Behörden gehen einigen tausend Verdachtsfällen auf Subventionsbetrug von Firmen nach. Viele Solo-Selbstständige und Kleinbetriebe überweisen Geld zurück, weil sie es nicht brauchten. Weiteres wird nach den Steuererklärungen für 2020 passieren.
Nach der Auszahlung der Corona-Hilfen für Selbstständige und kleine Firmen kommt nun das Aufräumen. Der Berliner Rechtsanwalt Benedikt Mick vertritt einige Mandanten, die erst Zuschüsse von der öffentlichen Investitionsbank Berlin (IBB) erhielten – und kürzlich Schreiben von der Staatsanwaltschaft. Deren Vermutung: möglicher Betrug.
„Die Leute geraten in Verdacht, obwohl sie die Hilfen guten Gewissens beantragt haben", sagte Mick. „Sie hatten beispielsweise befürchtetet, dass ihr Umsatz komplett wegbrechen würde – was dann eben teilweise nicht der Fall war." Ein Betrugsvorsatz liege dabei nicht vor. „Sie werden unnötig kriminalisiert", so Mick.
Das ist die eine Seite des Spektrums. So haben sich Hunderte Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen in sozialen Netzwerken organisiert, um gegen die Rückforderung der Zuschüsse durch die Landesbehörden zu protestieren. Zumindest einen Teil der Hilfen hätten sie zu Recht bekommen, meinen Betroffene. Auf der anderen Seite stehen Fälle wie dieser: Ein selbstständiger Gebäudereiniger wurde gerade in Berlin zu einem Jahr und sieben Monate Haft auf Bewährung verurteilt, weil er bei der IBB Zuschüsse für fünf nicht existierende Betriebe beantragt hatte. 21.500 Euro gingen auf seinen Konten ein. Subventionsbetrug.
Die Überprüfungen sind bundesweit im Gange. Es geht um mehrere tausend Fälle und potenzielle Schäden von Dutzenden Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt betrieb schon Anfang Juli 720 Verfahren. „Täglich kommen über zehn neue hinzu", sagte Sprecher Martin Steltner. Bisher belaufe sich der Schaden auf etwa 5,6 Millionen Euro.
Manche Leute erfanden Betriebe, die es nicht gab. Andere beantragten Hilfsgelder für Karteileichen ohne Geschäftstätigkeit. Eine weitere Masche bestand darin, in mehreren Bundesländern Zuschüsse für Niederlassungen derselben Firma zu ergattern. Die Förderbanken, Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften kommen den Missetätern nun auf die Spur, weil sie etwa Hinweise von den Hausbanken der Betriebe erhalten. Motto: Da gab es ein totes Konto ohne Zahlungsverkehr, und plötzlich ging dort der Corona-Zuschuss ein.
Förderbanken rieten dazu, selbst zu überprüfen
Die IBB erklärte kürzlich, sie habe für die rund 246.000 Anträge von Solo-Selbstständigen und Kleinfirmen inzwischen einen kompletten Datenabgleich mit den Berliner Finanzämtern durchgeführt. Danach „verbleiben etwa 1.400 Anträge mit Auffälligkeiten, die die IBB einer individuellen Prüfung unterziehen wird."
Bisher hat die Förderbank rund 50 Strafanzeigen erstattet. Und die Investitionsbank betont die Bedeutung des Antragsdatums: „Bei einer Antragstellung ab dem 6. April sind nur noch Betriebskosten finanzierbar, ein Einsatz für Lebenshaltungskosten ist nicht mehr möglich." In jedem Fall sollte man genau prüfen, aus welchem Programm die Mittel beantragt und bewilligt wurden. Ob und was zurückzuzahlen ist, richtet sich nach den jeweiligen Bedingungen.
Daneben gibt es aber einige weniger dramatische Fälle, die abseits der Justiz geklärt werden können. So haben die Förderbanken die Empfänger der Zuschüsse gebeten, selbst zu überprüfen, ob sie das Geld tatsächlich brauchten. Und falls nicht, es dann einfach zurückzuschicken.
Fast 16.000 Rücküberweisungen über 105 Millionen Euro seien bei der IBB schon eingegangen, sagte deren Sprecher Uwe Sachs unlängst. Sie kamen unter anderem von Betrieben, deren Geschäft trotz Corona auf niedrigerem Niveau weiterlief – entgegen den Befürchtungen vom März. Oder von solchen, die einen Teil des Geldes irrtümlicherweise für den persönlichen Lebensunterhalt der Chefs verwendeten, anstatt nur für die Betriebsausgaben. Solche Konstellationen würden eher nicht zu Strafverfahren führen, heißt es bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin.
Ende Juni waren drei Monate rum, seit die Zuschüsse eintrafen. Zeit, in sich zu gehen und den Strich unter die erste Corona-Phase zu ziehen, empfiehlt die IBB. Vieles dürfte sich auch klären, wenn die Firmen nächstes Jahr ihre Steuererklärung für 2020 abgeben. Dann werden die Finanzämter ungerechtfertigte Zuschüsse zurückfordern.