Ein Haus zu kaufen, könnte billiger werden – aber nicht für lange. Denn der vor der Corona-Krise schon überhitzte Immobilienmarkt leidet weiter an zu hoher Nachfrage bei zu wenig Wohnraum, sagt Immobilienökonom Peter Becker. Neubauten werden noch teurer – Probleme, die das Saarland mit anderen Bundesländern teilt.
Herr Becker, wie entwickeln sich die Immobilienpreise speziell für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser im Saarland gegenüber den anderen Bundesländern?
Im Grunde genommen entwickeln sich viele Standorte in Deutschland homogen auch das Saarland. Ausgenommen sind die „Big Seven", allen voran München und Berlin.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Preise im Saarland seit fünf Jahren einen stärkeren Anstieg zu verzeichnen hatten im Gegensatz zum Durchschnitt der Vorjahre. Zwischenzeitlich wird die Kurve aber flacher und Corona wird sicherlich einen Sondereffekt 2020 mit sich bringen.
Ausgenommen sind die Preisentwicklungen für Grundstücke und für den Neubau von Wohnimmobilien. Bauland ist knapp und begehrt. Die Bodenrichtwerte im Saarland hinken weit hinter den tatsächlich bezahlten Werten her. Eine Neuordnung der Bodenwerte in allen Landkreisen würde unsere Branche sehr begrüßen. Trotz Corona gehen wir von einer weiteren Verteuerung der Baupreise aus, sodass wir keine Stabilisierung der Preise für den Neubau erfahren werden.
Besteht im Saarland immer noch Nachholbedarf?
Das ist schwer zu beantworten. Es gibt Regionen, in denen verspürt man den demografischen Wandel in ausgeprägter Form, und dann gibt es woanders eine hohe Nachfrage und ein überschaubares Angebot mit einhergehend weiter steigenden Preisen.
Was aber weiterhin seit Jahren fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum in Städten und deren Speckgürtel. Vielerorts sind die Mieten bei zehn Euro und mehr je Quadratmeter im Monat angekommen.
Vor drei bis vier Jahren wurde erstmalig die Grenze von 4.000 Euro für den Quadratmeter Neubau in Saarbrücken und Saarlouis überschritten. Wie sieht das Preisniveau heute aus?
Die Preise in den Premiumlagen sind weiter gestiegen. In Saarbrücken gibt es Projekte mit 5.000 Euro und sogar etwas darüber. Gleiches gilt für Speyer, Trier oder Mainz. Ansonsten sind aber auch die durchschnittlichen Wohnlagen in Saarbrücken, Saarlouis, Homburg und Merzig preislich gestiegen.
Wenn auch in diesen ländlichen Regionen alle in die Stadt wollen, was passiert dann mit den leer stehenden Immobilien auf dem Land?
Auf dem Land kauft das Klientel, das sich in den Städten und Speckgürteln keine Immobilie leisten kann. Oft übernimmt diese Käuferschicht die komplette Modernisierung und den Umbau in Eigenregie. Aber es sind nicht nur ökonomische Beweggründe. Nach wie vor gibt es Menschen, die das beschauliche und ruhige Landleben dem Stadtleben vorziehen. Das könnte durch Corona einen Schub bekommen, denn auf dem Land lebt es sich in der Regel sicherer, nicht nur was das Infektionsgeschehen angeht. Dort herrscht auch weniger Kriminalität im Gegensatz zur Stadt. Wir sprechen bereits von einer Renaissance des ländlichen Raums. In diesem Zusammenhang begrüßen wir im Saarland das neue Programm der Saarländischen Investitions- und Kreditbank, die für den Kauf und für die Modernisierung älterer leer stehender Immobilien hohe Zuschüsse bereithält. Das ist durchaus lukrativ für Familien mit Kindern und soll auch der Verödung der Ortskerne im ländlichen Raum entgegenwirken.
Trotz Preissteigerungen – das Saarland ist noch immer billiger als beispielsweise Luxemburg. Wie sieht die Entwicklung unweit der Grenze aus?
Die Kreisstadt Merzig hat in den vergangenen fünf Jahren enorm für den Landkreis hinzugewonnen. Kaum ein Landkreis hat so aktiv Baugenehmigungen ausgesprochen, teilweise sogar über Bundesdurchschnitt. Das hat natürlich auch mit Luxemburg zu tun, aber auch mit der Attraktivität der Stadt und der Nähe zur Region Trier-Saarburg, auf der über die B 268 reger Pendelverkehr in der Woche stattfindet. Die Gemeinde Perl gilt übrigens aufgrund der Nähe zu Luxemburg als eine Ausnahme. Wie sich die Bau- und Preisentwicklung in den nächsten Jahren abzeichnet, bleibt abzuwarten. Wir rechnen mit einer weiterhin guten, aber etwas geringeren Nachfrage als in den vergangenen Jahren.
