Das große Sehnen der Touren-Profis richtet sich auf Grand-Slam-Sand im September unterm Eiffelturm. Die ersten offiziellen Restart-Turniere der Saison sollen die Damen und Herren bereits im August spielen – trotz Fragezeichen.
Die Vorzeichen für einen weitgehend heiteren Tennis-Sommer waren gut: Immer wieder kam die Sonne heraus, als in München und Versmold die finalen Matches einer speziellen Turnierserie des Deutschen Tennis Bundes (DTB) gespielt wurden. Teils mit ein paar Zuschauern auf Abstand, so wie es die Reglements in Zeiten der noch nicht ausgestandenen Corona-Pandemie hergaben. In die heimischen Fan-Räume wurden Breaks und Rebreaks vom Streaming-Dienst Tennis Channel übertragen. Der App-Anbieter hatte zur rechten Zeit im Frühjahr damit begonnen, sich derjenigen Zuschauer anzunehmen, die nach virtuos geschlagenen, gelben Bällen darbten. Spontan geschaffene Turniere jenseits der ATP-, WTA- und ITF-Touren waren Lichtstrahlen in den Monaten seit März, in einer quasi tennislosen Zeit. Seit dem Frühling wurde Tennis mit inoffiziellen Formaten neu entdeckt. So setzten auch die Bett1Aces auf Rasen in einem Hangar in Berlin sowie die temporeiche Turnierserie von Patrick Mouratoglou in Paris bunte Akzente in eine ungewöhnliche Saison. Neue Zählweisen wurden ausprobiert, junges Publikum mit unterhaltsam verpackten, teils sehr schnellen Matches abgeholt.
Schunk besiegte Siegemund
Auch wenn es für all die sportlichen Lichtstrahlen keine Punkte für die Weltrangliste gab: Spieler wie Oscar Otte, Yannick Hanfmann, Maximilian Marterer und Cedrik-Marcel Stebe trugen bei der DTB-Serie echte Kämpfe aus und ernteten verdient viel Aufmerksamkeit. Die 17-jährige Nastasja Schunk, noch immer als Nummer 1.154 der monatelang eingefrorenen Weltrangliste geführt, besiegte in der Finalrunde der German Ladies Open die Metzingerin Laura Siegemund, immerhin auf Rang 65 notiert. Vom DTB wird die Baden-Württembergerin Schunk als „neuer Stern am deutschen Tennishimmel“ bezeichnet.
Ende Juli startete im ostwestfälischen Halle eine fünfwöchige deutsche Turnierserie namens „International Premier League“ (IPL). Dort bringen 190 Spielerinnen und Spieler auf Asche und Hartplatz ihre Körper weiter in Wettkampfform für den Tour-Restart und renken mit 190.000 Euro Preisgeld die Finanzen auf ihren Konten ein wenig ein.
Indes genossen die Primusse der Punkte-Tour, Rafael Nadal und Roger Federer, heimische Freuden, Segeltörns und auch mal E-Sport oder Benefiz-Spiele. Eine Auszeit, die den seit Jahrzehnten unermüdlich Reisenden und Siegenden gegönnt sei. Ein wenig nervten Federer und Nadal dabei vielleicht wiederholte Spekulationen, wann sich die zwei Großen des Tenniszirkus wieder zum Punkte-Abholen in die Sportarenen wagen würden. Dabei war Federer nach einer Knie-Operation sowieso für das Sportjahr 2020 außen vor. Kollege „Rafa“ hoffte gegenüber Eurosport darauf, dass 2021 wieder in einer „normalen und sicheren Situation“ Tennis gespielt werden könne. Das klang nach Rest-Saison ohne ihn. Oder doch nicht. Denn der 34-Jährige versicherte Anfang Juli via Twitter seinem Freund und Turnierdirektor in der „Caja Mágica“, Feliciano Lopez: „Wir sehen uns im September in Madrid. Vorausgesetzt alles wird gutgehen (Mundschutz-Smiley).“
Das von Nadal angesprochene ATP-Tausender-Turnier in Madrid soll ab 13. September ausgetragen werden. Eine Zwickmühle. Denn bis zum 13. September wurden die US Open in New York angesetzt. Eine anschließende, vierzehntägige Quarantäne für Weiterreisende zu EU-Events ist in diesen Zeitraum noch nicht eingerechnet. Andererseits wären die „Mutua Madrid Open“ auf Asche wie immer eine gute Vorbereitung für Roland Garros. Das Sandplatz-Grand-Slam ist heuer erst ab 27. September in Paris geplant. Kaum vorstellbar, dass der Sandplatz-König aus Mallorca vom Hardcourt der US Open übergangslos auf Asche wechselt. Im Juni hatte sich „Rafa“ im Gespräch mit Eurosport überhaupt noch sehr skeptisch zum Restart der Profi-Tour schon im Spätsommer geäußert: „Mein Gefühl sagt mir, dass wir eine Medizin brauchen. Das ist das Wichtigste. Wir brauchen ein Heilmittel, wir brauchen die Impfung.“
Wenig Interesse an den US Open
Trotz eigentlichem Restart der Ranking-Tour im Sommer: Die globalen Turnier-Kalender von ATP und WTA sind auch über den August hinaus noch mit vielen Streichungen und Verschiebungen versehen. Hinzu kommen die unsicheren, die „Pending“-Events. Die „Citi Open“ in Washington waren so eines, bis sie jüngst abgesagt wurden. Nach ursprünglichem Plan sollten die Großen der Tenniswelt im August in die USA reisen und dort die Saison mit punktereichen Turnieren neu starten: Zunächst in Washington, dann sollte der Western-and-Southern-Open-Wettbewerb von Cincinnati folgen. Dieser wurde diesmal aufs Gelände von Flushing Meadows verlegt, wo ab dem 31. August auch die US Open ausgetragen werden sollen. Hygiene-pragmatisch und mangels Vorrunde begrenzt auf Teilnehmer bis WTA- oder ATP-Rang 128. Doch die Großen der Tenniswelt zeigen wenig Lust auf einen Trip in die USA. Nicht nur wegen der schnellen Wechsel zwischen den Belägen Hartplatz und Sand. Die einen haben Bedenken wegen der Sicherheit – Corona ist noch nicht vorbei, zumal in den USA. Die anderen haben wenig Lust auf hygienisch-strenge „Geisterspiele“ ohne Zuschauer.
