Schon der Bandname, den Grant Davidson in einem Gedicht (von Jorge Luis Borges) entdeckte, assoziiert Herbstliches: Slow Leaves, die langsam fallenden Blätter. Das passt vortrefflich zur Musik, die man auch schon im Sommer hören kann. Es gibt ja Zeitgenossen, die nichts mit herbstlicher Melancholie zu tun haben (wollen).
Jene können jetzt entweder sofort zum Buchtipp herüberswitchen oder sich nichtsdestotrotz ihre Neugier wecken lassen: „Shelf Life" ist eine Insel des Innehaltens, der Romantik, der leisen Schönheit. „Zarter Indie-Folk" schrieb der „Rolling Stone" zum famosen Vorgänger „Enough About Me", „zart schmelzender bis euphorischer Folk-Pop" lautete wiederum die Kopfzeile desselben Magazins zum aktuellen Werk.
Eine interessante Nuancierung, die der Entwicklung dieser fest in den 70ern verwurzelten Musik (Nick Drake! Tim Buckley!) absolut gerecht wird. Wohl zelebriert auch „Shelf Life" weiterhin überwiegend die Reinheit einer sparsam gezupften Gitarre, der entschleunigten Rhythmik, der herzergreifenden Melodie in Moll.
Doch begibt sich Slow Leaves nun auch auf die beglückenden Pfade offensiv nach vorne gespielter Folk-Pop-Glorie. Insbesondere „Miss You" und „Half On The Bed" prahlen mit melodischem Überschwang. An den Reglern saß mit Rusty Matyas (Weakertans) gewiss nicht zufällig jemand, der sich mit Pop-Euphorie auskennt. Grant Davidson fühlt sich mit dieser neuen Leichtigkeit jedenfalls spürbar wohl. Da kann er (auf der CD-Rückseite) noch so bedrückt mit schwarzem Hut auf der gold-samtenen Couch hocken.
Das nächste Album könnte richtig poppig werden. Genieße man also noch einmal hemmungslos die schillernde Melancholie von wundersamen Weisen wie „Sink Full Of Dishes", „Autumn Rain" (hier grüßt gar Leonard Cohen) oder „Try Again In The Morning". Auf den bittersüßen Punkt bringt das abschließende „Sentimental Teardrops" Slow Leaves’ Könnerschaft – eine sehr sehnsüchtige, sehr persönliche Seelenschau ist das. Und: Gänsehaut pur. Mmhhh, ob das potenzielle Pop-Album tatsächlich kommt?