Wie könnte sich die Corona-Pandemie konkret auf den Immobilienmarkt auswirken? Nachfragedämpfende Faktoren wären doch denkbar, zum Beispiel längere Kurzarbeit, steigende Arbeitslosigkeit bei hohen Kaufnebenkosten.
Diese Frage lässt sich nur subjektiv beantworten. Ich denke, dass sich der gewerbliche Immobilienmarkt bereits in den Vorläufern eines bedeutenden Strukturwandels befindet. Die Innenstädte werden ihr Bild verändern und viele bekannte Namen werden verschwinden. Der Onlinehandel hat dank Corona eine Vitaminspritze ohnegleichen erhalten. Wohnen hingegen muss man immer, auch während und nach einer Krise. Es ist anzunehmen, dass sich die Anforderungen an Wohnraum verändern. Möglicherweise erhöht sich das Angebot in der Stadt, wenn notleidende Gewerbeflächen auf den Markt kommen und keinen Folgemieter finden. Technische Anforderungen an Wohnräume wie Glasfaseranschluss werden sicherlich zunehmen.
Lohnt sich das Investieren in Beton also immer noch, da das Anlegen am Kapitalmarkt so gut wie keine Zinsen mehr bringt?
Die Immobilie weist brutto wie netto immer noch mehr Rendite auf als klassische Geldanlagen. Aber weiter mit sinkender Tendenz. Die Schere zwischen Mieten und Kaufpreisen ist in Deutschland immer weiter auseinandergegangen. Wer vier oder sogar fünf Prozent Anfangsrendite bei einer Wohnimmobilie erwartet, wird keine Befriedigung finden. Sollten sich die Aktienmärkte erholen, Anleger zum richtigen Zeitpunkt einkaufen oder bereits eingekauft haben, werden die Renditen durchaus über denen der Immobilien liegen. Das könnte auch einen Anlagewechsel mit sich bringen.
Auf jeden Fall ist davor zu warnen, auf „Teufel komm raus zu bauen" und Bedarf und Lage außer Acht zu lassen.
Was trägt die Politik dazu bei, dass Bauen günstiger wird? Eigentlich werden doch nur die gesetzlichen Auflagen erhöht wie etwa der Nachweis von Stellplätzen, Brandschutz, die Energieeinsparverordnung. Außerdem ist im Saarland die Grunderwerbssteuer mit 6,5 Prozent extrem hoch, und die Baukosten steigen zusätzlich.
Leider ist das so. Dazu zählt mittlerweile auch die weitere Stärkung der Mieterrechte.
Besonders beklagt werden in der Branche die immer länger dauernden Genehmigungsprozesse. Je nach Größe eines Neubauprojektes redet man nicht mehr von Monaten, sondern rechnet in Jahren. Das ist gefährlich, denn wenn Trends sich zwischenzeitlich ändern, wird die Realisierung eines Projekts zu ursprünglichen Gegebenheiten zum schwer kalkulierbaren Risiko.
Welche steuerlichen Anreize für den Erwerb von Eigentum gibt es?
Es gibt eine Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau. Neben den regulären zwei Prozent linear gibt es zusätzliche fünf Prozent für die ersten vier Jahre. Das sind in Summe 28 Prozent und ein attraktiver Anreiz. Zudem fördert die KfW die Umsetzung des Standards KfW 55, also besonders energieeffizient, mit einem Zuschuss von bis zu 18.000 Euro.
Was empfiehlt der Fachmann: Wie viel Eigenkapital sollte der Bauwillige derzeit mitbringen?
20 bis 30 Prozent sind eine gute Faustregel. Aber der Fachmann empfiehlt auch, so viel wie möglich zu tilgen. Wir rechnen zwar nicht mit einer mittelfristigen Zinswende, aber wenn sie kommt, dann sollte man bereits ordentlich getilgt haben.
Welche Trends zeichnen sich künftig im Immobilienmarkt ab?
Die Nachfrage nach größeren Wohnungen, ab 100 Quadratmeter, lässt nach. Es ist eine weitgehende Marktsättigung festzustellen. Und auch die Preise haben für eine zurückhaltende Nachfrage gesorgt. Das gilt nicht für Premiumlagen. Zurzeit werden Wohnungen zwischen 70 und 80 Quadratmeter bevorzugt erworben, aber auch Zweizimmerwohnungen mit 50 bis 60 Quadratmeter sind nachgefragt.
Für Studentenappartements erwarte ich eine zurückhaltende Entwicklung, denn Corona dürfte an dieser Wohnform sicher nicht spurlos vorübergehen.