?
Wir waren zunächst wirklich begeistert, wie gut die Berlinerinnen und Berliner das angenommen und beherzigt haben. Mit zunehmenden Lockerungen und „Corona-Müdigkeit" schwindet bei einigen nun leider die Disziplin, weshalb wir bei der BVG neben dem behördlichen Bußgeld, das von Polizei und Ordnungsamt verhängt werden kann, inzwischen auch eine Vertragsstrafe in unsere Nutzungsbedingungen aufgenommen haben. Wer sich weigert, eine Maske zu tragen, riskiert nun mindestens 50 Euro.
Andere Städte klagen über hohe Verluste durch die Pandemie – wie ist das bei der BVG?
Auch bei uns sind die Ticketverkäufe zunächst stark eingebrochen, im sogenannten „Barverkauf" um zunächst bis zu 90 Prozent. Nach Jahren der Fahrgastrekorde und stetig steigenden Abonnentenzahlen war Corona also ein gehöriger Dämpfer. Aber gerade bei unseren Abonnenten zeichnet sich ab, dass sie uns die Treue halten. Jedenfalls haben wir nur moderat erhöhte Kündigungszahlen. Das stimmt uns sehr positiv, was die Zeit „nach Corona" angeht. Aber ja: Es geht auch bei der BVG um hohe Millionenbeträge, die in der aktuellen Situation verlorengehen. Hier brauchen wir die Unterstützung der Politik. Denn fest steht: Ohne einen starken ÖPNV geht es auch und erst recht in Zukunft nicht. Wenn wir nach der Corona- nicht in eine Klima-Krise rutschen wollen, brauchen wir umweltfreundliche Busse und Bahnen. Von einer Abwendung des Verkehrsinfarkts in unseren Städten mal ganz abgesehen.
Die Fahrer in den Bussen sind durch eine transparente Folie abgetrennt von den Passagieren – wie lange bleibt das noch so?
Ja, das war eine der ersten Corona-Maßnahmen, die für unsere Fahrgäste relevant wurde: Um eine gegenseitige Ansteckung von Fahrpersonal und Fahrgästen zu vermeiden, haben wir uns früh entschlossen, den Vordereinstieg beim Bus und damit auch den Ticketverkauf an Bord auszusetzen. Denn die Fahrerinnen und Fahrer können sich nicht ständig die Hände waschen, was nach dem vielen Geldwechsel angesichts dieser besonderen Situation geboten wäre. Später kamen dann die Folien dazu, auch, damit das Fahrpersonal unbesorgt ohne Maske fahren kann. Die Folien sind allerdings ein Auslaufmodell – wir werden nun alle Busse, immerhin rund 1.500 Stück und das bei unterschiedlichen Modellen, mit richtigen Trennscheiben für den Fahrerarbeitsplatz ausstatten. Anschließend kann die vordere Tür dann wieder geöffnet werden, und es gibt auch beim Fahrpersonal wieder Tickets zu kaufen.
Gibt es in Zukunft mehr Möglichkeiten, berührungslos zu zahlen?
Ja, bargeld- und berührungsloses Zahlen sind auch bei uns auf dem Vormarsch. An unseren stationären Automaten kann schon seit einer Weile nicht nur mit Karte, sondern auch kontaktlos zum Beispiel mit dem Handy gezahlt werden. In der Straßenbahn testen wir gerade eine neue Automatengeneration ebenfalls mit kontaktloser Kartenzahlung. Und auch beim Bus wird es künftig die Möglichkeit zur Kartenzahlung geben. Gut 20 Prozent unserer Ticketverkäufe wurden schon vor Corona über unsere Handy-Apps „BVG FahrInfo" beziehungsweise „BVG-Tickets" abgewickelt. Und am einfachsten haben es seit jeher unsere Abonnenten: Sie haben ihr Ticket einfach als Chipkarte dabei und können mit dieser Flatrate einfach einsteigen.