Felix Magath hat bei den Würzburger Kickers keine offizielle Funktion. Und trotzdem entscheidet er viel, vielleicht fast alles. Und ist somit nach nur einem halben Jahr Amtszeit der Garant für den überraschenden Aufstieg in die 2. Bundesliga.
Es wirkte am Anfang etwas schräg. Felix Magath, als Spieler zweimal Vize-Weltmeister und Siegtorschütze beim Europacup-Sieg des Hamburger SV, als Coach Meister-Trainer beim FC Bayern und dem VfL Wolfsburg, wurde „Head of Flyeralarm Global Soccer“. Was bedeutete: Der 66-Jährige wurde Chef der Fußball-Aktivitäten der Online-Druckerei „Flyeralarm“. Und die sponsert im großen Stil die Würzburger Kickers sowie den österreichischen Bundesligisten Admira Wacker Mödling und ist zudem Namenssponsor der Frauen-Bundesliga. Magath hat bei keinem Verein eine offizielle Funktion. Aber die braucht er auch nicht. Er ist der Chef des Ganzen. Er entscheidet, was überall gemacht wird. Wer eingestellt wird, wer gehen muss, wer bleiben darf. Was gemacht wird und wie es gemacht wird. Einen Vergleich zu Ralf Rangnick bei Red Bull lehnte Magath aber gleich ab. „Wir werden nicht irgendjemandem nacheifern, dafür bin ich zu lange im Fußball-Geschäft“, stellte er klar.
Wieviel Macht hat er wirklich?
Als er kam, standen die Würzburger in der unteren Tabellenhälfte der 3. Liga, doch die Ziele Magaths waren schnell klar. Und sie waren extrem hoch. Er wolle sich „nicht begrenzen und sagen: Ich bin zufrieden, wenn Würzburg in die 2. Liga aufsteigt. Nein, ich werde alles dafür tun, dass größere Erfolge kommen“, hatte Magath schon bei seiner Vorstellung gesagt. Mit Mittelmaß könne er „nicht leben“. Aber wer ihn hole, wisse das. Flyeralarm-Gründer und -Geschäftsführer Thorsten Fischer habe den oft als kauzig geltenden und mit diesem Image gerne kokettierende nMagath im Vorfeld gewarnt, sagte er der „Main-Post“. „Ich bin anders, als das, was du bisher hörst und ich werde mich nicht verändern“, habe er Fischer, der schon beim FC Bayern und dem DFB als Sponsor tätig war, gesagt: „Ich freue mich, dass ich mit Thorsten Fischer jemanden gefunden habe, der bereit ist, dieses Risiko einzugehen, sich auf meine Vorstellungen vom Fußball einzulassen.“ Nach außen sagte Magath direkt: „Wir wollen in Zukunft woandershin. Durch meine Anwesenheit ist doch bereits eine Entscheidung gefallen.“ In Würzburg solle er helfen, den Verein „auf ein anderes Niveau zu heben“. Der Verein müsse raus aus der 3. Liga. Diese hohen Ansprüche und auch seine Ungeduld, das wusste der erfahrene Coach, könnten aber zum Problem werden. „Die Problematik liegt auf der Hand“, sagte er: „Es ist länger her, dass ich nicht in der höchsten Liga gearbeitet habe. Ich habe im Kopf, was erstklassig ist. Jetzt liegt es an mir, Abstriche zu machen.“
Die nach einem halben Jahr schon gar nicht mehr so groß sind. Seit jenem Wochenende Anfang Juli, als Magath sich hätte zweiteilen müssen. Und weil Mödling eben Bundesligist ist, saß er in Tirol auf der Tribüne, wo Admira sich mit einem 0:0 zum Klassenerhalt zitterte. Während sich in Würzburg ein kleines Fußball-Drama mit Happy End für Würzburg ereignete. Die Kickers hatten sich von Rang 13 bei Magaths Einstieg im Januar über Platz 10 bei der Corona-Unterbrechung nach dem 27. Spieltag tatsächlich auf einen Aufstiegsplatz vorgearbeitet. Und hätten zu Hause gegen Halle nur ein Unentschieden gebraucht. In der Nachspielzeit stand es 1:2, das Spiel von Rivale Ingolstadt bei 1860 München war schon beendet und der FCI fühlte sich schon in der 2. Liga, als es in Würzburg einen Handelfmeter für die Kickers gab. Sebastian Schuppan trat an und schoss die Kickers in der dritten Minute der Nachspielzeit seines letzten Spiels als Fußball-Profi in die 2. Liga. Eiskalt. Magath hielt in Tirol darauf ein Aufstiegs-Shirt in die Kamera und schickte Grüße. Am Montag war er dann dabei, im weißen Dreiteiler mit weißem Hut, als die Kickers im Anstoßkreis des Stadions mit einer „White Night“ den Aufstieg feierten.
