Frau trägt diesen Sommer gewissermaßen Kübel. In der Hand und auf dem Kopf. Denn Bucket Hats & Bags sind gleichermaßen angesagte Trends in der Hüte- und Handtaschen-Abteilung.
Mit einem Paukenschlag eroberte vor einigen Jahren das blutjunge New Yorker Label Mansur Gavriel die Handtaschenwelt. In Zeiten, in denen allgemein schon vom Verschwinden der It-Bags die Rede war, brachte der Newcomer 2015 ein Exemplar auf den Markt, das auf Instagram einen geradezu hysterischen Hype auslöste und von Promi-Ladys wie Sienna Miller, Miranda Kerr, Kirsten Dunst oder Alessandra Ambrosio stolz ausgeführt wurd. Durch geschicktes, die Produktionszahlen limitierendes Marketing, wurde es zu einem begehrten Must-have für viele Fashionistas weltweit. Kurzzeitig war keine Rede mehr von der „Birkin Bag" von Hermès oder der „2.55" von Chanel. Nicht zuletzt deshalb, weil das Mansur-Gavriel-Accessoire mit rund 500 Euro erschwinglicher ist als die zuvor genannten. Obwohl für das Mansur-Gavriel-Modell nur hochwertiges Leder verarbeitet wurde und auch das Innenleben mit knallbunter Optik durchaus aus dem Rahmen des Üblichen fiel, wurde häufig in den Medien, beispielsweise im „Stern", von einem „luxuriösen Turnbeutel" gesprochen: „Tunnelzug auf, alles rein", so der „Stern", „zuschnüren und ab über die Schulter. Schön und praktisch, das erfüllen nicht viele Designerstücke."
Blieb eigentlich nur noch das lästige Problem mit der Taschenform-Zuweisung zu klären. Denn Assoziationen mit Eimern oder Kübeln wollten sich beim Betrachten der Tasche beim besten Willen nicht einstellen, auch wenn sie offiziell unter die „Bucket Bags" (bucket = Eimer, Kübel) eingereiht wurde. Gelegentlich wurde daher „Bucket" einfach mit „Beutel" übersetzt. Oder es wurden, wie bei „Harper’s Bazaar", exakte Definitionen des Taschentyps angeboten: „Die klassische Bucket Bag zeichnet sich durch eine abgerundete Form aus, hat keine Innentaschen und einen langen Henkel mit Tunnel-Verschluss." Das machte eine Unterscheidung von der 1936 erstmals in Erscheinung getretenen „Hobo Bag" nicht gerade einfach. Aber diesbezüglich bot „Harper’s Bazaar" die Erklärungshilfe an, dass die Bucket Bag meist deutlich robuster als die butterweiche Hobo Bag daherkomme. Beide sind gewissermaßen eine Kreuzung aus Turnbeutel und sehr geräumiger „Tote Bag" (Einkaufstasche).
Die zitierte Definition der Bucket Bag, wie sie in ähnlichem Wortlaut auch in den meisten anderen Medien nachzulesen war, hat allerdings einen erheblichen Haken. Denn es gibt durchaus auch Varianten der Bucket Bag, die tatsächlich an Eimer oder Kübel erinnern. Da laufen durch die Jahrzehnte gewissermaßen zwei Gestaltungsstränge nebeneinander her. Der Prototyp der Beuteltasche ist das Modell „Noé" von Louis Vuitton aus dem Jahr 1932. Und die Eimerform ohne Kordelzug oder Tunnel-Verschluss wurde von Hermès in den 50er- und frühen 60er-Jahren populär gemacht. Diesen Sommer sind beide Versionen in den Kollektionen renommierter Designer vertreten, Frauen haben daher die Qual der Wahl. Beide haben grundlegende Details gemeinsam. Der flache Boden ist rund oder oval gestaltet, die Form zylindrisch gehalten. Es gibt beide Typen von Bucket Bags in Formaten von Mini- bis Midi-Size. Das Innenleben ist geräumig und verfügt in der Regel über keine zusätzlichen Interieur-Fächer. Hochwertige Exemplare sind natürlich aus Leder gearbeitet. Ob sie mit Griffen, Henkeln oder Trageriemen ausstaffiert sind, ist letzlich eine Entscheidung des Designers.
Aber auch für die Nachfolge von Mansur Gavriels legendärer Vorgabe mit Tunnelzug haben sich aktuell viele Labels entschieden. J. W. Anderson sind in seiner Funktion als Loewe-Chefdesigner wohl die attraktivsten und praktischsten Umsetzungen gelungen, weil er die Bags außen und innen mit Zusatztaschen ausgestattet hat. Das hilft dabei, die unschöne Begleiterscheinung dieses Handtaschen-Typs zu vermeiden, nämlich den Inhalt regelrecht zu verschlucken oder komplett durcheinanderzuwirbeln. Schöne Modelle gibt es aber auch von Oscar de la Renta, Brandon Maxwell, Lanvin (mit ausgestanztem Griff und in Pastelltönen gehalten), Prada oder Max Mara (aus Stroh und Leder).
