„Schloss Ziethen" bei Kremmen ist ein Hotel und Restaurant mit vielen Feiern. An einigen Samstagen lädt Besitzer Rafael von Thüngen-Reichenbach in diesem Sommer erstmals zu entspannten Barbecue-Abenden mit Livemusik in den Park des Anwesens.
Die Berliner entdecken gerade ihr Umland neu. Anders ist es kaum zu erklären, dass sich an einem lauen Sommerabend 120 Gäste nach Voranmeldung im Park von „Schloss Ziethen" zum Barbecue mit Livemusik im Grünen eingefunden haben. „Das ist genau die Art von Veranstaltung, die ich mir immer gewünscht habe", ist Besitzer Rafael von Thüngen-Reichenbach angetan. „Das gefällt mir so gut, das möchte ich nächstes Jahr beibehalten."
In anderen Jahren wäre die geschlossene Gesellschaft, als die wir auf dem Schild am Eingang bezeichnet werden, an einem Samstagabend eine andere gewesen. Üblicherweise ist „Schloss Ziethen" mit seinen Sälen, dem benachbarten Rosenhaus und Park in der Hochzeits- und Feiersaison ausgebucht. Corona macht dieses Jahr alles anders – Feiern wurden verschoben, und erst am 25. Mai durfte der Betrieb in Brandenburg wieder losgehen. „Wir haben ganz reduziert begonnen", sagt von Thüngen-Reichenbach. „Aber wir stellen fest: Wir haben noch nie so viele einzelreisende Gäste gehabt, die bei uns einkehren und übernachten." Radfahrer, ausflugsfreudige Berliner und viele Stammgäste kommen jetzt erstmals oder wieder nach Groß-Ziethen bei Kremmen im Landkreis Oberhavel.
Auf der Terrasse begrüßen der Schlossherr und sein schwarzmähniger Begleiter Zeus alle Gäste zu diesem „Sommernachtstraum" persönlich und geleiten sie an ihren Tisch. Der Schlosshund darf den vierbeinigen Kollegen ebenfalls Hallo sagen. Silvana Henn vom Service schwebt die Freitreppe herunter und serviert Sekt mit Erdbeeren als Aperitif. Cheers, liebe Freunde, dass ihr es gerade rechtzeitig zum Anstoßen unterm Sonnenschirm und zur Eröffnung des Grillbüfetts geschafft habt! „Schloss Ziethen" ist per Autobahn gerade mal eine dreiviertel Stunde von der Berliner City West entfernt, doch wenn das GPS spukt und die Landstraße anschließend wegen eines Unfalls gesperrt ist, wird selbst die großzügigste Zeitplanung hinfällig. Ohne Auto geht es nicht recht in den Nordwesten. Eine Radtour ab Oranienburg oder Hennigsdorf ist allerdings eine attraktive Alternative. Dann passt es auch mit einer Übernachtung. Die Hälfte der Gäste bleibe über Nacht, weiß Rafael von Thüngen-Reichenbach. Die 44 Zimmer im Hotel sind gut belegt.
Die 44 Hotelzimmer sind gut belegt
Unsere Barbecue-Gesellschaft absolviert einen so noch nicht dagewesenen Parcours: Ein Umlauf am Outdoor-Büfett ist rot abgekordelt. Wer eintritt und sich von Avocadocreme oder Kartoffelsalat mit Pesto, von gegrilltem Blumenkohl oder Maishuhnbrust auftun will, hat zuvor eine Maske aufgesetzt und sich Einweg-Plastikhandschuhe angezogen. Abstand wird ohnehin eingehalten, da die meisten mit ihrer Tischgesellschaft zum Büfett gehen. Auf unseren unbescheiden gefüllten Tellern landen Salate, Kartoffelgratin, Lachsfilet, Grillgemüse und Halloumi. Der Fotograf hat uns liebevoll zum fotogenen Auflegen so mancher Köstlichkeiten auf einmal genötigt. Wir sind brav, machen mit und wollen die Schlange nicht unnötig verlängern. So komme ich an den griechischen Grillkäse, obwohl ich eigentlich gern ein Steak vom Wollschwein probiert hätte. Im zweiten Durchgang gibt’s ein würziges, grobes Rostbratwürstchen mit Kartoffelgratin und Caesar Salad. Den tierischen Burger vom nahen Ruppiner Rind und vom veganen Patty-Tier, der rechter Hand zum Selbstbauen arrangiert ist, schaffe ich leider nicht mehr.
Das Team von Küchenchef Matthias Lingner hat in der Grillecke hinter Hecke und Blumenbeet Fleisch, Fisch und Vegetarisches vorgegrillt, sodass an den gut bestückten Warmhaltebehältern und Servierplatten kaum jemand länger warten muss.
Am Tisch tun wir uns an Frankenwein gütlich. Wir haben den weißen „Sommerhausen Ölspiel New World" gewählt, der sich beim Schnuppern am Glas und am Gaumen wie auf der Karte angekündigt als „wahre Fruchtbombe" erweist. Ob weiß, rot oder rosé – die drei zum Barbecue ausgewählten Weine von Artur Steinmann stammen allesamt aus Franken – eine Reminiszenz an einen Teil der Familie von Thüngen-Reichenbach, die dort ansässig ist. „Der Winzer ist seit Langem ein guter Freund."
