In Deutschland wird beim Müll viel gesammelt und sortiert, aber organische Abfälle landen zu häufig in der falschen Tonne. Dabei sind sie ein wertvoller Rohstoff, mit dem sogar Autos angetrieben werden können. Auch das Recycling von Plastik klappt immer noch nur bedingt.
Nach 35 Jahren hat das Umweltbundesamt (UBA) mal wieder einen Blick in Deutschlands Mülltonnen geworfen. Die gute Nachricht: In Deutschland fällt nur noch halb so viel Müll an wie 1985. Insgesamt warfen die Deutschen im Jahr 2018 pro Kopf 128 Kilogramm Restmüll weg. Das ist ein Rückgang von rund 46 Prozent im Vergleich zu 1985 (239 Kilogramm). Was noch nicht so gut klappt: Trotz der vorhandenen Möglichkeiten zur Müllsortierung werfen die Bürger immer noch zu viele Abfälle in die falsche Tonne – und zwar in die für den Restmüll. Nur 32 Prozent dessen, was in der Restmülltonne landet, gehört auch tatsächlich dorthin.
Also zum Beispiel Binden, Windeln, Asche, Fenster- oder Spiegelglas. Stattdessen schmeißen viele aber auch Altpapier, Altglas, Kunststoffe, Alttextilien oder kaputte Elektrogeräte hinein. Und vor allem Bioabfälle, also Essensreste, Küchen- und Gartenabfälle sowie sonstige organische Abfälle wie Kleintierstreu aus Stroh oder Heu.
40 Prozent der „Fehlwürfe“ sind Biomüll. Das liegt zum Teil daran, dass es laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in jedem fünften Kreis überhaupt keine Biotonne gibt. Aber auch daran, dass die Biotonne gerade im Sommer vielen ein Graus ist: Sie stinkt, es suppt darin, Insekten tummeln sich und der Schimmel blüht. Das ließe sich alles vermeiden, rät das UBA, wenn man den Bioabfall einfach in alte Zeitungen einschlägt.
Nur noch halb so viel Restmüll wie 1985
„Dass so viel Biomüll in der falschen Tonnen landet, ist reine Verschwendung“, sagt die Pressesprecherin der Berliner Stadtwerke (BSR), Sabine Thümler, „denn das ist alles wertvolles Ausgangsmaterial für die Vergärung.“ Bei der BSR, dem größten Abfallentsorgungsunternehmen in Deutschland, wird der gesamte Biomüll konsequent in Vergärungstanks gefüllt. Dort wird er mit einer bakterienhaltigen Lösung berieselt. Mikroorganismen zersetzen in zwei bis vier Wochen unter Sauerstoffabschluss das organische Material. Dabei entsteht Methangas, das gesammelt und zum Beispiel in Berlin als Biokraftstoff für die Müllautos eingesetzt wird. Aus den flüssigen Gärresten wird Dünger. Die festen Gärreste werden mit Stickstoff behandelt und noch einmal erhitzt, um sie keimfrei zu machen, und dann als Kompost an die Landwirtschaft und Gärtnereien geliefert. „Auf keinen Fall darf Plastik in die Biotonne“, warnt Sabine Thümler, „auch kein Bioplastik. Das vergärt nicht, verrottet nur sehr langsam und muss von uns wieder herausgefischt werden.“ Recyclingexperten rechnen damit, dass man mit dem Biomüll, der in Deutschland anfällt, 600.000 Haushalte ein Jahr lang mit Energie versorgen könnte. Bislang werden allerdings nur zwei der neun Millionen Tonnen Biomüll aus privaten Haushalten auch energetisch verwertet. Bundesweit gab es 2017 laut Umweltbundesamt 1.141 Kompostierungs- und Vergärungsanlagen, davon waren 297 reine Vergärungsanlagen. Noch sind diese aber nicht in jeder Stadt rentabel, denn die Investitions- und Betriebskosten lassen sich nicht in jedem Fall vollständig über den Strom oder den Kraftstoff, der durch die Vergärung gewonnen wird, refinanzieren.
Ob das gelingt, hängt unter anderem stark von der Art des eingesetzten Biomülls ab: Küchenabfälle und Lebensmittelreste liefern in der Regel deutlich mehr Biogas als Laub oder Kleinholz. Also genau jener Müll, der oft fälschlicherweise im Restmüll landet.
Aber nicht nur im Bereich Bioabfall gibt es bei der Müllentsorgung noch Luft nach oben. Beim Recyceln von Altpapier, Altglas oder Metall sind Quoten bis zu 70 Prozent erreicht worden. Sie sollen nach dem Willen der Bundesregierung bis 2022 auf 90 Prozent steigen. Für den Plastikabfall aber hängt die Quote bei 36 Prozent Wiederverwertung. Und das, obwohl die gelben Tonnen mit dem Aufdruck „Wertstoffe“ am schnellsten überquellen. Aber weniger als die Hälfte davon wird zum Ausgangsmaterial für ein neues Produkt, wie bei der bekannten PET-Flasche, die zu Granulat zerrieben wird und als Parkbank wieder aufersteht. Der ganze große Rest wird energetisch verwertet – das heißt schlichtweg verbrannt. Das liegt daran, dass Chipstüten, Zahnpastatuben, Shampooflaschen, Einwegbecher oder Getränkekartons aus verschiedenen Plastiksorten bestehen, die sich nur schwer und mit teurem Aufwand voneinander trennen lassen. Diese Mischkunststoffe landen in Müllverbrennungsanlagen und werden für die Gewinnung von Strom und Wärme genutzt.
Der Plastik-Berg wächst dafür immer höher
Dabei wächst der Plastik-Berg immer weiter. Die Kunststoffabfälle haben sich seit 1995 von 1,6 auf 3,2 Millionen Tonnen im Jahre 2017 verdoppelt. Das hatte zur Folge, dass die Verbrennungsanlagen nicht mehr nachkamen. Eine Zeitlang wurde ein Großteil des Plastikmülls nach China verschifft. Im Januar 2018 stoppte die Volksrepublik den Müllimport. Doch immer noch stapeln sich die Container mit Abfällen aus den Industrieländern in den Seehäfen. Gut eine Million Tonnen Plastikabfälle werden laut Nabu jährlich immer noch exportiert, nach Malaysia, aber auch nach Osteuropa.
Eine Alternative wäre es beispielsweise, dass sich die Industrie dazu verpflichtet, nur noch sortenreines Plastik zu produzieren. So gibt es beispielweise Joghurtbecher oder Milchtüten, bei denen sich die farbige Beschriftung einfach abziehen lässt. Doch solange Entsorgen billiger ist als Vermeiden, rechnet sich das nicht, lautet das Gegenargument. Denn Öl – Ausgangsstoff für die meisten Kunststoffe – ist immer noch reichlich vorhanden und preiswerter als das aufwendige Recyceln von Mischkunststoffen.
Vom Ziel einer echten Kreislauf- oder „Zero Waste“-Wirtschaft, bei der kaum noch Restmüll anfällt und die Rohstoffe wieder verwertet werden, ist Deutschland also noch weit entfernt.