Planungen werden schwierig
Darüber, wie groß der Anteil Magaths ist, wurde danach flächendeckend diskutiert. Weil das Konstrukt von außen so schwer zu durchschauen ist und Magath sich im Endeffekt doch selten äußert. Und wenn, dann nebulös. Auf die konkrete Frage seines Anteils sagte er also mit seinem ihm eigenen, verschmitzten Humor: „Das Beste an mir war, dass ich den Aufstieg nicht verhindert habe.“ Und dann etwas ernster: „Man kann nicht in Prozentzahlen ausdrücken, wer welchen Anteil hat. In einem Team trägt jeder zum Erfolg bei.“ Vorstandschef Daniel Sauer sagte: „Natürlich hat der Felix einen Anteil an diesem Erfolg. Wer so viel Erfahrung und Kompetenz in einen Verein hereinbringt, der hilft natürlich.“
Spannend wird nun, wie Magath und die Kickers den nächsten Sprung angehen, nachdem dieser schneller als erhofft gelungen ist. „Das Problem ist, dass die Planungen immer schwierig sind, wenn man die Klasse wechselt. Und durch Corona gibt es dieses Jahr zusätzliche Fragen“, sagte Magath in der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Umbruch stehe aber nicht bevor. „Wir sind mit der Arbeit der Mannschaft sehr zufrieden, deshalb denke ich, dass ein Großteil auch in der nächsten Saison mit von der Partie ist.“ Laut Magath gibt es einen ganz besonderen Zusammenhalt in Würzburg. Die Kickers seien aufgestiegen, weil sie „der homogenste Verein“ waren, sagte er: „Es gab kein Störfeld im Verein oder um den Verein herum. Alle haben an einem Strang gezogen – das habe ich in dieser Form selten erlebt.“
Kurios war, dass Magath zunächst Aussagen zur Zukunft von Trainer Michael Schiele vermied.
Die Fans feierten diesen, Bundesligist Hoffenheim zeigte Interesse und rund um Würzburg wurde schon über mögliche interne Zweifel am 42-Jährigen gemutmaßt, der schon seit Oktober 2017 im Amt ist. Dabei hatten sich sogar die Spieler öffentlich klar zu ihm bekannt. „Wir haben alles gemacht, was in unserer Macht steht“, sagte Elfmeter-Held Schuppan und erklärte, er werde den neuen Vertrag Schieles „zur Not selbst ausdrucken“. Doch offenbar wollte Magath zunächst die Entscheidung über den Aufstieg abwarten und dann den richtigen Moment. Denn schon bei der Meisterfeier zwei Tage danach stellte er klar: „Wir freuen uns, dass der Vater des Aufstiegs auch in der kommenden Saison unser Cheftrainer ist.“ Was einer Verkündung nahekam und auch wieder zeigte, wer am Main wirklich das Sagen hat. „Michael ist der richtige Mann, um diese schwierige Aufgabe in der 2. Bundesliga bei und mit den Kickers zu lösen“, sagte Magath.
Rätselraten um die Zukunft des Trainers
Der inzwischen bundesweit als großes Trainer-Talent geltende Schiele hatte zuvor berichtet, dass er sich wöchentlich zwei- bis dreimal telefonisch mit dem erfahrenen Meister-Trainer austauscht. Und Rat von diesem nehme er immer gerne an. Wenn sich eine solche „Koryphäe als Fußballer und Trainer“ einbringe, müsse man „so offen sein und das Ganze annehmen.“ Seine Aufgabe wird aber nicht zuletzt wegen der hohen Ziele so herausfordernd. Fakt ist, dass die Kickers – die in der Saison 2016/17 schon mal zweitklassig waren, aber direkt wieder abstiegen – das geringste TV-Geld aller 36 Profi-Vereine erhalten werden. 7,49 Millionen sollen es laut „kicker“-Recherche sein, alleine die Zweitliga-Rivalen Hannover und Düsseldorf sollen über 22 Millionen bekommen. Doch der Sponsor und Magath drängen weiter nach oben. „Jetzt geht die Arbeit erst richtig los“, sagte Vorstandschef Sauer.
Was auf den ersten Blick schwierig erscheint, ist die komplette Unterschiedlichkeit zwischen Schiele und Magath. Nach dem Aufstieg sagte der Trainer Worte wie „absolut geil“ oder „ganz großes Kino“. Worte, die dem oft als „Quälix“ betitelten und meist im Anzug am Tee schlürfenden Magath sicher nie über die Lippen kommen würden. Aber vielleicht ist das auch das Geheimnis des (schnellen) Erfolges. Ein „junger Wilder“ als Trainer und ein erfahrener Patron im Hintergrund, das könnte eine Mischung sein, mit der Würzburg auch in der 2. Liga für die ein oder andere Überraschung sorgen könnte. Und wie lange will Magath das Ganze machen? „Ich gehe davon aus, dass diese Tätigkeit hier für mich erst endet, wenn alle zufrieden sind“, sagte er. Nur eines sei klar: Den Trainer Magath wird es nicht mehr geben.