Fabio Heßling ist ein großer Hoffnungsträger der deutschen Hammerwurf-Szene. Der 21-Jährige gewann Mitte August bei den Deutschen Meisterschaften der Aktiven in Braunschweig Bronze. Sein Ziel: die Olympischen Spiele 2024.
Der Hammerwurf in Deutschland hinkt seinen großen Erfolgen der Vergangenheit hinterher. Seit Karl-Hans Riehm (Silber) und Klaus Ploghausen (Bronze) vor 36 Jahren in Los Angeles schaffte es kein deutscher Mann bei Olympischen Spielen auf das Podium. Seit Markus Esser (Silber) vor 15 Jahren gilt eben dies auch für Weltmeisterschaften. Fabio Heßling möchte das ändern. Der Saarländer vom LAC Saarlouis will sich in den kommenden Jahren zum internationalen Medaillenkandidaten weiterentwickeln. Bei den Deutschen Meisterschaften der Aktiven in Braunschweig gewann das Talent Mitte August die Bronzemedaille. Und das trotz einer durch die Corona-Pandemie eingeschränkten Vorbereitung.
Als Grundschüler tanzte Fabio Heßling sportlich gesehen zunächst auf drei Hochzeiten und musste sich irgendwann zwischen Schwimmen, Leichtathletik und Fußball entscheiden. „Leichtathletik hatte mir am meisten Spaß gemacht, und deshalb habe ich mich darauf spezialisiert", erinnert sich Heßling. Die Sportart war klar, die Disziplin jedoch noch lange nicht. „Ich hatte damals als Mehrkämpfer vieles durchprobiert", berichtet er. Aus einer Laune heraus versuchte er sich an einem Wochenende auch mal als Hammerwerfer. Mit durchschlagendem Erfolg. „Dabei hat mich dann mein Landestrainer Christoph Sahner entdeckt und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einmal pro Woche ins Training zu kommen. So hat das alles angefangen", blickt Heßling zurück. Weshalb er angesichts der Fülle an zuvor ausprobierten Sportarten ausgerechnet beim Hammerwurf geblieben ist? „Ich verstehe mich sehr gut mit meinen Trainern und meiner Trainingsgruppe. Mit ihnen zusammenzuarbeiten hat mir immer schon sehr viel Spaß gemacht. Dann kamen noch die Erfolge dazu", erklärt Heßling. „Ich war auch immer schon recht schmal und habe mir immer ausgemalt, wie weit ich einmal werfen kann, wenn ich mehr Kraft und Masse hätte."
Um diesen Traum in die Tat umzusetzen, folgte der Wechsel an die Landessportschule, wo er fortan mehrmals pro Woche trainierte und sich endgültig auf Hammerwurf spezialisierte. Mit Erfolg. 2016 fand die erste Deutsche Hammerwurf-Jugendmeisterschaft in der Halle statt – und Fabio Heßling sicherte sich auf Anhieb den ersten Titel der Geschichte. In der Folge kamen weitere nationale Meisterschaften hinzu, was ihn zum großen Hoffnungsträger seiner Disziplin in Deutschland macht.
„Ich war immer recht schmal"
Schon als 16-Jähriger qualifizierte sich Heßling erstmals für eine Europameisterschaft. Es war sein zweites Jahr mit dem Fünf-Kilo-Wurfhammer. „Ich hatte damals auf vieles verzichtet, um mich optimal vorzubereiten. Unter anderem auf die Abschlussfahrt meines Jahrgangs", berichtet Heßling. „Leider bekam ich zwei Wochen vor der Europameisterschaft das Pfeiffersche Drüsenfieber und musste daraufhin die ganze Saison absagen." Mit seiner Qualifikationsweite wäre er im EM-Finale Dritter geworden, hätte also die Bronzemedaille gewonnen. „Das war schon hart, aber in dieser Zeit habe ich mir über Sport gar keine Gedanken gemacht", erinnert sich der junge Mann. „Ich war einen Monat lang komplett fertig und habe bis zu 15 Kilogramm abgenommen. Das Virus hat mich so richtig zerstört, das war schon schlimm." Gar drei Monate dauerte es, ehe der Saarlouiser erstmals wieder zaghaft leichte Übungen absolvieren konnte. Und selbst dann „habe ich noch gemerkt, wie sehr mir das Ganze noch in den Knochen hing. Mein Trainer meint, dass ich die Krankheit erst seit einem knappen Jahr wirklich vollständig überwunden habe", sagt Heßling.
