Gestern waren sie noch die großen Stars der internationalen Mode-Szene, heute scheinen sie bereits in der Versenkung verschwunden. Was wurde aus Star-Designern wie Christopher Bailey, Phoebe Philo, Alber Elbaz oder Frida Giannini? FORUM macht sich auf Spurensuche.
Mode ist ein schnelllebiges Geschäft und das sowohl im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinn. Bereits seit geraumer Zeit jagt eine Kollektion die nächste. Längst vorbei sind die Zeiten, als sich die Bekleidungsindustrie auf Neuheiten für Herbst und Winter sowie Frühjahr und Sommer konzentrierte. Nahezu alle bekannten Luxus-Häuser und Designer-Marken werfen zwischen den beiden Hauptsaisons sogenannte Cruise- beziehungsweise Resort-Kollektionen auf den Markt. Die allseits bekannten Filialisten aus Schweden, Spanien, Japan oder dem Vereinigten Königreich frischen nahezu wöchentlich ihre Ladenlokale mit neuer Ware auf. Fast schon erstaunlich mutet in diesem Zusammenhang die langjährige Loyalität der ganz großen Mode-Labels zu ihren kreativen Köpfen. Das hat sich mittlerweile geändert: Seit Alber Elbaz die künstlerische Leitung bei Lanvin aufgab, um sich neuen Abenteuern zu widmen, hat das muntere Stühlerücken begonnen. Diese „Reise nach Rom" fand nicht für jeden ein gutes Ende.
Wahrlich obskur mutet die Karriere des Franzosen Christophe Decarnin an. Selbst neun Jahre nach seinem Verschwinden aus dem Rampenlicht der globalen Mode-Szenerie ranken sich die abenteuerlichsten Legenden und Gerüchte um den eigenwilligen Designer. Decarnin kam 2005 zu Balmain und wurde 2007 zum Creative Director befördert. Er verpasste den Kollektionen einen taffen Look mit Bikerjacken, Lederhosen, Tank-Tops und zerschlissenen Jeans, was die Umsätze des Hauses nach oben trieb. Zuvor arbeitete Decarnin sieben Jahre bei Paco Rabanne. Bereits während der Pariser Modewoche 2011 wurde über seinen psychischen und physischen Zustand spekuliert. Offiziell hieß es, er könne bei der Präsentation seiner Herbst/Winter-Kollektion nicht anwesend sein, weil er sich krank fühle und unter depressiven Stimmungen leide. Brancheninsider vermuteten damals schon den Abgang des Designers, was wenig später offiziell bestätigt wurde. Als Grund für sein Ausscheiden wurden unterschiedliche Auffassungen bezüglich der zukünftigen Ausrichtung des Hauses genannt. Darüber hinaus wurde gemunkelt, dass Decarnin überlege, eine eigene Linie zu lancieren. Immer wieder wurde und wird sein Name mit dem 2015 gegründeten Label Faith Connexion in Verbindung gebracht, was nicht zuletzt daran liegt, dass sein gesamtes ehemaliges Designer-Team darin involviert ist. Vonseiten der Marke wurde Decarnins Engagement weder bestätigt noch verneint sondern lediglich mit der vielsagenden Aussage kommentiert: Fashion needs to be free, Freed from Fall/Winter, Spring/Summer seasons, freed from multimillion-dollar shows, freed from flagship stores, and freed from star designers." (Mode muss frei sein. Frei von saisonalen Unterscheidungen wie Herbst/Winter oder Frühling/Sommer, frei von multi-millionen Dollar Shows und frei von Star-Designern.)
Obskurer Abgang von Alber Elbaz
Kommen wir zu dem bereits eingangs erwähnten Alber Elbaz. Dessen Abgang als gefeierter Kreativdirektor des französischen Traditionslabels Lanvin mutet nicht ganz so geheimnisumwittert an, aber nicht weniger obskur. Immerhin 14 Jahre leitete er die künstlerischen Geschicke des 1889 von Jeanne Lanvin gegründeten Couture-Hauses und verwandelte dabei die leicht angestaubte Marke zu dem Fashion-Must-have schlechthin. Ähnlich wie bei Decarnin waren wohl auch hier Meinungsverschiedenheiten zwischen Elbaz und der neuen Geschäftsführung ausschlaggebend für die Trennung. Wenig später gab auch Lucas Ossendyiver, Chef-Designer der Herrenlinie und Protegée von Elbaz seinen Rücktritt bekannt. Der gebürtige Marokkaner begann seine Karriere 1989 in New York als Assistent des Coutouriers Geoffrey Beene bevor er 1996 nach Paris wechselte und die kreative Leitung bei Guy Laroche übernahm. Dort hielt es ihn jedoch nur knapp ein Jahr, und nach ebenso kurzen Zwischenepisoden bei Yves Saint Laurent und Krizia landete er 2001 schließlich bei Lanvin. Dort etablierte er sich als einer der erfolgreichsten und auch beliebtesten Designer des aktuellen Milleniums. Kollaborationen mit dem schwedischen Jeans Kult-Label Acne oder auch H&M festigten seinen Ruf als Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Für seinen unverkennbaren Stil aus glitzernder, körperbetonter Abendgarderobe und hochwertiger Schneiderkunst erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und galt als sicherer Nachfolger von Karl Lagerfeld bei Chanel. Bekanntlich ist es dazu nie gekommen. Stattdessen kreierte er gemeinsam mit dem renommierten Parfumier Frédéric Malle einen Duft namens Superstitious und gab kürzlich eine Zusammenarbeit mit der italienischen Marke Tod‘s bekannt, die vor allem für ihre luxuriösen Lederwaren bekannt ist.
