Vom Pflicht-Dienstjahr bis zur Wiedereinführung der Wehrpflicht – viel wurde über Nachwuchsgewinnung bei der Bundeswehr diskutiert. Die Idee für ein „Freiwilliges Jahr im Heimatschutz" stößt aber nicht nur auf offene Ohren.
Die ursprüngliche Idee von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu einem verpflichtenden Dienstjahr scheitert an der Verfassung. Trotzdem plädieren nach einer Umfrage der „Rheinischen Post" noch immer neun der 15 CDU-Landesverbände für ein solches Pflichtjahr, einzig Rheinland-Pfalz und Hessen hatten sich explizit dagegen ausgesprochen.
Nachdem sich die Debatte darüber beruhigt hatte, meldet sich die Ministerin zurück – mit einem neuen, abgeschwächten Vorschlag.
Ein neuer Freiwilligendienst soll das Angebot der Bundeswehr künftig ergänzen. Unter dem Motto „Dein Jahr für Deutschland" soll er das zweite freiwillige Angebot in der Bundeswehr neben dem Freiwilligenwehrdienst werden.
Heimatnähe und Flexibilität sollen den Dienst im Heimatschutz attraktiv machen. „Heimat ist etwas, was für die Menschen ein absolut positiv geprägter Begriff ist", so Kramp-Karrenbauer. „Er bildet das ab, was für die Menschen in unserem Land wertvoll und schützenswert ist."
Junge Frauen und Männer ab 17 Jahren sollen in diesem Rahmen eine dreimonatige militärische Grundausbildung erhalten, die auch die bisherigen Wehrdienstleistenden absolvieren. Es folgt eine viermonatige „Spezialausbildung Heimatschutz", die entweder in Berlin, im niedersächsischen Delmenhorst oder im bayerischen Wildflecken absolviert werden kann. Alles inklusive einem Monat Urlaub, Fortbildungen und einem lukrativem Taschengeld von 1.550 Euro monatlich.
Die Begeisterung hält sich in Grenzen
Danach sollen die Freiwilligen sechs Jahre auf Abruf als Reservisten zur Verfügung stehen. Allerdings nicht für den Einsatz im Ausland, sondern lediglich für Aufgaben des Heimatschutzes. Das heißt: keine Luftwaffe, Heer oder Marine, sondern ein Einsatz bei der Streitkräftebasis, die vor allem für logistische Unterstützung anderer Truppenteile zuständig ist oder bei Krisen- und Katastropheneinsätzen im Inland die Federführung hat. Dort sollen die übrigen fünf Monate als aktiver Dienst geleistet werden. Das soll aber nicht nur bei der Bundeswehr selbst, sondern auch in der Pflege, bei der Feuerwehr oder bei der Umwelthilfe abgeleistet werden können. Auch muss er nicht an einem Stück stattfinden, sondern kann flexibel eingeteilt und gestückelt werden. Für jeden Einsatztag soll es dann eine Entlohnung von 87 Euro geben.
Besonders in der Corona-Pandemie hatte die Bundeswehr alle Hände voll zu tun. Einsätze in Pflegeeinrichtungen oder Corona-Testzentren haben personelle Ressourcen gebunden, die an anderen Stellen fehlten. Für Entlastungen in künftigen Krisenzeiten ist eine stabile Reserve unabdingbar. Ab dem 1. April 2021 soll diese durch etwa 1.000 Freiwilligendienstleitende pro Jahr unterstützt und gestärkt werden.
Kritik kommt aus den Wohlfahrtsverbänden: „Es gibt bereits gute Angebote, um sich im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts einzubringen", merkt Caritas-Präsident Peter Neher an und verweist auf das Freiwillige Soziale Jahr und den Bundesfreiwilligendienst. „Ob zusätzlich dazu ein Dienst an der Waffe Sinn macht, möchte ich mindestens kritisch hinterfragen".
Der Paritätische Wohlfahrtsverband befürchtet „große Ungerechtigkeiten" gegenüber bestehenden Angeboten für Freiwillige. „Es geht nicht nur um hohe Werbeetats, sondern auch um Leistungen wie kostenlose Bahntickets für die Bundeswehr", kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider. „Wo ist die Wertschätzung für die Arbeit, die unsere Freiwilligen im sozialen und ökologischen Bereich leisten?"
Andere stört schon der Begriff. „Die Idee, einen freiwilligen militärischen Dienst in Deutschland einzuführen, vermischt Begrifflichkeiten, die sauber getrennt bleiben sollten", moniert der Vorstandsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Wolfgang Stadler.
Den Linken geht es um das Wording „Heimatschutz", das an Rechtsextreme erinnere. „Faschisten verwenden ihn seit jeher gern für Nazi-Kameradschaften, Bürgerwehren und paramilitärische Einheiten. Ich erinnere nur an den Thüringer Heimatschutz, der auch die NSU-Terroristen hervorgebracht hat", so Parteichef Bernd Riexinger.