Diese extreme Erfahrung mit einer Viruserkrankung hat ihn geprägt. Das zeigt sich auch im sensiblen Umgang mit dem Coronavirus. „Ich habe schon Respekt vor der Covid-19-Erkrankung. Ich hätte niemals gedacht, dass ein Virus einem so heftig zusetzen kann", sagt er und nennt ein Beispiel: „Damals musste ich mich nach dem Treppensteigen hinlegen und habe fast zwei Stunden geschlafen, weil ich so erschöpft war. Deshalb habe ich mich privat lange von fremden Leuten ferngehalten und mich nur mit meiner Familie und meiner Freundin getroffen. Wir haben auch die Trainingsgruppe verkleinert." Dass es Menschen gibt, die die Abstands- und Hygienemaßnahmen zurzeit ablehnen, kann er nicht verstehen: „Das ist einfach egoistisch. Wir können alle froh sein, dass wir hier in Deutschland sind. Die USA haben es immer noch nicht in den Griff bekommen."
Fabio Heßling weiß, wovon er da spricht. Denn eigentlich lebt er im US-amerikanischen Bundesstaat Kansas, wo er Bauingenieurwesen studiert. Als die Corona-Pandemie aufkam, reiste er im März 2020 zurück ins Saarland – genauer gesagt: zu seinen Eltern nach Schwalbach-Sprengen. „Meine Familie und ich wissen, dass das Gesundheitssystem in den USA nicht so gut ist. Außerdem konnte ich dort schon seit Wochen nicht mehr trainieren", sagt er. Dabei wanderte er im Sommer 2019 vor allem wegen der optimalen Trainingsbedingungen aus. Allerdings nicht nur. „Auch, um ein bisschen was von der Welt zu sehen und unbedingt auch mein Englisch aufzubessern", wie er sagt. Das Sport-Stipendium kam ihm da gerade recht.
Ziel ist die 71-Meter-Marke
„Ich hatte eigentlich gehofft, dass ich nach meiner Rückkehr mit meinem Trainer im Saarland wieder durchstarten kann, aber dann kamen auch hier die Einschränkungen", klagt Heßling. Über zwei Monate lang musste er alleine trainieren – nahezu ohne Krafttraining: „Das war definitiv nicht gut für mich. Ich hatte mir für diese Saison hohe Ziele gesetzt und wollte in meinem zweiten Jahr mit dem Sieben-Kilo-Wurfhammer die 71-Meter-Marke knacken, das ist die Norm für die Aufnahme in den Perspektivkader." Doch die erste Trainingsphase nach der Corona-Zwangspause lief ernüchternd: Auf gerade einmal rund 60 Meter wuchtete Heßling sein Wurfgerät und schrieb die Saison mehr oder weniger ab. Erst ein Trainingsaufenthalt in Berlin brachte ihm sein Gefühl wieder zurück. Er steigerte sich durch verbesserte Technik auf 69,12 Meter. In Braunschweig wollte er eigentlich die 70 vor dem Komma stehen sehen. Darüber, dass es am Ende „nur" 67,05 Meter waren, tröstete ihn die Bronzemedaille hinweg. Eine neue persönliche Bestweite hat er auch so aufgestellt. Die soll natürlich schnellstmöglich wieder fallen. Am liebsten schon beim Knacken der Norm für die Europameisterschaft in Norwegen 2021, die bei 70 Metern liegt.
Je nach Entwicklung der Infektionslage will der Saarländer etwa in einem halben Jahr wieder zurück in die USA, wo er sein Studium fortsetzen und weiter an der Verwirklichung seines großen Traums arbeiten möchte: der Erfüllung der Norm für die Olympischen Spiele 2024 oder spätestens 2028.