Gemeinhin werden die Beutelchen, die ab der Renaissance von beiden Geschlechtern am Gürtel und später als ähnliche „Ridicules" von den adligen Damen rund um Madame de Pompadour am Hofe von Versailles getragen wurden, als Vorläufer der beuteligen Bucket-Bag-Variante angesehen. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts tauchten dann größere Frühformen dieser speziellen Handtasche auf, die aber erst mit der „Noé" ihre verbindliche Gestalt erhalten sollte. Die „Noé" wurde allerdings ursprünglich keineswegs als eine Bag für Damen konzipiert, sondern ein Champagner-Produzent hatte 1932 bei Gaston Louis Vuitton angefragt, ob dieser ihm ein robustes, aber dabei möglichst modisch elegantes Behältnis für den Transport von fünf Flaschen Schaumwein anfertigen könnte. Die mit einem Zugbandverschluss versehene „Noé" war noch nicht mit dem ikonischen Monogramm-Print geschmückt, sondern kam in blass-goldigem Leder daher und griff damit die Farbe des Champagners auf.
Beuteltaschen gibt es seit der Renaissance
Während des Zweiten Weltkrieges wurden deutlich auch von Seemanns-Kleidersäcken inspirierte immer größere Bucket Bags aus strapazierfähigen Materialien wie Leder oder Wolle gebräuchlich, die von der kalifornischen Firma Koret entworfen worden waren. Nach dem Krieg wurden sie auch von der Damenwelt als Riesenhandtaschen genutzt. Die Alternative sollten die von Hermès eingeführten kübelähnlichen Bucket Bags werden. In den späten 60er- und frühen 70er-Jahren sollte die amerikanische Sportswear-Designerin Bonnie Cashin als Chef-Kreative des Labels Coach die Beutel-Buckets weiter modernisieren. In den 80ern präsentierte Chanel dann eine rechteckige Bucket Bag, Ende des Jahrzehnts kehrte Fendi mit einer Micro-Bucket fast zu den Ridicules-Anfängen zurück. In den 90er-Jahren waren Bucket Bags vor allem in den Kollektionen von Prada, Salvatore Ferragamo oder Coach dauerhaft vertreten. Ab den Nullerjahren flachte das Interesse an dieser Handtaschenform deutlich ab und wurde erst durch Mansur Gavriel wieder so richtig erweckt.
Diesen Sommer gesellt sich zum Bucket-Trend bei den Handtaschen auch noch ein Run auf ähnlich kübelförmig gestaltete Kopfdeckungen, die bis in die 90er-Jahre hierzulande nur als Fischerhüte bekannt waren und heute im Neuenglischen „Bucket Hats" genannt werden. Die neue Vorliebe der Designer und der Damenwelt gleichermaßen dürfte für dieses Accessoire doch einigermaßen überraschend sein. In den 90er-Jahren waren die Fashionistas zwar schon einmal dem schlappen Anglerhut ansatzweise ins Netz gegangen, aber ansonsten war er eigentlich nur auf den Köpfen von Kindern, Fischern, Rappern, Freizeitpark-Touristen oder konservativ-bürgerlichen Rentnern auf Sightseeing-tour zu sehen gewesen. Aber vor allem dank Rihanna und Miuccia Prada ist ihm aktuell ein grandioses Comeback gelungen. „Harper’s Bazaar" hat ihn denn auch gleich als „die beste Idee unter der Sonne" und als den besseren Strohhut deklariert.
Denn der Bucket Hat erinnere zwar optisch irgendwie an einen umgekippten Eimer, sei aber ungemein praktisch und habe in den neuen Interpretationen der Designer nur noch wenig von seinem einstmals schrulligen Image behalten. Zeitgleich mit den Bucket Bags hat die Renaissance des Fischerhuts bereits im Sommer 2018 unter der Ägide von Labels wie Prada, Michael Kors oder Loewe eingesetzt. Aktuell ist die Palette an unterschiedlichsten Modellen riesengroß, die aus hochwertigen Materialien und in allen nur erdenklichen Farben oder Musterungen erhältlich sind.
Ursprünglich war der Bucket Hat als funktionelle Kopfbedeckung, vor allem als Schutz gegen Regen, Anfang des 20. Jahrhunderts für irische Farmer und Fischer entworfen worden. Dabei war die schräg abfallende Krempe das wichtigste Detail. Besonderer Wert wurde auch darauf gelegt, dass der Hut bei Bedarf knitterfrei in die Tasche gesteckt werden konnte. Schnell wurde er auch von der britischen Upperclass als Kopfbedeckung für Jagdausflüge beliebt. Um schließlich seinen Einzug beim Militär rund um die Welt zu halten, vor allem bei den Kämpfen in Vietnam zwischen den 50er- und 70er-Jahren gehörte er zur Standardausrüstung. In den 60er-Jahren fand er dank der Mods Eingang in die Alltagsmode. In den 80er-Jahren wurden Bucket Hats ein Markenzeichen vieler Rapper. Dank Britney Spears und ihrem Film „Not a Girl" aus dem Jahr 2002 ist auch die Damenwelt wieder auf den Fischerhut aufmerksam geworden.
Schon ein Jahr zuvor hatten die Olsen-Schwestern Bucket Hats in ihrem Leinwandstreifen „It takes Two – London, wir kommen" getragen. Dennoch verhielt sich ein Großteil der Damenwelt dem Fischerhut gegenüber weiterhin recht reserviert, daran konnte auch Miuccia Prada mit einer Großoffensive im Sommer 2005 nichts ändern, als sie feminine Umsetzungen samt Pfauenfedern und Allover-Glitter auf dem Laufsteg präsentiert hatte. Rund ein Jahrzehnt später war es dann Rihanna vorbehalten, durch eigene Hutentwürfe und das häufige Tragen von Bucket Hats bei öffentlichen Auftritten, dem Anglerhut endlich zum Durchbruch in der Modewelt zu verhelfen.