Drei Schlösser – Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee – ließ Ludwig II. erbauen. Sie entführen in die fantastische Welt des legendären bayerischen Königs.
Ein ewiges Räthsel will ich bleiben mir und anderen", schrieb Ludwig II. einst in einem Brief. Das ist ihm gelungen: Bis heute ranken sich um das Leben des Königs von Bayern Mythen, Gerüchte und Verschwörungstheorien. Die Umstände seines Todes – er wurde 1886 zusammen mit seinem Leibarzt, Psychiater Dr. Bernhard von Gudden, leblos im Starnberger See gefunden – geben nach wie vor Anlass zu Spekulationen. War es Selbstmord oder Mord? Wie der 40 Jahre alte Monarch und sein Begleiter ums Leben kamen, wird sich vermutlich nie endgültig klären lassen.
22 Jahre zuvor, im Alter von 18 Jahren, hatte Ludwig II. den Thron bestiegen. Sein Vater, König Maximilian II., war überraschend gestorben, die Bürde des Amtes lastete schwer auf dem empfindsamen Schöngeist. Eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte die musikalische Sagenwelt von Richard Wagner. Das wird auch in den drei Königsschlössern, die Ludwig II. erbauen ließ, deutlich.
Neuschwanstein, das spektakulärste, Schloss Linderhof, das intimste, und Herrenchiemsee, das prächtigste: Alle drei Bauwerke können bei Führungen besichtigt werden. Das Fotografieren ist verboten, es gilt also gut hinzuschauen, denn es sind Orte zum Staunen, opulent ausgestattete Prunkräume voller Kunsthandwerk von unschätzbarem Wert.
Jährlich pilgern rund eineinhalb Millionen Touristen aus aller Welt nach Neuschwanstein, zu dem berühmten Märchenschloss, das auf einem Felsrücken oberhalb von Hohenschwangau bei Füssen im südöstlichen bayerischen Allgäu thront. Die Grundsteinlegung erfolgte 1869. Ludwig II. wollte hier als Wiederaufbau einer kleinen Burgruine sein Idealbild einer alten deutschen Ritterburg entstehen lassen. Als Vorbild diente die Wartburg, fiktiver Handlungsort von Richard Wagners Oper Tannhäuser.
Rund ein Drittel des Bauwerks, das zu den Hauptwerken des Historismus zählt, wurde zu Ludwigs Lebzeiten fertiggestellt. Statt der geplanten 200 Innenräume gibt es in dem fünfstöckigen Palais nur 15 Zimmer und Säle. Zu sehen sind das Schlafzimmer, das wie in allen Schlössern Ludwigs II. auffallend reich ausgestattet ist, eine künstliche Grotte mit farbiger Beleuchtung sowie der Sängersaal, der als Denkmal für die mittelalterliche Ritterkultur und Sagenwelt geschaffen wurde. Bilder erzählen von der Parzival-Sage und dem Heiligen Gral.
Highlight der Führung ist der Thronsaal. Einen Königsstuhl gibt es darin zwar nicht, aber er verdeutlicht, wie Ludwig II. sich sein Königtum „von Gottes Gnaden" vorstellte: als heiligen Auftrag, ausgestattet mit absoluter Macht – die er allerdings nie besessen hatte. Über das dritte und vierte Obergeschoss erstreckt sich der sakral anmutende Raum mit sternengeschmückter Kuppel, seitlichen Arkaden und der erhöhten Apsis. Auf dem Boden liegt, zum größten Teil von einer schützenden fotorealistischen Kopie verdeckt, das wohl aufwendigste Mosaik Deutschlands: Es besteht aus über 1,5 Millionen Natursteinbruchstücken.
Das „bayerische Versailles" beeindruckt
Der Thronsaal war auch Thema von Marcus Spangenbergs Abschlussarbeit für sein Kunstgeschichte-Studium. Der Journalist und Ludwig II.-Biograf, der mehrere Bücher über den bayerischen König geschrieben hat, beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit dem legendären Regenten, den die Bayern liebevoll „Kini" nennen. „Der König war ein Künstler. Alles, was in seinem Auftrag erschaffen wurde, entsprang seinem Kopf", berichtet der Experte. Ob Türgriff oder Ornament: Bis ins letzte Detail habe sich der Herrscher mit seinen Bauwerken und deren Ausstattung beschäftigt.
Inspirieren ließ er sich von der mittelalterlichen Welt, vom Orient sowie von der höfischen Welt des Ancien Règimes, der Zeit der absolutistisch herrschenden Bourbonen im Königreich Frankreich zwischen Ende des 16. und Ende des 18. Jahrhunderts. Ludwig II. war sehr frankophil. In Linderhof plante er einen Nachbau der berühmten französischen Schloss- und Gartenanlage von Versailles. Dazu erwarb er das Linderhof-Anwesen in der Gemeinde Ettal, wo bereits das königliche Jagdhaus seines Vaters stand. Allerdings erwies sich das Gelände als zu klein für die großen Pläne.