Nur so ganz nebenbei bemerkt: Bouchra Jarrar, die designierte Nachfolgerin von Alber Elbaz bei Lanvin, durfte nach gerade einmal 16 Monaten wieder ihren Hut nehmen und widmet sich seitdem lieber der Fotografie als dem Design von Luxusroben. Bei aller Erfahrung und Expertise, die hinterlassenen Fußstapfen waren für die zurückhaltende Französin dann doch mehr als eine Nummer zu groß. Eher ruhig wurde es seitdem auch um das dienstälteste französische Couture-Haus.
Die Modewelt ist nicht nur schnelllebig, sondern hat manchmal auch ein sehr kurzes Gedächtnis. Wie anders ist es zu erklären, dass Alessandro Michele unter Fashionistas und Fashionistos nahezu Narrenfreiheit besitzt und als unumstrittener Heilsbringer bei Gucci gehandelt wird, allerdings offensichtlich kein Mensch mehr Frida Giannini auch nur eine Träne nachtrauert. Sieht man einmal davon ab, dass Micheles Entwürfe nicht unbedingt Alltagstauglichkeit besitzen, leitete Giannini immerhin neun Jahre die Kreativabteilung des italienischen Luxushauses und das durchaus erfolgreich. Als Nachfolgerin von Design-Ikone Tom Ford übernahm sie 2006 ein nahezu übergroßes Erbe. Giannini machte erst gar nicht den Fehler, ihren Vorgänger zu kopieren, sondern orientierte sich an der langen Tradition des 1921 von Guccio Gucci gegründeten Unternehmens. Anfangs noch als kleine Werkstatt für Lederwaren und Gepäck gedacht, wurde das Sortiment immer breiter und etablierte in den 70er-Jahren auch eine eigene Bekleidungslinie. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die beiden ineinander verschlungenen Gs als Firmenlogo auch gleichzeitig Symbol für den internationalen Jetset. Seit ihrem Rücktritt 2015 kümmert sich Frida Giannini nahezu ausschließlich um soziale Projekte und gehört zum Vorstand des Hilfswerks Save the Children. Die Römerin hat zwar nicht ausgeschlossen, über kurz oder lang wieder im Modezirkus Fuß zu fassen, bislang war eine Sweater-Kollektion ausschließlich für wohltätige Zwecke in Zusammenarbeit mit OVS ihr einziges Lebenszeichen.
Auch schon zwei Jahre zurück liegt der Abgang von Phoebe Philo bei Céline – Pardon… Celine! Seit Hedi Slimane das Sagen hat, schreibt sich das Label ja ohne Apostrophe. Wie dem auch sei, das französische Haus vermisst wahrscheinlich mehr noch als das Apostroph in seinem Namen die Entwürfe der ebenso talentierten wie scheuen Engländerin. Zudem wurde sie von ihren Fans abgöttisch geliebt. Nach ihrem Studium am renommierten Central Saint Martins arbeitete sie 1997 für Chloé als Modedesignassistentin ihrer Studienfreundin Stella McCartney. Nach deren Weggang im Jahr 2001, übernahm Philo den Posten als Chefdesignerin. Fünf Jahre später verließ Philo das Label und zog zurück nach London, um sich eine zweijährige Auszeit zu nehmen. Im September 2008 wurde sie als Nachfolgerin von Ivana Omazić Chefdesignerin beim französischen Damenmode-Unternehmen Céline, einem Tochterunternehmen des französischen Konzerns LVMH. Ihr neuer Arbeitgeber richtete ihr hierfür eigens ein Atelier im Londoner Stadtteil Mayfair ein. Seit Februar 2018 genießt die mit dem britischen Galeristen Max Wigram verheiratete Designerin ihr Privatleben und widmet sich lieber ihrer vierköpfigen Familie als dem Entwerfen neuer Blusen und Röcke. Vor wenigen Monaten berichteten jedoch mehrere international bekannte Fashion-Magazine, Philo arbeite gerade an ihrem eigenen Label. Wie und wann das Projekt lanciert wird, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Die Designerin selbst hat sich bis dato nicht zu den Gerüchten geäußert.