„Natürlich würde jeder gerne einen Grand Slam spielen, wenn es möglich ist“, sagte Alexander Zverev. Der Weltranglisten-Siebte feuerte am Rande des Showturniers im Juni, das von Novak Djokovic inszeniert worden war, eine Tirade über die „Umstände“ aus Restriktionen ab, die sich aus der Pandemie für die US Open ergäben. Dass derartige Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll sind, zeigten allerdings im Nachgang des Showevents in Serbien die Meldungen über Djokovic und andere Anrainer des Party-Treibens, die positiv auf Corona getestet wurden. Eine deutliche Warnung gegen zu viel Lockerung: Gerade am Austragungsort der US Open in New York sind Vorsichtsmaßnahmen absolut notwendig. „Keine Zuschauer, kein gewohntes Umfeld, keine Umkleidekabinen, keine Duschen, kein Essen vor Ort. Eigentlich gibt es nichts im Stadion“, beklagte Alexander Zverev. Ähnlich argumentierte im Juni der Weltranglisten-Erste Djokovic, der wie Nadal eigentlich eher mit einem Tour-Restart in Madrid liebäugelt.
„Ich habe die Verantwortung für mein Team“
Harte Hygienemaßnahmen auf Hartplatz in den USA oder/und Sand mit sozialer Distanz in Spanien und Paris? – Auf irgendetwas mussten sich Spielerinnen und Spieler rechtzeitig einstellen. Galt es doch, sich passend vorzubereiten und sich mit den internationalen Reise-Restriktionen zu arrangieren. Flexibilität war Trumpf im Juli, als die Karten für den Saison-Restart immer wieder neu gemischt wurden. Größter Unsicherheitsfaktor war die Situation in amerikanischen Spielstätten. Im Spiel seien derzeit noch „große Faktoren“, die sich „unserer Kontrolle entziehen“, sagte ATP-Chairman Andrea Gaudenzi in einem Statement, als er am 21. Juli das Turnier von Washington cancelte. Diese Absage sei aufgrund von Reisebeschränkungen und aktueller Pandemie-Entwicklungen notwendig geworden. „Aus Fairness“ gegenüber Spielern und Partnern, wie der Chef des Profiverbands der Männer betonte. Trotz aller Mühen, mit denen sich die Organisatoren des Turniers an die wechselnden Gegebenheiten angepasst hätten. Der US-Verband USTA reagierte auf die Absage des Events in Washington mit der Erklärung, diese habe „in keinster Weise Einfluss“ auf die US Open sowie die vorangehenden Western-and-Southern-Open.
Doch wer wird kommen? Angelique Kerber, dreifache Grand-Slam-Siegerin aus Deutschland, hatte schon am 11. Juli im ZDF-Sportstudio ihre Zweifel an einer Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika angemeldet: „Ich habe die Verantwortung für mich und mein Team.“ Ihre europäische Sicht: „Stand heute möchte sich niemand in den Flieger setzen und nach New York fliegen.“ Neu in ihrem Team ist Torben Beltz, der sie bereits von 2004 fast durchgängig bis 2017 als Coach betreut hatte. Mit ihm geht die 32-Jährige in den Wiederbeginn des Tenniszirkus.
Die WTA startet die Damen-Tour dieser Tage in Europa neu, im italienischen Palermo. Später im August ziehen die weiblichen Profis weiter nach Prag. Lexington, Albany, Western-and-Southern-Open sowie US Open standen aus Juli-Sicht bei den Frauen für den August als etwas wackelige Termin-Optionen in den USA ebenfalls auf dem Kalender. Im September soll es eigentlich auch in Istanbul weitergehen, danach in Madrid. Die Damen und Herren des Tenniszirkus wollen von Spanien auf der wieder aufgenommenen Profi-Tour nach Rom weiterziehen, um schließlich am 27. September am Ziel der Träume vieler Tennis-Liebhaber anzukommen: Paris, Roland Garros, rote Asche und maximal Vierer-Fangruppen, die vom Veranstalter mit Abstand fest platziert werden sollen. Ob so tatsächlich Tausende Zuschauer pro Tag aufs Gelände gelassen werden, wie der Französische Tennisverband erwähnte – auch dahinter steht noch ein Fragezeichen in Social-Distancing-Zeiten wie diesen.