Doch Ludwig II. fühlte sich sehr wohl an dem Ort und schuf sich dort seinen ganz persönlichen Rückzugsort, der zwischen 1870 und 1886 in mehreren Bauabschnitten errichtet wurde. Es ist das kleinste der drei Königsschlösser, aber dafür das einzige, welches voll ausgebaut und auch länger von ihm bewohnt wurde. Exquisite Luster, überwältigende Deckengemälde, vollplastische Goldstickereien, feinste Nadelmalereien, Kamine aus Lapislazuli, Skulpturen aus Marmor und jede Menge Blattgold: Hinter der barocken Fassade von Schloss Linderhof entfaltet sich Neurokoko in seiner ganzen Pracht.
Der kostenfrei zugängliche 54 Hektar große Schlosspark mit großen Brunnenanlagen, Wasserspielen, Blumenrabatten, Pavillons und Laubengängen zählt zu den bedeutendsten Gartenanlagen des 19. Jahrhunderts. Auch einige exotische Bauten sind zu entdecken, unter anderem der Maurische Kiosk und die Venusgrotte, die Bezug auf Richard Wagners Tannhäuser nimmt. Wissenswertes zu der künstlichen Tropfsteinhöhle, die derzeit wegen Restaurierung geschlossen ist, vermittelt eine Computeranimation beim Ticketcenter.
Für sein „bayerisches Versailles" fand Ludwig II. einen anderen Ort: Herrenchiemsee. Auch das Bauprojekt auf der größten Insel im Chiemsee blieb unvollendet und doch entfaltet sich an diesem Ort die Opulenz des legendären Märchenkönigs am eindrucksvollsten. Es ist die teuerste seiner Residenzen: Die Baukosten waren höher als für Neuschwanstein und Linderhof zusammen. Nur zehn Tage seines Lebens soll der Regent dort verbracht haben.
„Schloss Herrenchiemsee sollte eine exakte Kopie von Versailles werden, der König duldete keine Abweichungen. Insofern ist das Schloss zwar einerseits Ausdruck von Ludwigs Liebe zur Kunst und zu schönen Dingen, in erster Linie aber eine Demonstration seines Anspruchs auf Nachfolge von Ludwig XIV, der ja – wie er nicht müde wurde zu betonen – der Pate seines Großvaters Ludwig I. König von Bayern war", erklärt die Kunsthistorikerin Dorothea Steinbacher.
Nach der Anreise mit dem Schiff und rund 15 Minuten zu Fuß oder mit der Pferdekutsche gelangt man zu dem königlichen Refugium, dessen Grundstein 1878 gelegt wurde. Der Rundgang beginnt in einem atemberaubenden Marmor-Treppenhaus und führt unter anderem durch das große Prunkschlafzimmer. Es entspricht dem berühmten Schlafzimmer von Ludwig XIV. Doch während der Sonnenkönig sein Aufstehen und Schlafengehen mit großem Hofstaat zelebrierte sowie Audienzen abhielt, nutzte Ludwig II. sein Schlafzimmer nie. Auch im 75 Meter langen Spiegelsaal gab es weder rauschende Ballnächte noch große Bankette, nur einen menschenscheuen Monarchen, der tagsüber schlief und nachts als „Mondköng" durch die mit Kerzen illuminierten und verschwenderisch mit Blattgold ausgestatteten Räume wandelte.
Linderhof ist im Stil des Neorokokos errichtet
Vor dem Schloss erstreckt sich eine wunderschöne Gartenanlage mit großen Bassins sowie dem kunstvoll gestalteten Latonabrunnen mit wasserspeienden Schildkröten und Fröschen. Von Mai bis Oktober vollenden aufwendige Wasserspiele die Szenerie.
Dass der royale Bauherr noch weitere Pläne hatte, erfahren Besucher des König Ludwig II.-Museums, das im Erdgeschoss des Südflügels von Schloss Herrenchiemsee untergebracht ist. Es erzählt vom tragischen Leben des Herrschers, unter anderem von seiner geplatzten Hochzeit mit Herzogin Sophie Charlotte, seiner nahezu grenzenlosen Wagner-Verehrung, seinem politischen Schicksal sowie von verwirklichten, unvollendeten und niemals realisierten Bauprojekten.
Wer alle drei Schlösser von Ludwig II. besichtigt, das Museum besucht und vielleicht eine der Biografien gelesen hat, wird dem Mythos des Märchenkönigs näherkommen, ihn aber nie ganz ergründen. Ludwig II. bleibt – wie von ihm gewünscht – ein ewiges Rätsel.