Bereits mit seinem Buch „Oskar und die Dame in Rosa“ griff der französische Autor Eric-Emanuel Schmitt vor vielen Jahren ein Thema auf, das den meisten Menschen nahegeht und bei dem viele sich dennoch scheuen, darüber zu reden: unheilbare Leukämie bei Kindern. Auch in seinem neuen Roman „Felix und die Quelle des Lebens“ hat er ein schwieriges Thema aufgegriffen, das im Gegensatz zu Krebserkrankungen oftmals banalisiert wird: Depressionen bei Müttern. Die Welt gerät für den zwölfjährigen Felix, ein Scheidungskind, aus allen Fugen, als seine Mutter Fatou an einer Depression erkrankt. Sie war Dreh- und Angelpunkt der schrulligen Gemeinschaft ihrer neurotischen Stammkunden. Doch von der einstigen Lebensfreude ist nun nichts mehr zu spüren.
Und Felix muss sich nun mit echten und vermeintlichen Verwandten auseinandersetzen, die allesamt glauben, nur das Beste für ihn zu wollen. „Onkel“ Bamba ist dabei erst der alkoholisierte Anfang. Doch insbesondere die Konfrontation mit seinem „Erzeuger“ ist für Felix nur schwer zu verkraften. Irgendwie passt dieser aalglatte Superdaddy, den er hämisch als „Der Heilige Geist“ bezeichnet, nicht in sein verrücktes Leben – findet zumindest Felix. Dennoch reist er mit seinem Vater und Fatou nach Afrika, um sie zu retten.
Statt Neuroleptika wird ein Medizinmann hinzugezogen, aber statt therapeutischen Endlossitzungen wird glaubwürdig auf die Versöhnung der Eltern gesetzt. Die dominante Fatou, die es seit einem Gewalttrauma nicht aushält, wenn sie nicht alles bestimmen kann, wird ein ums andere Mal mit ihrer eigenen Angst vor dem Kontrollverlust konfrontiert und sieht am Ende ein, dass es nicht das Ende der Welt ist, wenn man Hilfe in Anspruch nehmen muss. Darüber freut sich auch die liebenswerte Stammkundschaft mitsamt ihren Ticks, die ebenfalls Fatou helfen will, wieder auf die Beine zu kommen. Ein Roman, der dort ansetzt, wo man mit purer Emanzipation oft nicht mehr weiterkommt.
KULT[UR]
Foto: C. Bertelsmann
Von Psychosen und Neurosen
Eric-Emmanuel Schmitt: Felix und die Quelle des Lebens. C. Bertelsmann. ISBN: 978-3-570-10402-6.
Kult[ur] - Buch-Tipp
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