Die Gipfelstürmer-Tour in Bad Freienwalde hat es in sich: Auf fast 1.000 Höhenmetern windet sich der Weg auf und ab durch die Barnimer „Bergwelt", eine der schwierigsten Wanderungen in Brandenburg.
Freunde und Verwandte hatten bloß müde gelächelt, als ich ihnen von meinem Vorhaben erzählte. Und auch ich muss zugeben, dass ich diese Tour unterschätzt habe. Zwar haben sogar die Experten des renommierten Rother-Bergverlags die Gipfelstürmer-Tour in Bad Freienwalde als schwer eingestuft, als eine von nur zweien in Brandenburg. Aber was sollte das schon heißen in einer solch flachen Region wie der Mark? Doch nun stehe ich schon ziemlich außer Puste am Thüringer Blick und schaue etwas besorgt auf das Schild, das mir sagt: noch sieben Kilometer.
Eigentlich hätte mir schon bei der Anreise klar sein müssen, dass ich mich getäuscht habe. Der Luftkurort Falkenberg, Ausgangspunkt der knapp 22 Kilometer langen Tour, liegt eingebettet zwischen Berg und Tal und erinnert damit eher an einen Ort im Mittelgebirge. Dort im Oberbarnim, nur eine knappe Zugstunde von Berlin entfernt, haben die Gletscher vor ihrem Abschmelzen ganze Arbeit geleistet. Mein erster Weg führt mich gleich steil bergan hinauf zur „Carlsburg", einem Ausflugsrestaurant mit weitem Ausblick über die Barnimer „Bergwelt" und das Flachland des angrenzenden Oderbruchs. Von dort geht es hinein in den verwunschenen Cöthener Park, den einst der Gutsherr Carl Friedrich von Jena anlegen ließ – mit uralten Bäumen und sogar einem Wasserfall.
Es empfiehlt sich, an der „Carlsburg" ein Foto vom Plan des Parks zu machen, damit man sich später nicht verläuft, denn die Ausschilderung lässt in diesem Abschnitt teilweise zu wünschen übrig. Besser noch: Man nimmt ein GPS-Gerät mit. Sieben Stunden sollte man laut Fremdenverkehrsamt für die Gipfelstürmer-Tour einplanen. Und das ist nicht übertrieben, wenn man womöglich gleich zu Beginn eine Extraschleife einlegen muss. Wobei es die Gipfelstürmer-Tour in dieser Form auch erst seit diesem Jahr gibt und die örtlichen Touristiker versprochen haben, die Beschilderung demnächst zu verbessern.
Gegend erinnert eher an Thüringen
Und eigentlich kann man von dieser Landschaft sowieso nicht genug bekommen. Mitten im vermeintlich platten Brandenburg erinnert die Gegend eher an Thüringen oder den Frankenwald. Der Weg windet sich nun in mehreren Schleifen steil nach oben. Nichts ist zu hören außer dem Zwitschern der Vögel und meinem rhythmischen Schnaufen. Die saftigen Himbeeren am Wegesrand sind da eine willkommene Gelegenheit für eine kurze Verschnaufpause.
Endlich habe ich den Kammweg erreicht. Vom höchsten Punkt lohnt ein kleiner Umweg zum Bismarckturm, errichtet auf den Ruinen der alten Burg Malchow. Es ist der erste von insgesamt vier Türmen auf meinem Weg nach Bad Freienwalde. Die anderen sind der Eulenturm, der Aussichtsturm auf dem Galgenberg und der Turm der Skisprungschanze im Papengrund – wer alle vier erklimmt, hat damit erfolgreich das Turm-Diplom abgelegt und darf sich in der Tourist-Information seine Urkunde abholen. Ich dagegen nehme an diesem Tag ein noch größeres Ziel in Angriff: den Watzmann. Beziehungsweise: seinen märkischen Namensvetter, übrigens der einzige außerhalb Bayerns. Um das Jahr 1180 sollen bayerische Landsknechte auf der nahen Burg Malchow angeheuert haben. Den Rittern fiel der damals noch kahle Gipfel eines Berges auf, von dem man weit ins Land schauen und jeden Feind schon von Weitem erspähen konnte. In Erinnerung an ihre Heimat benannten sie ihn nach dem Watzmann. Mit 1.062 Dezimetern – also 106,2 Metern – ist das Brandenburger Exemplar zwar etwas kleiner als sein alpiner Kollege, aber ein Gipfelkreuz darf trotzdem nicht fehlen.
Ebene Passagen gibt es kaum
Der Weg führt nun hinab in die Mariannenschlucht, danach jedoch gleich wieder bergan. Ebene Passagen gibt es auf dieser Strecke so gut wie keine. Auf knapp 1.000 Höhenmetern kommt die Gipfelstürmer-Tour, womit der Märkische Bergwanderpark seinem Ruf alle Ehre macht. Die Route führt durch die wildromantische Ahrendskehle, durch die ein kleiner Bergbach plätschert, und weiter zum Teufelssee. Libellen schwirren umher, und mit etwas Glück kann man dort Biberspuren entdecken.
Zeit für eine Rast. Bald darauf schlängelt sich der Pfad schon wieder steil hinauf bis zum Thüringer Blick. In der Ferne ist das Schiffshebewerk in Niederfinow zu erkennen, ein wahres Wunder der Technik. Vorbei am Eulenturm am Haus der Naturpflege – Geburtsort des heute bundesweit geläufigen Naturschutzsymbols mit der Waldohreule – geht es hinab in den Papengrund und zum dortigen Skisprungzentrum. Es ist das nördlichste in Deutschland und das einzige im Umkreis von mehreren hundert Kilometern – ein Kuriosum, das den Eindruck eines Mittelgebirges nur noch verstärkt. Sprünge bis 75 Meter sind dort möglich; die Ex-Weltmeister Martin Schmitt und Severin Freund waren schon ebenso zu Besuch wie die ganze Nationalmannschaft der Nordischen Kombinierer. Wie es sich für sie anfühlt, von dort oben zu springen, lässt sich von der Aussichtsplattform der 38 Meter hohen Schanze zumindest erahnen. Auf den drei kleineren Anlagen übt sich derweil der Nachwuchs.
Weiter geht es durch das Brunnental und an der Kurfürstenquelle vorbei, die schon seit 1684 sprudelt und so die Geschichte der Kurstadt Bad Freienwalde begründete. Das Wasser ist eiskalt und glasklar – eine willkommene Erfrischung vor den nächsten Anstrengungen. Auf 225 Stufen geht es nun steil hinauf zu einer kleinen Kapelle, dann wieder hinab und gleich darauf schon wieder nach oben. Längst qualmen mir die Füße, die Beine werden schwer. „Ist der Weg zu schwer, bist du zu schwach!", hatte es in der Broschüre geheißen. Wie passend, denke ich, dass sich das große Finale am Galgenberg abspielt. Seit 140 Jahren steht dort ein Aussichtsturm mit heute deutlicher Schieflage – quasi der schiefe Turm von Bad Freienwalde. Noch ein paar Höhenmeter, doch dann ist es geschafft. Jetzt bin ich es, der lächelt. Müde, aber selig.