Keineswegs sind die von Thüngens eingeborene Brandenburger. 1355 wurde das erste „Feste Haus" auf dem Schlossgelände erwähnt. Erst nach der Wende zog es Edith von Thüngen-Reichenbach, die Mutter des heutigen Besitzers, nach Brandenburg. Ein Cousin aus der Familie von Bülow wies auf das ehemals seiner Familie gehörende Anwesen hin. Edith von Thüngen-Reichenbach pachtete „Schloss Ziethen" von der Gemeinde, investierte, sanierte und baute den Hotel- und Restaurantbetrieb auf. Vor zehn Jahren übernahm Rafael von Thüngen-Reichenbach. Seine Mutter schaut vom benachbarten Wohnhaus immer mal wieder, nun aber nur noch informell, im Schloss vorbei. Auch im normalen Restaurantbetrieb und jenseits der Sommernächte ist „Schloss Ziethen" einen Besuch wert. Als „verfeinerte regionale Küche" bezeichnet Rafael von Thüngen-Reichenbach den Stil des Hauses. Davon durfte ich mich im vergangenen Oktober bereits überzeugen. Kamen im Herbst eine Kürbissuppe mit Ingwerschaum und gepufftem Amaranth sowie Entenbrust mit Pastinakenwaffel und Rahmwirsing auf die Teller, so haben gerade gebratener Kaninchenrücken mit Pfifferlingssalat und Sellerie, Rücken vom Hackenberger Lamm mit Topinamburpüree und Bohnen sowie Forelle von der Müritz mit Pfifferlingsrisotto und Kräuter-Limonen-Sauce Saison.
Stil des Hauses ist eine „verfeinerte regionale Küche"
Die Hauptgerichte bewegen sich im Rahmen von 19 bis 26 Euro – eine faire Kalkulation für frische Produkte und frisch Gekochtes aus der Region. Wer wie wir zum sommerlichen Barbecue kommt, zahlt pro Nase 39 Euro für das Essen. Die Weine kosten 28 Euro in der Flasche oder sieben Euro für 0,2 Liter. Da trinkt sich das eine oder andere Steinmannsche Glas ganz entspannt aus. Büfett plus Übernachtung starten bei 105 Euro pro Person.
Wir plaudern uns zu den dezenten Klängen der Barfleas der blauen Stunde sowie dem Kerzen- und Laternenschein entgegen. Petra und Jan Rase bilden ein vollgültiges Zwei-Personen-Orchester im Park: Mal sind Trommel und Gitarre, mal Ukulele und Gesang zu vernehmen. Wer mit seinem „Hallo Lieblingsmensch!" noch nach Berlin zurückfahren will, bricht nach dem Essen vielleicht etwas früher auf. Alle anderen landen später entspannt in ihren Betten im Schloss.
Wir sitzen noch eine Weile auf der erleuchteten Terrasse und genießen die Sommerabendstimmung. Die Freunde und ich haben auch keinerlei Probleme, erst um 22.30 Uhr zum Dessert zu schreiten – Mousse au Chocolat mit Erdbeeren sowie cremiges Eis warten in immer noch erheblicher Menge auf uns. Ein Espresso weckt die wohlig-satten Lebensgeister für die Heimfahrt nach Berlin wieder auf.
Im Herbst perfekt als Ausgangspunkt für die Kranich-Beobachtung
Eine nächste „Sommernacht unter Sternen" in „Schloss Ziethen" setzt am 8. August auf den dann hoffentlich wolkenlosen und sternenübersäten Augusthimmel. Wer mag, startet um 16 Uhr mit dem Open-Air-Konzert des Saxofon-Quartetts Maier’s Plan. Ab 18.30 Uhr geht’s mit dem Barbecue weiter. Wer erst etwas später im Jahr Zeit hat, sollte sich ein anderes Spektakel vormerken, für das „Schloss Ziethen" ein optimaler Startpunkt ist. Im nahen Linum rasten im Herbst mehrere Zehntausend Kraniche sowie Bless- und Saatgänse auf den Feuchtwiesen. Die Kraniche übernachten dort und sammeln die Energie für ihren Zug in den Süden. Ein Abendessen im Restaurant, frühes Zubettgehen, sehr, sehr frühes Aufstehen und die Fahrt nach Linum nach einem ersten Kaffee noch beinah im Dunkeln ist dann die richtige Abfolge für einen Aufenthalt in „Schloss Ziethen". Die Führung der Nabu-Mitarbeiter von der „Storchenschmiede" und der Blick auf die aufsteigenden Vogelschwärme an den Linumer Teichen ist ein einzigartiges und eindrückliches Naturerlebnis. Das „richtige" Frühstück im Schloss wärmt anschließend wieder auf und ist der angemessene Ausklang eines sehr besonderen Morgens.