Die olympische Kernsportart nimmt nach der Corona-Pause wieder Fahrt auf. Am 14. August startet in Monaco die Diamond League, die weltweit wichtigste Meetingserie. Zum Auftakt sind sogar Zuschauer zugelassen – trotzdem gibt es Kritik.
Es war der größte Sponsoren-Deal in der Geschichte des Leichtathletik-Weltverbands. Auch wenn beide Seiten über die genauen Zahlen des Vertrags lieber schwiegen. Während der Weltmeisterschaften im vergangenen Herbst verkündete Sebastian Coe, der Präsident von „World Athletics“, eine neue Partnerschaft mit dem chinesischen Multi-Konzern Wanda Group. Ab 2020 wird dieser für zehn Jahre Titelsponsor der Diamond League, der weltweit wichtigsten Meetingserie, die am 14. August mit dem Turnier in Monaco in die neue Saison startet.
„Wanda ist der ideale Partner, um die Leichtathletik im schnell wachsenden chinesischen Markt in der nächsten Dekade zu stärken“, erklärte Coe. Wanda-Geschäftsführer Hengming Yang sagte: „Es ist unsere Mission, Weltklassesport nach China zu bringen. Wir wollen mit der Diamond League die Fans in China für die Leichtathletik begeistern.“
Von vielen Fans – vor allem in den traditionellen Leichtathletiknationen in Europa – wurden gerade diese Aussagen allerdings mit Argwohn verfolgt. Niemand bestreitet den finanziellen Nutzen für den Weltverband. Gleichzeitig befürchten viele, dass dieser sein Premiumprodukt für Marketingzwecke verkauft hat. Und dass Wanda nur deshalb zugeschlagen hat, um primär den chinesischen Markt zu stärken, wie es zum Beispiel Journalist Ewald Walker im „Leichtathletik-Magazin“ befürchtete. Tatsächlich umfasst der Vertrag neben der Titel-Sponsorschaft für die Diamond League und den dazugehören Medienrechten unter anderem eine Vereinbarung zur stärkeren Zusammenarbeit bei der Entwicklung des chinesischen Nachwuchses, das Recht zur Durchführung der alljährlichen „World Athletics Gala“ mit der Wahl der Welt-Leichtathleten in China sowie die Ergänzung des Wettkampfkalenders der Diamond League um ein zweites Meeting im Reich der Mitte.
Die Sorge war, dass sich der Fokus in den Fernen Osten verschieben würde, dorthin, wo das Geld sitzt. Eine Entwicklung, die in Europa nicht erst seit der wenig stimmungsvollen WM 2019 in Doha (Katar) mit Grauen beobachtet wird. Doch sofern diese Pläne je existierten, wurden sie durch das Coronavirus jäh beendet. Aufgrund der Pandemie mussten bislang acht Meetings abgesagt werden, zuletzt das in Gateshead in Großbritannien, das eigentlich für den 16. August geplant war.
Meeting in Doha soll nachgeholt werden
Neben den Veranstaltungen in London, Paris und Lausanne, das freiwillig zurückzog und stattdessen einen Stabhochsprung-Wettbewerb auf die Beine stellt, waren dabei vor allem die außereuropäischen Stationen in Eugene (USA), Rabat (Marokko) und Shanghai betroffen. Das Meeting in Doha dagegen, das im April ausgefallen war, soll im Oktober nachgeholt werden. Mit dem Meeting am 17. Oktober an einem bislang noch nicht festgelegten Ort in China findet sich im überarbeiteten Wettkampfkalender ansonsten nur noch ein weiterer Standort außerhalb Europas.
Mindestens für dieses Jahr schlägt das Herz der Leichtathletik also weiterhin in Europa. Das haben auch die deutschen Asse erkannt, die zum Teil eigentlich längst ganz woanders sein wollten. So hat Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo ihre USA-Pläne mit einem Training bei Carl Lewis zunächst verschoben. „Die aktuelle Situation in den USA ermöglicht mir derzeit keine optimalen Trainingsbedingungen, sodass ich meine Trainingsplanung derzeit weiter in Deutschland ausrichten werde. Sobald sich die Lage in Texas etwas normalisiert hat, sehen wir weiter“, erklärte Deutschlands amtierende Sportlerin des Jahres. Mihambo trainiert vorerst weiter in Deutschland und wird nach dem Ende der Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Coach Ralf Weber bis auf Weiteres von Bundestrainer Ulrich Knapp betreut. „Dabei trainieren wir sowohl am Bundesstützpunkt in Saarbrücken und nutzen die dort umfassend gegebenen Serviceleistungen, oder ich besuche sie in Oftersheim“, sagte Knapp. Außer bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig am 8. und 9. August, will Mihambo auch bei den True-Athletes Classics am 16. August in Leverkusen antreten, dort jedoch im Sprint über 100 Meter. Weitere Starts bei deutschen Meetings sind möglich. Auch Sprinterin Gina Lückenkemper – die Vize-Europameisterin von 2018 – wollte in diesem Jahr eigentlich viel Zeit in den USA verbringen. Seit Herbst wird sie von US-Trainer Lance Brauman betreut, den sie eigentlich in Florida treffen wollte. Wegen Corona und den damit verbundenen Reiserestriktionen hält sie sich stattdessen in Bamberg fit, wo ihr Lebenspartner wohnt. Die Trainingspläne schickt Brauman nun per E-Mail.