Philo widmet sich der vierköpfigen Familie
Weitestgehend mit dem Thema Mode abgeschlossen, hat auch Consuelo Castiglioni. Ohne spezifische Erfahrung oder gar Ausbildung in der Textilbranche gründete sie zusammen mit ihrem Mann Gianni Castiglioni 1994 die Marke Marni in Mailand und übernahm den Posten der Kreativdirektorin. Mit intelligenten Entwürfen, die von kräftigen Farben, geometrischen Prints, modernen Formen und Schnitten, zum Teil im Vintage-Stil, sowie unkonventionellen Materialien geprägt waren, machte sie sich schnell einen Namen. Ende 2016 zog sich Castiglioni mit dem Rest ihrer Familie aus dem Unternehmen vollständig zurück, nachdem Marni bereits 2012 mehrheitlich von dem Diesel-Gründer Renzo Rossi und dessen italienischer Only The Brave Holding übernommen worden war. Ihr Nachfolger als Chefdesigner steht bereits fest. Francesco Risso kommt vom Luxuslabel Prada, wo er in den vergangenen Jahren für die Damenkollektionen mitverantwortlich war. 2018 lancierte die Castiglioni-Familie eine neue Modemarke namens Plan C, bei der allerdings Consuelo Casiglionis Tochter Carolina das Sagen hat.
Erinnert sich noch jemand an Francisco Costa? 13 Jahre lang bestimmte der Brasilianer die Geschicke bei Calvin Klein und wurde dabei für sein wegweisendes minimalistisches Design geradezu mit Preisen überhäuft. Umso überraschender, dass Costa gemeinsam mit dem für die Herrenkollektion zuständigen Italo Zuccelli von seinem Arbeitgeber 2016 still und leise vor die Tür gesetzt wurde, um für das belgische Wunderkind Raf Simons den roten Teppich auszulegen. Während der Name Zuccelli komplett aus der Liste der Modeschaffenden verschwunden ist, hat sich Costa nach einer längeren Pause wieder berappelt und sein eigenes Beauty-Label Costa Brazil gegründet. Ob er besondere Lust verspürt, sich wieder ans Reißbrett zu setzen und maßgeschneiderte Teile für die Dame von Welt zu zeichnen, ist derzeit nicht überliefert.
Costa wurde leise vor die Tür gesetzt
Diese Frage beschäftigt die Modewelt ganz besonders im Zusammenhang mit Christopher Bailey. Ende 2018 räumte der Brite nach über 17 Jahren als Kreativdirektor seinen Stuhl beim britischen Renommierlabel Burberry. Zwischen Mitte 2014 und Mitte 2016 hatte er außerdem den Posten des CEO im Unternehmen inne und implementierte der von Thomas Burberry 1856 gegründeten Marke eine unverkennbare DNA, die scheinbar mühelos den Spagat zwischen Tradition und Moderne bewältigte. Nach seinem Studium am Londoner Royal College of Arts zog es ihn nach New York zu Donna Karan, um dort die Damenlinie mitzugestalten. Diese Aufgabe bewältigte er gleich so erfolgreich, dass ihn Tom Ford 1996 persönlich abwarb und Bailey zum Senior Designer für Gucci ernannte. 2001 kam dann der wegweisende Wechsel zu Burberry und anschließend also der Rückzug ins Privatleben und das mit gerade einmal 47 Jahren. Bailey ist mit dem britischen Schauspieler Simon Woods verheiratet und zieht mit ihm gemeinsam zwei Töchter groß. Eine Rückkehr auf die große Modebühne schließt der Brite zwar nicht aus, besonders eilig scheint er es damit aber nicht zu haben.
Möglicherweise geht Bailey ja den gleichen Weg wie viele seiner ehemaligen Wegbegleiter und beginnt einfach noch einmal ein neues berufliches Kapitel in seinem Leben. So versucht sich Jenny Lyons seit ihrem Abgang als Kreativdirektorin der amerikanischen Lifestyle-Marke J.Crew abwechselnd als Innenarchitektin, Fernsehproduzentin, Inhaberin einer E-Commerce-Website oder als Gründerin einer neuen Make-up-Linie. Peter Copping, ehemals Chefdesigner unter anderem bei Nina Ricci und zuletzt Oscar de la Renta, arbeitet aktuell als Redakteur für das Magazin „Architectural Digest", und Alessandra Facchinetti, vormals am Zeichenbrett für zum Beispiel Gucci, Valentino oder aber auch Tod‘s, schneidert momentan lieber Kostüme für die großen Bühnen dieser Welt, wie Giuseppe Verdis Oper „Don Carlos".
Vortrefflich ließe sich auch über die Pläne eines Tomas Maier spekulieren, der eine ganze Ära beim italienischen Luxus-Label Bottega Veneta prägte, bevor er dort einer kreativen Frischzellenkur zum Opfer fiel, ganz aktuell erreicht die internationale Modewelt allerdings die Nachricht, dass Clare Waight Keller ihren Job als kreative Leiterin bei Givenchy geschmissen hat. 2017 ersetzte die Britin den zu Burberry abgewanderten Riccardo Tisci und orientierte sich in ihren Entwürfen eher an der zeitlosen Eleganz des Firmengründers als dem teils wilden Streetstyle ihres Vorgängers. Mit Matthew Williams als Nachfolger werden die Herren-, Damen- und Haute-Couture-Kollektionen von Givenchy wohl eher wieder in die umgekehrte Richtung gehen. Lassen wir uns überraschen!