Ganz anders dagegen der Weg von Läuferin Konstanze Klosterhalfen, die schon etwas länger in den USA lebt und trainiert und daran auch während der Corona-Pandemie festhielt. Deswegen wird die Leverkusnerin, die bei den vergangenen Weltmeisterschaften über 5.000 Meter die Bronzemedaille holte, auch nicht an den Deutschen Meisterschaften teilnehmen. „Eine Teilnahme an der DM in Braunschweig war stets ein Thema, aber aufgrund der aktuell erschwerten Umstände hinsichtlich Reiseplanungen und der damit zusammenhängenden Gesamtorganisation sowie des notwendigen Zeitrahmens für die Akklimatisierung bei einem Wechsel nach Europa haben wir kurzfristig entschieden, vor der lange bereits feststehenden Teilnahme in Monaco keinen Wettkampf zu bestreiten“, bestätigte Dany Biegler vom Klosterhalfen-Management.
Zuschauer kehren schrittweise zurück
Vielleicht bieten ihr die „Geister-Meisterschaften“ vor leeren Rängen in Braunschweig auch einfach keinen Reiz, zumal die nationale Konkurrenz sportlich ohnehin kaum noch mit Klosterhalfen mithalten kann. Längst sucht die WM-Dritte andere Herausforderungen und findet sie zum Beispiel in der Diamond League. Beim Auftakt am 14. August in Monaco wird sie ihren ersten Wettkampf in Europa in diesem Sommer bestreiten. An der Côte d’Azur werden dann sogar bis zu 5.000 Zuschauer live dabei sein können, wenngleich mit strengen Abstandsregeln und verpflichtendem Mund-Nasen-Schutz. Sie dürfen sich dort unter anderem über solche Stars wie Stabhochsprung-Weltrekordler Armand Duplantis (Schweden) und den zweifachen Weltmeister über 400 Meter Hürden, Karsten Warholm aus Norwegen, freuen. Allerdings gilt dieses Privileg längst nicht für alle Austragungsorte: Die Veranstaltung am 4. September in Brüssel etwa wird ohne Zuschauer stattfinden, nachdem die belgische Regierung bisher nicht entschieden hat, ob bis dahin das Publikum wieder in die Stadien zurückkehren darf. „Aus praktischer Sicht war es das Beste, sich jetzt zu entscheiden und unseren Fans und unserem Publikum eine klare Antwort auf Ticketfragen geben zu können“, erklärte Meeting-Direktor Cedric Van Branteghem sichtlich enttäuscht.
Dennoch sind die jetzigen Lockerungen bereits ein Fortschritt gegenüber den ersten internationalen Meetings im Juni und Juli, als die Athleten noch allerorten gänzlich vor leeren Rängen antreten mussten. Während die Zuschauer also auch in der Leichtathletik schrittweise zurückkehren, bleiben dafür einige Sportler in der Diamond League seit diesem Jahr außen vor. Der Weltverband hat gleich mehrere Disziplinen aus dem Programm für die Eliteserie gestrichen: den Dreisprung, den 200-Meter-Lauf, die 3.000 Meter Hindernis sowie das Diskuswerfen. Unter anderem deshalb hatte Dreisprung-Olympiasieger Christian Taylor (USA) – mit sieben Gesamtsiegen in der Diamond League neben Stabhochspringer Renaud Lavillenie (Frankreich) immer noch der erfolgreichste Athlet in der Geschichte der Serie – im Winter die unabhängige Athletenvertretung „The Athletics Association” ins Leben gerufen, weil er mehr Mitspracherecht für die Sportler fordert. „Wir Athleten haben fast sämtlichen Einfluss über die Show verloren, die wir ja erst bieten“, sagte Taylor kürzlich im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Die Verbände sagen immer, wir Athleten seien die zentralen Figuren in diesem Schauspiel – warum werden wir dann nicht in die zentralen Entscheidungen einbezogen?“ Auch aus deutscher Sicht war der Beschluss äußerst ärgerlich: Mit Europameisterin Gesa Felicitas Krause (Hindernis), den traditionell starken Diskuswerfern und dem wiedererstarkten Dreispringer Max Heß werden in dieser Saison in der Diamond League einige der besten DLV-Athleten fehlen.